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Tanis' Gedanken waren ständig bei Laurana. Immer wieder hörte er Gilthanas' anschuldigende Worte – Sie hat es für dich getan! Und obwohl Gilthanas ihm wohl verziehen hatte, wußte Tanis, daß er sich selbst nie verzeihen würde. Was geschah mit Laurana im Tempel der Dunklen Königin? Lebte sie noch? Tanis schreckte vor diesem Gedanken zurück. Natürlich lebte sie noch! Die Dunkle Königin würde sie nicht töten, jedenfalls solange sie Berem nicht hatte...

Tanis' Augen richteten sich auf den Mann, der vor ihm neben Caramon ging. Ich werde alles tun, um Laurana zu retten, schwor er sich mit zusammengeballten Fäusten. Alles! Auch wenn ich mich opfern müßte oder...

Er hielt inne. Würde er wirklich Berem ausliefern? Würde er ihn wirklich der Dunklen Königin aushändigen, damit die Welt vielleicht in eine so tiefe Dunkelheit tauchen, daß sie niemals wieder das Licht erblicken würde?

Nein, dachte Tanis entschlossen. Das würde Laurana nicht retten. Nach einigen Schritten änderte er jedoch seine Meinung. Soll die Welt doch auf sich selbst aufpassen, dachte er düster. Wir sind zum Untergang verurteilt. Wir können nicht gewinnen, egal was passiert. Lauranas Leben ist das einzige, was zählt... das einzige...

Tanis war nicht der einzige in der Gruppe, der düstere Gedanken hegte. Tika ging neben Caramon, ihre roten Locken bildeten einen warmen, hellen Fleck an diesem grauen Tag. Aber das Licht war nur in dem lebhaften Rot ihrer Haare, aus ihren Augen war es verschwunden. Zwar war Caramon unbestritten liebenswürdig zu ihr, aber seit jenem wundervollen kurzen Augenblick unter dem Meer, als seine Liebe ihr gehört hatte, verhielt er sich distanziert. Darüber war sie in den langen Nächten sehr wütend – er hatte sie ausgenutzt, sagte sie sich, nur um seinen eigenen Schmerz zu lindern. Sie schwor, ihn nach dieser Reise zu verlassen. In Kalaman gab es einen wohlhabenden jungen Edelmann, der seine Augen nicht von ihr genommen hatte... Aber das waren die nächtlichen Gedanken. Tagsüber, wenn Tika Caramon einen Blick zuwarf und sah, wie er sich neben ihr mit gebeugtem Kopf dahinschleppte, wurde ihr Herz weich. Sanft berührte sie ihn. Er sah dann schnell zu ihr auf und lächelte. Tika seufzte. Soviel zu wohlhabenden jungen Edelmännern.

Flint stapfte einher, sprach kaum, beklagte sich nie. Wenn Tanis nicht so tief in seinen eigenen inneren Kampf verstrickt gewesen wäre, hätte er dies als schlechtes Zeichen bemerkt.

Was Berem betraf, so wußte niemand, was er dachte, falls er überhaupt dachte. Er schien immer nervöser und vorsichtigerzu werden, je weiter sie wanderten. Seine blauen Augen bewegten sich wie bei einem gefangenen Tier nervös in alle Richtungen.

Am zweiten Tag im Gebirge verschwand Berem.

Alle waren an dem Morgen munterer gewesen, nachdem Fizban verkündet hatte, daß sie bald die Heimat der Götter erreichen würden. Aber die düstere Stimmung war bald darauf wieder da. Der Regen wurde stärker. Dreimal in einer Stunde führte der alte Magier sie mit aufgeregten Rufen durchs Gebüsch: »Da ist es! Wir sind da!«, nur um sich in einem Sumpf, in einer Schlucht und schließlich auf eine Felswand starrend wiederzufinden.

In dieser letzten Sackgasse hatte Tanis das Gefühl, daß sich seine Seele aus dem Körper riß. Selbst Tolpan wich beunruhigt zurück, als er das vor Wut verzerrte Gesicht des Halb-Elfen sah. Verzweifelt versuchte Tanis, sich zusammenzureißen, als er sich dessen bewußt wurde.

»Wo ist Berem?« fragte er. Eine plötzliche Kälte ließ seine Wut gefrieren.

Caramon blinzelte, als ob er aus einer anderen Welt zurückkehren würde. Der Krieger sah sich hastig um, dann wandte er sich zu Tanis. Er errötete vor Scham. »Ich... ich weiß nicht, Tanis. Ich... ich dachte, er wäre neben mir.«

»Er ist unsere einzige Möglichkeit, Neraka zu betreten«, sagte der Halb-Elf mit zusammengepreßten Zähnen, »und der einzige Grund, warum Laurana noch am Leben ist. Wenn sie ihn schnappen...«

Tanis stockte, plötzliche Tränen hinderten ihn, weiterzusprechen. Verzweifelt versuchte er, trotzdem zu denken.

