Выбрать главу

»Ich habe dich zwar nicht gefragt, aber es ist in Ordnung«, sagte Tanis, der sich zum Zwerg setzte, um seine Portion quith-pa zu verzehren. »Wir müssen bald aufbrechen. Mit Glück findet Tolpan eine Karte...«

Flint schnaufte verächtlich. »Pah! Das wird nun wirklich weiterhelfen. Beim letzten Mal sind wir einer seiner Karten gefolgt, und sie führte uns zu einem Hafen ohne Meer.«

Tanis unterdrückte ein Lächeln. »Vielleicht ist es jetzt anders«, sagte er. »Zumindest ist es besser, als Fizban zu folgen.«

»Nun, da könntest du recht haben«, räumte der Zwerg mürrisch ein. Flint warf Fizban einen Seitenblick zu, dann beugte er sich zu Tanis. »Hast du dich jemals gefragt, wie er es geschafft hat, den Sturz in Pax Tarkas zu überleben?« flüsterte er.

»Ich frage mich eine Menge«, erwiderte Tanis ruhig. »Zum Beispiel – wie es dir geht?«

Der Zwerg blinzelte, völlig verwirrt über diese unerwartete Frage. »Gut!« schnappte er, knallrot anlaufend.

»Und warum reibst du deinen linken Arm?«»Rheuma«, knurrte der Zwerg. »Du weißt doch, daß ich im Frühling immer Probleme damit habe. Und das Schlafen auf dem Boden ist nicht gerade gut dagegen. Du hast doch gesagt, wir müssen bald aufbrechen.« Der Zwerg beschäftigte sich mit Packen.

»Richtig.« Tanis drehte sich seufzend um. »Etwas gefunden, Tolpan?«

»Ja, ich glaube ja«, sagte der Kender eifrig. Er rollte seine Karten auf, verstaute sie im Kartenbehälter, dann steckte er den Behälter in einen Beutel. Dabei warf er einen kurzen Blick auf seinen goldenen Drachen. Obwohl die Figur offenbar aus Metall war, änderte sie ihre Haltung auf die merkwürdigste Weise. Gerade jetzt krümmte sie sich um einen goldenen Ring – Tanis' Ring, den Laurana ihm einst geschenkt, und den er zurückgegeben hatte, als er ihr seine Liebe zu Kitiara gestand.

Tolpan war so vertieft, auf den Drachen und den Ring zu starren, daß er Tanis fast vergaß.

»Oh«, sagte er, als er den Halb-Elfen ungeduldig husten hörte. »Karte. Richtig. Ja, verstehst du, als ich noch ein kleiner Kender war, reisten meine Eltern und ich durch das Khalkist-Gebirge, in dem wir uns gerade aufhalten, nach Kalaman. Normalerweise nahmen wir die nördliche, die längere Route. In Taman Busuk fand jedes Jahr ein Jahrmarkt statt, auf dem man die wundersamsten Dinge kaufen konnte, und mein Vater verpaßte diese Gelegenheit nie. Aber einmal – ich glaube, es war das Jahr, als sie ihn wegen eines Mißverständnisses zwischen ihm und einem Juwelier verhaftet und ausgeprügelt hatten entschieden wir, durch das Gebirge zu wandern. Meine Mutter wollte immer schon die Heimat der Götter sehen, also...«

»Die Karte!« unterbrach Tanis.

»Ja, die Karte.« Tolpan seufzte. »Hier. Ich glaube, sie gehörte meinem Vater. Hier sind wir ungefähr. Und hier ist die Heimat der Götter.«

»Was ist das?«

»Eine alte Stadt. Sie ist zerstört, wurde während der Umwälzung aufgegeben...«»Und ist höchstwahrscheinlich mit Drakoniern übersät«, beendete Tanis.

»Nein, nicht die Heimat der Götter«, fuhr Tolpan fort und führte seinen kleinen Finger über das Gebirge zu einem Punkt, der die Stadt kennzeichnete. »Dieser Ort wird auch Heimat der Götter genannt. In der Tat hieß er schon so, bevor dort eine Stadt entstand, wie Fizban sagt.«

Tanis blickte zu dem alten Magier, der nickte.

»Vor langer Zeit glaubten die Leute, daß dort Götter lebten«, sagte er ernst. »Es ist ein sehr heiliger Ort.«

»Und er liegt versteckt«, fügte Tolpan hinzu, »in einem Bekken inmitten dieser Berge. Siehst du? Fizban sagt, daß niemand dorthin geht. Niemand außer ihm kennt den Weg. Und es gibt einen Pfad, der auf seiner Karte eingezeichnet ist, zumindest in das Gebirge...«

»Niemand geht dorthin?« fragte Tanis Fizban.

Die Augen des alten Magiers verengten sich vor Ärger.

»Nein.«

»Niemand außer dir?« fragte Tanis weiter.

