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»Elfen weben Zauber in ihre Waffen. Oder sie bitten ihre Gebieter, die Drachen, es zu tun. Kein Zwerg kann es ihnen gleichtun, aber ich glaube trotzdem nicht, dass sie eine Speerschleuder wie diese besitzen. Siehst du das Räderwerk? Ein einziger Zwerg vermag diese Waffe zu spannen. Nur einer! Und solange es gut gefettet ist, arbeitet es leise wie eine schnurrende Katze.«

Hornbori ließ seinen Blick zu den neugierigen Gaffern schweifen, die sich versammelt hatten. »Tja, an helfenden Händen besteht tatsächlich ein beträchtlicher Mangel.«

Nyr nahm den Zynismus dieses Schleimers erstaunlich gelassen und visierte über die Führungsschiene des Geschützes sein Ziel an. Ein zwei Schritt hohes Fass voller Schweineschmalz, das, etwas mehr als fünfhundert Schritt entfernt, auf der anderen Seite der Schlucht stand, die man für die Schießübung ausgewählt hatte. Sie entsprach etwa den Gegebenheiten, die man beim Futterplatz des schwarz-gelben Drachen antreffen würde, den Galar sich als sein Opfer auserkoren hatte. Ihm war klar, dass es ein gewagtes Unterfangen war, einen Drachen dieser Größe erlegen zu wollen. Aber er brauchte mehr Material!

Galar hatte schon vor Monden fünfzig Goldstücke für jeden geboten, der Nachricht über einen großen Drachen mit einem festen Futterplatz bringen konnte. Einige Jäger hatten sich mit Berichten über Silberschwingen gemeldet. Es war zu einigem Ärger gekommen, weil Zwerge Silberschwingen gemeinhin schon als tödlich große Drachen betrachteten. Nur dem Eingreifen Hornboris war zu verdanken gewesen, dass der Streit ohne ein Duell geendet war. Aber zumindest hatten sie nun die Gewissheit, dass mehr Drachen einen immer gleichen Platz zum Fressen nutzten, als man vorher angenommen hatte.

»Was sind das für komische Holzflügelchen da hinten an dem Speer?«, fragte Hornbori.

»Schon mal ’nen Armbrustbolzen in Händen gehalten, du Stammtischheld?«, fragte Nyr, immer noch gelassen.

Hornbori blickte zu den übrigen Zwergen, die sich zu diesem Spektakel versammelt hatten. Sie hielten sich in einiger Entfernung, vielleicht weil sie befürchteten, dass Nyrs Wunderwaffe auseinanderfliegen würde, wenn man den Stahlbogen spannte. Sie standen gerade so weit entfernt, dass sie Zeit genug hätten, sich zu Boden zu werfen, wenn ein Unglück geschah. Und sie waren weit genug fort, um nicht zu hören, was die drei besprachen. Sie hatten ein Fass Pilz aufgebockt und waren in überaus aufgeräumter Stimmung. Drei von ihnen trugen goldene Flügel an den Helmen. Andere die schweren Halsketten, die das Würdezeichen von Ratsmitgliedern waren. Sicherlich waren sie allesamt gute Freunde von Hornbori.

»Hör mal gut zu, Meisterschütze. Unsere Zuschauer, die da hinten stehen, haben das Gold für diese übergroße Armbrust gegeben. Von ihrer Großmut hast du die letzten Monde über gelebt. Ich rate dir dringend, ein anderes Verhalten an den Tag zu legen, sonst ist der Goldstrom für immer trockengelegt! Außerdem solltest du besser treffen.«

»Wäre es nicht besser, wenn du hinten bei deinen Freunden stehst?«, lenkte Galar ein. Auch wenn er Hornbori nicht leiden konnte, musste er eingestehen, dass dieser recht hatte und dies der denkbar ungünstigste Zeitpunkt war, um einen Streit miteinander anzufangen.

»Wenn ich mich zu denen geselle – und meine Freunde sind beileibe angenehmere Gesellschaft als ihr beide –, glauben sie, dass ich Nyr nicht traue. Auch das wäre für die Zukunft fatal. Also kann ich nur bleiben und zu den Alben beten, dass ich den Schuss überleben werde.«

Nyr sah Hornbori abschätzend von den genagelten Sohlen bis hin zu den Goldenen Schwingen an. »Du meinst, du stehst mehr auf unserer Seite als auf der Seite dieser Großschwätzer da oben?«

Das Wort Großschwätzer ließ Hornbori deutlich sichtbar zusammenzucken. Besorgt blickte er zu den Geldgebern und winkte ihnen dann freundlich zu. »Gleich sind wir so weit!«

Nyr nickte. »Ganz ähnlich wie bei einem Armbrustbolzen stabilisieren diese Flügelchen, wie du sie nennst, den Flug. Der Speer dreht sich während des Fluges um seine eigene Achse. Dadurch gewinnt er an Zielgenauigkeit.«

»Wann gedenkst du zu schießen, Meisterschütze?«, fragte Galar, dem das alles schon zu lange dauerte. Er konnte tagelang ruhig auf der Lauer nach einem Drachen liegen. Aber unter den Augen der Stutzer fühlte er sich unwohl.

