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Seine Stimme erstarb, er schloß seine Augen, sein Atem ging schwerer. Tanis hielt seine Hand fest. Tolpan vergrub sein Gesieht an Flints Schulter. Dann erschien Fizban, stellte sich vor Flints Füße.

Der Zwerg öffnete die Augen. »Ich weiß jetzt, wer du bist«, sagte er leise, seine Augen leuchteten, als er Fizban ansah. »Du kommst mit mir, nicht wahr? Zumindest den Anfang der Reise... damit ich nicht so allein bin. Ich bin solange mit Freunden gewandert, daß, ich... irgendwie ein komisches Gefühl habe... so allein aufzubrechen.«

»Ich komme mit dir«, versprach Fizban. »Schließe deine Äugen und ruh dich aus, Flint. Die Probleme dieser Welt sind nicht mehr deine. Du hast es verdient, zu schlafen.«

»Schlafen«, sagte der Zwerg lächelnd. »Ja, genau das brauche ich. Weck mich, wenn du bereit bist... weck mich, wenn es Zeit zum Aufbruch...« Flint schloß die Augen. Er atmete mühelos ein, dann atmete er aus...

Tanis drückte die Hand des Zwerges an seine Lippen. »Leb wohl, alter Freund«, flüsterte der Halb-Elf, dann legte er die Hand auf Flints Brust.

»Nein! Flint! Nein!« Wild schreiend warf sich Tolpan auf den Zwerg. Sanft hob Tanis den schluchzenden Kender in seine Arme. Tolpan trat und schlug, aber Tanis hielt ihn wie ein Kind fest, und schließlich gab Tolpan erschöpft auf. Er klammerte sich an Tanis und weinte bitterlich.

Tanis streichelte über den Zopf des Kenders, als er plötzlich aufsah.

»Warte! Was machst du da, alter Mann!« schrie er.

Tanis setzte Tolpan ab und erhob sich schnell. Der zerbrechliche alte Magier hatte Flint in seine Arme gehoben und ging, wie Tanis bestürzt beobachtete, auf den seltsamen Kreis aus Steinen zu.

»Halt!« befahl Tanis. »Wir müssen ihm ein ordentliches Begräbnis geben, ein Hügelgrab errichten.«

Fizban drehte sich zu Tanis um. Er hielt den schweren Zwerg sanft und mit Leichtigkeit in den Händen.

»Ich habe ihm versprochen, daß er nicht allein reisen würde«, sagte Fizban einfach.Dann drehte er sich wieder um und setzte seinen Weg fort.

Tanis lief nach einem Moment des Zögerns hinterher. Die anderen standen wie festgewachsen da und starrten Fizban nach.

Es schien für Tanis einfach, den alten Mann, der solch eine Last trug, einzuholen. Aber Fizban bewegte sich unglaublich schnell, fast als ob er und der Zwerg leicht wie Schnee wären. Plötzlich wurde sich Tanis seines eigenen Gewichtes bewußt, und er hatte den Eindruck, als würde er versuchen, die Andeutung eines in den Himmel schwebenden Rauchwölkchens zu fangen. Dennoch taumelte er hinterher und erreichte sie gerade in dem Moment, als der alte Magier mit dem Zwerg in den Kreis mit den Findlingen trat.

Tanis quetschte sich zwischen die Steine, wußte nur, daß er diesen verrückten alten Magier aufhalten und den Leichnam seines Freundes zurückholen mußte.

Dann hielt er im Kreis inne. Er glaubte, vor einem Wasserbecken zu stehen. Das Wasser war so still, daß nichts seine glatte Oberfläche verunstaltete. Dann sah er, daß es kein Wasser war – es war ein Becken aus spiegelglattem, schwarzem Stein! Die tiefschwarze Oberfläche war zu vollem Glanz poliert. Das Becken erstreckte sich vor Tanis wie die Dunkelheit der Nacht, und als Tanis in seine schwarzen Tiefen blickte, war er überrascht, wirklich Sterne zu sehen! Sie waren so deutlich, daß er aufsah und halb erwartete, daß die Nacht angebrochen war, obwohl er wußte, daß es erst Nachmittag war. Der Himmel über ihm war azurblau, kalt und klar, ohne Sterne, ohne Sonne. Benommen und schwach fiel Tanis neben dem Becken auf die Knie und starrte wieder auf seine polierte Oberfläche.

Er sah die Sterne, er sah die Monde, er sah drei Monde, und seine Seele erbebte, denn der schwarze Mond, nur sichtbar für die mächtigen Magier der Schwarzen Roben, war nun sichtbar für ihn – wie ein dunkler, aus der Schwärze herausgeschnittener Kreis. Er konnte sogar die klaffenden Löcher erkennen, wo die Konstellationen der Königin der Finsternis und des Tapferen Kriegers einst den Himmel geschmückt hatten.

