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Ich will, dass Ihr mir zu Diensten seid, meine Holde. Wie ich hörte, ist der Weg vom Albenstern zur Blauen Halle nicht vor Euren Blicken verborgen geblieben, obgleich die Elfen der Blauen Halle als Meister der Täuschung gelten. Nun wünsche ich, dass Ihr auch mir etwas enthüllt, das verborgen bleiben soll.

Nandalee sah verblüfft zu dem Drachen auf. Woher wusste er davon? Nur sie und Gonvalon waren dort gewesen! Hatte er etwa …?

Ja, Gonvalon hat mir und meinen Brüdern davon berichtet. In der Nacht, in der ihr von der Blauen Halle zurückgekehrt seid, ist er vor das verborgene Fenster getreten. Er war tief beeindruckt von Euch und Eurer Entscheidung.

»Aber woher weißt du …?«

Was Ihr gedacht habt? Er zwinkerte ihr zu. Nein, ich kann immer noch nicht in Euren Gedanken lesen. Aber Ihr seid zu unbeherrscht, Nandalee. Eure Gedanken waren leicht von Eurem Antlitz abzulesen. Ich habe Wut und Enttäuschung gesehen. Sie haben mir verraten, an wen Ihr dachtet. Aber lassen wir das. Werdet Ihr bleiben und mir zu Diensten sein? Seinen Worten folgte ein Gefühl, als wehe ein klarer, frischer Wind durch ihre Gedanken. Der Drachenodem hatte sie erneut eingehüllt. Er trieb irgendein Spiel mit ihr, das sie nicht durchschaute. Und dazu gehörte, dass sie nun frei entscheiden konnte. Aber konnte sie das wirklich? Erneut dachte sie an die Gazala. »Werde ich mich verändern? Werde ich sein wie sie? Dein blindes Werkzeug?«

Wieder lachte er. Die Gazala sind unsterblich, so wie ich. Sie haben kein Bedürfnis, bei Männern zu liegen. Nur drei von ihnen sind nicht blind – und es macht sie zu den am wenigsten zuverlässigen Prophetinnen. Die Welt, die sie umgibt, lenkt sie ab, deshalb sind sie hier, wo niemand sie stört. Ihr Zweck ist es, in die Zukunft zu blicken und zu berichten, was sie sehen. Das Gegenwärtige soll sie nicht berühren. Nein, meine Holde, Ihr werdet nicht wie sie. Die Gazala gehören mir, sie wurden für mich erschaffen. Ihr Elfen aber gehört allen Himmelsschlangen. Zunächst … Bis der Tag kommt, an dem ihr Drachenelfen werdet. Dann entscheiden wir, zu wem Euer Charakter am besten passt und künftig werdet ihr nur noch einer einzigen Himmelsschlange dienen. Treu bis in den Tod. Ihr seid unsere Krallen, Dame Nandalee. Unsere Henker, die unsere Urteile vollstrecken. Und ja – Ihr werdet Euch verändern. Ihr werdet nicht sein wie die Gazala. Ihr werdet Euch selbst kennenlernen. Ihr werdet Euch beherrschen lernen und Ihr werdet lernen, nicht für jeden in Eurer Nähe eine Gefahr zu sein.

Jetzt schien es ihr, als ob er lächelte.

Ich will ein Jahr Eures Lebens. Ihr bleibt hier. Das ist der Preis.

»Was …?« Nandalee erstarrte. Sie sollte hierbleiben? Er wollte sie nicht gehen lassen? Und wofür war sie ihm etwas schuldig? »Der Preis für was?«, platzte sie heraus.

Es ist der Preis für meine Gesellschaft, Dame Nandalee. Der Preis dafür, dass Ihr meinen Hort wider jede Vorsicht durch den Einsatz einer Magie betreten habt, die Ihr nicht beherrscht. Es ist der Preis für zu viel Talent und zu wenig Verstand und Selbstbeherrschung. Ihr werdet auch lernen, Euch zu zügeln, meine Holde. Ihr habt mich überrascht und Ihr könnt mir nützlich sein. Überrascht mich weiterhin, meine Holde. Im Gegenzug mache ich Euch meine Aufmerksamkeit zum Geschenk. Ihr dürft mich alles fragen, und Ihr werdet einem Drachen näher kommen als wohl je ein sterbliches Wesen zuvor. Ein Jahr Eurer Zeit ist ein geringer Preis für Euer Leben, denn wenn Ihr bleibt, wie Ihr seid, meine ungestüme Holde, dann wird Gonvalon schon sehr bald eine weitere seiner Schülerinnen sterben sehen.