Nyr ließ sich nicht beeindrucken, steckte einen Finger in den Mund, hob ihn hoch und prüfte den Wind.

»Jetzt sag nicht, dass es vom Wind abhängt, ob wir einen Drachen erlegen!«, schnaubte Hornbori.

Nyr blickte ihn mitleidig an. »Auf über fünfhundert Schritt? Natürlich! Ein laues Lüftchen wie jetzt wird den Speer auf diese Distanz um mehr als zwei Schritt abdriften lassen. Wahrscheinlich würde ich den Drachen immer noch treffen – die Viecher sind ja nicht ganz klein – aber ich könnte nur grob vorhersagen, wo.«

Galar fluchte.

»Unsere Gäste werden langsam unruhig«, murmelte Hornbori. »Kannst du nicht ein bisschen danebenzielen, sodass du mit der Abdrift am Ende doch triffst?«

»Möchtest du schießen?«, fragte Nyr. Der Geschützmeister legte den Speer auf die gefettete Führungsschiene und begann über das Räderwerk den Stahlbogen zu spannen.

Galar spielte mit seinem Bart. Das Klicken und Klacken machte ihn ganz unruhig. Ihm war klar, wie sehr ein Fehlschuss ihrer Sache schaden würde. Er schwor sich innerlich, Nyr in Ruhe zu lassen. Man konnte ihm trauen! Ganz sicher! Er schoss fast nie daneben.

»Was tun wir eigentlich, wenn der Wind von uns aus zum Drachen weht?«, fragte Hornbori leise.

»Das wird dem Flug des Speers nicht schaden«, antwortete Nyr und ließ eine Sperre einrasten.

»Das meine ich nicht. Der Drache … Der riecht uns dann doch, oder?«

Galar zuckte die Schultern. »Wir werden uns mit Wolfsscheiße einschmieren, wenn wir uns auf die Lauer legen.«

»Was? Das … Das ist nicht … Das ist ein Scherz!«

»Nein, das ist mein voller Ernst.« Galar genoss das Entsetzen in den Zügen des Schleimers. »Willst du wie ein Zwerg riechen und gefrühstückt werden – oder wie ein Wolfshaufen und dem Drachen buchstäblich scheißegal sein?«

»Ich hasse dich!«

»Du könntest selbstverständlich auch in Erwägung ziehen, nicht mit uns zu kommen. Ich kann das verstehen. Wenn man erst einmal so weit aufgestiegen ist wie du, kann man sich natürlich nicht mehr alles in den Bart schmieren.«

»Ich muss mit — du weißt das. Ich …« Ein scharfes metallisches Klacken unterbrach ihn. Der Speer schnellte davon.

Galar hielt den Atem an. Alles hing davon ab, dass …

»Ja!« Nyr schlug mit der flachen Hand auf das Geschütz. »Getroffen! «

Der Speer steckte vibrierend in dem Fass. Von den Gaffern erklangen Beifallsrufe und sie hoben ihre Pilzhumpen zum Salut. Nyr verbeugte sich vor ihnen wie ein Geck, der sein Leben mit wirren Liedern und Geschichten verdiente.

»Komm!«, sagte Galar. »Sehen wir uns das Fass an!«

»Ich muss nach oben.« Hornbori lächelte zufrieden. »Die Pflicht ruft. Zu treffen war deine Aufgabe. Nun muss ich mich darum kümmern, die Begeisterung unserer Gönner noch etwas anzufachen.«

»Was kann man da noch anfachen? Es war ein guter Treffer. Du kannst mit deinen Reden auch nicht zwei Treffer daraus machen und überhaupt …«

Hornbori schnitt Nyr mit einer harschen Geste das Wort ab. »Du schießt. Ich kümmere mich um unsere Gönner. Jeder macht das Geschäft, das er versteht.« Mit diesen Worten stieg er den Hang hinauf.

»Lass ihn ziehen. Er tut seinen Teil der Arbeit. Und auch wenn er ein schmieriger Mistkerl ist, muss man doch eingestehen, dass er seinen Teil gut macht. Gehen wir zum Fass!«