Tanis fielen Raistlins Worte ein: Beide verschwunden. Sie ist nach Krynn gekommen, Tanis, und er ist gekommen, um sie zu bekämpfen...

Er sah auf. Fizban trat auf den schwarzen Stein, Flints Leichnam in seinen Armen.

Der Halb-Elf versuchte verzweifelt zu folgen, aber er hätte eher in die Hölle springen können, als auf diese kalte Steinoberfläche zu kriechen. Er konnte nur zusehen, wie der alte Magier, der so vorsichtig ging, als ob er ein schlafendes Kind in seinen Armen trug, sich zur Mitte der glänzend schwarzen Oberfläche bewegte.

»Fizban!« rief Tanis.

Der alte Mann hielt nicht an und drehte sich auch nicht um, sondern ging auf die glitzernden Sterne zu. Tanis spürte Tolpan neben sich. Tanis nahm seine Hand und hielt sie fest, so wie er Flints festgehalten hatte.

Der alte Magier erreichte die Mitte des Steinbeckens... und verschwand.

Tanis keuchte. Tolpan sprang an ihm vorbei, wollte auf die glasähnliche Oberfläche laufen. Aber Tanis fing ihn ein.

»Nein, Tolpan«, sagte der Halb-Elf leise. »Bei diesem Abenteuer kannst du ihn nicht begleiten. Noch nicht. Du mußt noch eine Weile bei mir bleiben. Ich brauche dich jetzt.«

Tolpan wich ungewöhnlich gehorsam zurück, dabei zeigte er aber nach vorn.

»Sieh mal, Tanis!« flüsterte er mit bebender Stimme. »Die Konstellation! Sie ist wieder da!«

Als Tanis auf die Oberfläche des schwarzen Beckens starrte, sah er die Sterne der Konstellation des Tapferen Kriegers zurückkehren. Sie flackerten, dann erstrahlten sie im Licht und erfüllten das dunkle Becken mit ihrem blauweißen Glanz. Schnell sah Tanis nach oben – aber der Himmel war blau und still und leer.

4

Berems Geschichte

»Tanis!« rief Caramon.

Berem! Plötzlich erinnerte sich Tanis, was er getan hatte, wandte sich um und stolperte auf Caramon und Tika zu, die entsetzt auf den blutverschmierten Stein starrten, an dem Berems Leichnam gelegen hatte. Während sie zusahen, begann Berem sich zu rühren, zu stöhnen – nicht vor Schmerz, sondern von der Erinnerung an den Schmerz. Mit einer zitternden Hand an seiner Brust erhob sich Berem langsam. Auch die Blutspuren an seinem Körper verschwanden allmählich.

»Er wird auch Ewigan genannt, erinnerst du dich?« fragte Tanis den aschgrauen Caramon. »Sturm und ich haben ihn in Pax Tarkas sterben gesehen, vergraben unter Tonnen von Steinen. Er ist schon unzählige Male gestorben, nur um wieder zum Leben zu erwachen. Und er behauptet, den Grund dafür nicht zu kennen.« Tanis trat dicht zu Berem, starrte den Mann an, der ihn widerspenstig und argwöhnisch musterte.

»Aber du weißt es, nicht wahr, Berem?« fragte Tanis. Die Stimme des Halb-Elfen war sanft und ruhig. »Du weißt es«, wiederholte er, »und du wirst es uns erzählen. Das Leben vieler kann davon abhängen.«

Berem senkte seinen Blick. »Es tut mir leid... wegen deines Freundes«, murmelte er. »Ich... ich habe versucht, ihm zu helfen, aber es gab nichts...«

»Ich weiß.« Tanis schluckte. »Es tut mir leid... was ich getan habe. Ich... konnte nicht sehen... Ich habe nicht verstanden...«

Aber während er diese Worte sprach, erkannte Tanis, daß er log. Er hatte gesehen, aber er hatte nur das gesehen, was er sehen wollte. Wie viele Situationen in seinem Leben waren so gewesen? Wieviel von dem, was er gesehen hatte, war von ihm verzerrt worden? Er hatte Berem nicht verstanden, weil er Berem nicht verstehen wollte! Berem verkörperte für Tanis tatsächlich all jene dunklen und geheimen Dinge, die er an sich selbst haßte. Er hatte Berem getötet, das wußte der Halb-Elf, aber in Wirklichkeit hatte er das Schwert in seinen eigenen Körper getrieben.