»Ein Jahr …« Sie dachte an Gonvalon. Welche Qualen würde er erdulden, wenn er entdeckte, dass sie verschwunden war? Nandalee war klar, dass sie im Augenblick keine Wahl hatte, als sich dem Drachen zu fügen. Ihn herauszufordern, oder auch nur zu verärgern, mochte sie ihr Leben kosten. Sie verstand nicht, warum dem Dunklen an ihr gelegen war, aber wenn sie Gonvalon je würde wiedersehen und von seinem Schmerz erlösen wollte, musste sie sich fügen. Dann konnte sie noch immer nach einem Weg suchen, dieser Halle zu entfliehen. Sie sprach jetzt mit fester Stimme. »Ich bleibe. Ich füge mich deinem Befehl. Aber du musst Gonvalon eine Nachricht zukommen lassen. Er muss wissen, dass es mir gut geht.«

Für einen Augenblick hatte Nandalee Freude gespürt. Sie war erneut eingetaucht in das Gefühl des Drachen, und als sie gesagt hatte, dass sie bleiben würde, war ihr nach Lachen zumute gewesen. Als hätte sich nach langen Jahren der Einsamkeit ein Gefährte gefunden, der ihr zur Seite stand. Doch dann hatte dieses Gefühl sich schlagartig verändert. Jetzt war sie … erstaunt. Enttäuscht. Und … gekränkt? Sie ballte ihre Fäuste und grub sich die Nägel ins Fleisch ihrer Hand – und dann kam der Zorn. Der schuppenglänzende Hals des Dunklen fuhr hernieder, messerscharf blitzten seine Reißzähne und in seinen Augen toste ein Sturm. Wer glaubt Ihr zu sein, mit mir zu feilschen und mir Eure Wünsche abtrotzen zu wollen? Wer kann von sich sagen, dass ihm ein Zeuge der Schöpfung Rat schenkte? Erkennt, wie viel Euch geschenkt wurde! Zerstört nicht alles durch Eure Maßlosigkeit!

Nandalee krümmte sich vor Schmerz unter der Gluthitze seiner Gedanken. Sie rang nach Atem und ihr Blut schien zu kochen. »Aufhören«, keuchte sie. »Hör auf!«

Der Sturm in den Drachenaugen verebbte und die Hitze verging. Einmal mehr streckte der Dunkle seine Kralle nach ihr aus, und kurz schien es ihr, als wolle er ihr damit das Haar aus der Stirn streichen. Doch dann hielt er inne und zog sich zurück.

Ich werde Euch lehren, Euch zu schützen, Dame Nandalee.

»Weshalb?«, flüsterte sie. »Weshalb tust du das?« Und weshalb quälst du Gonvalon? Aber diese Frage getraute sie sich nicht zu stellen. Sie vermied sie instinktiv, wie ein Fuchs, der in seiner Höhle zur Bewegungslosigkeit erstarrte, wenn ein Wolf ihn jagte.

Mir liegt an Euch, meine Holde. Ich werde Euch lehren zu leben. Und wenn der Tag kommt, an dem Ihr entscheiden werdet, was Ihr mit diesem Geschenk des Lebens zu tun gedenkt, werde vielleicht ich es sein, der etwas von Euch lernen wird.

Jetzt aber folgt mir, Dame Nandalee. Wir werden an einen Ort gehen, den vor Euch noch kein Elf betreten hat.

Sie verbeugte sich so tief, dass ihr Gesicht fast das brackige Wasser berührte. »Ich diene dir gern«, sagte sie.

Der Dunkle konnte nicht in ihren Gedanken lesen.

Ihm würde die Lüge verborgen bleiben.

Ein Fass mit Schweineschmalz

Voll gespannter Erwartung begutachtete Galar die Speerschleuder, die Nyr erschaffen hatte. Eine Waffe voller Kraft und sogar von gewisser Eleganz. Der stählerne Bogen schimmerte in der hellen Mittagssonne. Nyr streichelte über das polierte Holz der Waffe. Dann nahm er den Speer, den er verschießen würde. Mit kritischem Blick prüfte er den Schaft. Seine Hand glitt über das glatte Holz. Galar war sich sicher, dass sein Freund schon ein Dutzend Mal überprüft hatte, ob der Speerschaft gerade war.

»Und dieses Ding taugt was?«, fragte er herausfordernd.

Nyr bedachte ihn mit einem giftigen Blick. Sein Freund sah noch hagerer aus als sonst. Seine Wangen waren eingefallen, dunkle Ringe lagen unter seinen Augen. »Das ist die beste Speerschleuder, die je von den Händen eines Zwerges geschaffen wurde. Du wirst keine vergleichbare Waffe finden!«

»Auch nicht bei den Elfen?«, mischte sich Hornbori ein. Der Stutzer trug seinen Helm mit den Goldenen Schwingen, sein Bart war frisch frisiert und er roch nach dem Met, den er zum Frühstück gehabt haben musste. Sein Gürtel spannte sich straffer. Der Mistkerl trug ein gutes Kettenhemd aus kleinen, dicht miteinander verwobenen Ringen. Es hatte keine Möglichkeit gegeben, ihn auszuschließen. Er hatte sie beide in den letzten Monden mit Gold versorgt. Was immer sie gebraucht hatten, er hatte es aufgetrieben, und seine eigenen Schlachten auf Festbanketten und Saufgelagen ausgetragen. Galar betrachtete Hornboris leicht gerötete Nase. Auch er hatte seinen Preis bezahlt. Noch ein paar Jahre, und er würde ein aufgequollene, blaurot schimmernde Säufernase haben — was allerdings die meisten Zwerge nicht als Makel ansahen.