»Mach dir keine Sorgen, Bursche«, sagte Flint barsch und klopfte dem Halb-Elfen auf den Arm. »Wir finden ihn schon.«

»Es tut mir leid, Tanis«, murmelte Caramon. »Ich habe nachgedacht – über Raist. Ich... ich weiß, ich hätte nicht...«

»Wie im Namen der Hölle kann dein verfluchter Bruder sogar Unheil anrichten, wenn er nicht einmal hier ist!« schrie Tanis. Dann faßte er sich. »Es tut mir leid, Caramon«, sagte er undholte tief Luft. »Es ist nicht deine Schuld. Ich hätte auch aufpassen sollen. Das hätten wir alle. Wir müssen sowieso den Weg zurück, falls Fizban uns nicht durch die Steinwand führen kann... nein, erwäge nicht diese Möglichkeit, alter Mann... Berem kann nicht weit gegangen sein, und seine Spur müßte einfach aufzunehmen sein.«

Tanis hatte recht. Nachdem sie eine Stunde lang ihre eigenen Schritte zurückverfolgt hatten, entdeckten sie einen kleinen Tierpfad, den keiner von ihnen vorher bemerkt hatte. Es war Flint, der die Spuren des Mannes im Schlamm sah. Der Zwerg rief es aufgeregt den anderen zu, dann tauchte er in das Gestrüpp ein und folgte mühelos dem Pfad. Die anderen eilten ihm nach, aber der Zwerg schien einen ungewöhnlichen Energieanfall zu erleben. Wie ein Jagdhund, der sich seiner Beute sicher ist, trampelte Flint über Kletterpflanzen und hackte sich pausenlos den Weg durch das Unterholz frei. Bald hatte er sie weit hinter sich gelassen.

»Flint!« schrie Tanis mehr als einmal. »Warte auf uns!«

Aber die Gruppe fiel immer weiter hinter dem aufgeregten Zwerg zurück, bis sie ihn völlig aus den Augen verloren. Flints Spur erwies sich jedoch deutlicher als Berems. Sie hatten wenig Schwierigkeiten, den Stiefelabdrücken des Zwerges zu folgen, ganz zu schweigen von den abgehackten Baumästen und ausgerissenen Kletterpflanzen, die seinen Vormarsch markierten.

Dann ging es plötzlich nicht mehr weiter.

Sie hatten eine weitere Felswand erreicht, aber in dieser gab es einen Weg – ein Loch im Gestein, das sich in eine schmale, tunnelähnliche Öffnung fortsetzte. Der Zwerg war ohne Schwierigkeiten eingetreten – sie konnten seine Spur sehen -, aber sie war so schmal, daß Tanis verdrossen darauf starrte.

»Berem ist hier durchgegangen«, sagte Caramon grimmig und zeigte auf einen frischen Blutfleck am Stein.

»Vielleicht«, sagte Tanis zweifelnd. »Sieh mal nach, was auf der anderen Seite ist, Tolpan«, befahl er.

Tolpan kroch mit Leichtigkeit hinein, und bald hörten sie seine schrille Stimme vor Verblüffung über etwas schreien,aber das Echo war so verzerrt, daß sie seine Worte nicht verstehen konnten.

Plötzlich leuchtete Fizbans Gesicht auf. »Das ist es!« schrie der alte Magier hocherfreut auf. »Wir haben es gefunden! Die Heimat der Götter! Der Weg dorthin – durch diesen Gang!«

»Gibt es keinen anderen Weg?« fragte Caramon, während er düster auf die schmale Öffnung starrte.

Fizban wirkte nachdenklich. »Nun, ich glaube mich zu erinnern...«

Dann hörte man ein ziemlich deutliches »Tanis! Beeil dich!« aus der Öffnung.

»Keine weiteren Sackgassen. Wir gehen hier durch«, murrte Tanis, »irgendwie.«

Auf allen vieren krochen die Gefährten in die schmale Öffnung. Der Weg wurde nicht einfacher; manchmal waren sie gezwungen, wie Schlangen durch den Schlamm zu gleiten. Den breitschultrigen Caramon traf es am schlimmsten, und eine Zeitlang überlegte Tanis, den Krieger zurückzulassen. Tolpan erwartete sie auf der anderen Seite und beobachtete sie ungeduldig beim Kriechen. »Ich habe etwas gehört, Tanis«, sagte er mehrmals. »Flint schreit herum. Oben. Und warte, bis du diesen Ort gesehen hast, Tanis! Du wirst es nicht glauben!«

Aber Tanis nahm sich erst die Zeit, zuzuhören oder sich umzusehen, als alle sicher durch den Tunnel gekommen waren.

Alle mußten mithelfen, Caramon aus dem Tunnel zu ziehen und zu zerren, und als er schließlich heraustrat, war die Haut an seinen Armen und am Rücken aufgeschürft und blutete.