»Ich bin schon an vielen Orten gewesen, Halb-Elf!« Der Magier schnaufte verächtlich. »Hast du ein Jahr Zeit? Dann zähle ich sie dir auf!« Er richtete anklagend einen Finger auf Tanis.

»Du schätzt mich nicht, junger Mann! Immer argwöhnisch! Und das nach allem, was ich für euch getan habe...«

»Uh, ich würde ihn nicht daran erinnern!« sagte Tolpan eilig, der Tanis' Gesicht sich verfinstern sah. »Komm schon, Alter.«

Die beiden eilten zum Pfad, Fizban wütend und mit gesträubtem Bart.

»Haben die Götter wirklich an diesem Ort gelebt, wo wir jetzt hingehen?« fragte Tolpan, um von Tanis abzulenken.

»Woher soll ich das wissen?« fragte Fizban wütend. »Sehe ich etwa aus wie ein Gott?«

»Aber...«

»Hat dir schon einmal jemand gesagt, daß du viel zuviel redest?«

»Fast jeder«, sagte Tolpan fröhlich. »Habe ich dir jemals die Geschichte erzählt, als ich ein wollenes Mammut gefunden habe?«

Tanis hörte Fizban aufstöhnen. Tika eilte an ihm vorbei, um Caramon zu holen.

»Kommst du, Flint?« rief Tanis.

»Ja«, antwortete der Zwerg, der sich plötzlich auf einen Stein setzte. »Laß mir einen Moment Zeit. Mir ist das Gepäck runtergefallen. Geht schon vor.«

In die Karte des Kenders vertieft, bemerkte Tanis nicht, daß Flint zusammengebrochen war. Er horte nicht den merkwürdigen Ton in der Stimme des Zwerges, noch sah er das kurze, schmerzhafte Aufzucken in seinem Gesicht.

»Nun, beeil dich«, sagte Tanis geistesabwesend. »Wir wollen dich nicht zurücklassen.«

»In Ordnung, Bursche«, sagte Flint leise und wartete, daß der Schmerz nachließ – wie es immer der Fall war.

Flint beobachtete seinen Freund den Pfad hinunterlaufen. Er bewegte sich immer noch etwas schwerfällig in der Drachenrüstung. Wir wollen dich nicht zurücklassen.

»In Ordnung, Bursche«, wiederholte Flint. Er fuhr sich mit seiner schwieligen Hand schnell über die Augen, dann erhob er sich und folgte seinen Gefährten.

3

Die Heimat der Götter

Es war ein langer und ermüdender Tag gewesen.

Sie waren ziellos durch das Gebirge gelaufen, soweit es der ungeduldige Halb-Elf beurteilen konnte.

Das einzige, was ihn davon abhielt, Fizban zu erwürgen, war die unbestreitbare Tatsache, daß der alte Mann sie trotz allem richtig geführt hatte. Gleichgültig, wie sie umherzuirren schienen, gleichgültig, wie oft Tanis hätte schwören können, daß sie an demselben Findling schon dreimal vorbeigekommen waren, jedesmal, wenn er einen flüchtigen Blick auf die Sonne erhaschte, wanderten sie untrüglich in südöstlicher Richtung.Aber je später es wurde, um so seltener sah er die Sonne. Die bittere Winterkälte lag nicht mehr in der Luft, und der Wind trug den schwachen Frühlingsduft junger Pflanzen heran. Aber bald verdunkelte sich der Himmel mit bleigrauen Wolken, und es begann zu regnen – ein gleichförmiger, trommelnder Schauer, der durch den Umhang drang.

Am Nachmittag war die Gruppe freudlos und entmutigt – sogar Tolpan, der sich heftig mit Fizban stritt, in welcher Richtung die Heimat der Götter lag. Das war für Tanis um so zermürbender, da offensichtlich beide nicht wußten, wo sie überhaupt waren. (Fizban hielt die Karte tatsächlich verkehrt herum.) Der Streit endete damit, daß Tolpan seine Karten in seinen Beutel packte und sich weigerte, sie wieder herauszuholen, während Fizban drohte, Tolpans Zopf in einen Pferdeschweif zu verwandeln.

Tanis, der von beiden genug hatte, schickte Tolpan zum Abreagieren nach hinten, beruhigte Fizban und hegte geheime Wünsche, beide in eine Höhle zu sperren.

Die Ruhe, die der Halb-Elf in Kalaman gespürt hatte, verließ ihn allmählich auf dieser unheilvollen Reise. Es wurde ihm nun bewußt, daß es eine künstliche Ruhe gewesen war, die Notwendigkeit, Entscheidungen zu treffen, der beruhigende Gedanke, endlich etwas Konkretes zu tun, um Laurana zu helfen. Diese Aufgaben hatten ihn über Wasser gehalten, so wie die Meer-Elfen ihn über das Blutmeer von Istar getragen hatten. Aber jetzt bekam er wieder das Gefühl, daß das dunkle Gewässer über seinem Kopf zusammenschlug.