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»Was ist das, edle Fährtenleserin?«

»Eingetrocknetes Blut. Du hast recht; diese Lichtung ist nicht so friedlich, wie es scheint.«

»Wie konntet Ihr den Stein finden?«

Sie deutete auf das rotbraune Blatt. »Ein einzelnes welkes Blatt passt nicht in einen vollkommenen Sommer.« Mit diesen Worten gab sie ihm den Stein.

Auch der Dunkle schnupperte daran. Er sagte nichts. Stattdessen ging er zurück zum Albenstern. Nandalee sah sich noch einmal um. Sie konnte nichts Verdächtiges mehr entdecken. Keine Fährte im Gras. Es richtete sich schnell wieder auf. Nichts.

Der Drache hatte auf sie gewartet. »Jemand ist durch diesen Albenstern gegangen. Ich konnte das schon bei meinem ersten Besuch hier spüren. Es muss allerdings schon etliche Monde her sein. Ich werde versuchen, dieser Spur zu folgen. Die Aussichten auf einen Erfolg sind jedoch gering.«

»Und was mache ich? Soll ich etwa hierbleiben? Wir haben einen Pakt, dachte ich.«

Er sah sie lange an. So lange, dass Nandalee bewusst wurde, wie unangemessen ihr Tonfall gewesen war. Sein Blick war schwer zu deuten. Etwas stimmte nicht mit ihm, aber sie kam nicht darauf, was es sein könnte.

»Ich will Euch nicht in Gefahr bringen, Dame Nandalee«, sagte er schließlich.

»Bei allem Respekt«, sagte sie nun ein wenig demütiger, »aber sehe ich aus wie jemand, der für ein Leben an einem Ort vollkommener Harmonie geschaffen wurde? Lieber setze ich mich einer ungewissen Gefahr aus als der Gewissheit tödlicher Langeweile. «

Er wirkte nachdenklich. Sie konnte nur ahnen, wie weit fort er in Gedanken war. »An diesem Ort lebt eine Albe, Dame Nandalee«, brach er endlich das Schweigen. »Sie ist ganz anders als ich. Es ist schwer zu beschreiben, aber in ihrer Gegenwart gibt es keine Düsternis, keine Traurigkeit, keinen Zorn. Sie ist …« Er hob um Worte ringend die Hände. »Sie ist, als sei das unbeschwerte Lied einer Nachtigall zu Macht geworden.«

Nandalee runzelte die Stirn und zuckte vor Schmerz zusammen. Der Wundschorf ihrer Augenbraue war eingerissen.

»Ich mache mir Sorgen um sie. Es ist ganz und gar nicht ihre Art, diesen Ort zu verlassen. Ich muss herausfinden, wer hier war. Wer sie dazu gebracht hat, den Platz, der ihr am liebsten war, zu verlassen.«

In seinen Worten schwang ein beklemmender Unterton. Fürchtete er, dass der Albe etwas zugestoßen war? Einer der Schöpferinnen Albenmarks? Nein, das war ausgeschlossen, dachte Nandalee. Wer könnte einer Albe schon gefährlich werden! Und doch war der Drache unverkennbar in tiefer Sorge.

»Ich komme aus einer Sippe von Jägern«, sagte sie behutsam. »Wir sind Einzelgänger, aber wenn die Sippe in Gefahr ist, dann ordnen wir uns unter. Wir stehen zusammen und gehorchen dem Wort des Ältesten, bis die Gefahr gebannt ist.«

Der Dunkle sah sie durchdringend an. Was ging nur in seinem Drachenhirn vor sich? Hatte sie ihn etwa schon wieder verärgert?

»Ihr meint, ein Drache und eine Elfendame könnten eine Sippe sein?« Er blieb kühl, distanziert, und die Art, wie er sie ansah, mochte sie gar nicht. Es war ein Blick, unter dem sie sich bedeutungslos fühlte. Und wieder wurde ihr bewusst, wie entstellt sie aussah. Das Gesicht voller Schrammen, ohne Nasenspitze und mit einer abgehobelten Augenbraue.

»Wir wären wohl eine sehr kleine Sippe«, sagte sie leise und zerknirscht. Wie hatte sie so anmaßend sein können, sich mit einem der ältesten Geschöpfe Albenmarks auf eine Stufe zu stellen? Vielleicht, weil er Elfengestalt angenommen hatte …

»Das ist ein sehr fremder Gedanke für mich, Dame Nandalee. Er schmeckt bittersüß.«

Sie sah ihn verständnislos an. Sie wäre niemals auf die Idee gekommen, einem Gedanken einen Geschmack zuzuordnen. Ob er auch ihr einen Geschmack zugeordnet hatte? Er sah traurig aus, dachte Nandalee. Aber wahrscheinlich stand er weit über solchen banalen elfischen Gefühlen.

»Ihr betrachtet die Welt auf eine andere Art als ich. Wer immer hierherkam, hat viel Geschick aufgeboten, seine Spuren für mich zu verwischen. Er weiß, wie ich denke, und er weiß, wie er für mich unsichtbar wird. Euch hatte er nicht in seinem Plan bedacht, meine Dame. Ihr könntet bei dieser Jagd tatsächlich ein großer Gewinn für mich sein.«

Zum ersten Mal, seit sie ihren Pakt geschlossen hatten, lächelte der Dunkle und ein Gefühl tiefer Zuneigung berührte sie. Scheu blickte sie in seine himmelblauen Augen. Er lächelte noch immer. Ein wenig anders nun. Verschwörerisch, als teilten sie ein Geheimnis. Hatte er ihre Gedanken auch jetzt an ihrem Gesicht abgelesen?

»Dann kommt mit mir und lasst uns die Vernunft vergessen.«

Bei den Worten überlief Nandalee ein Schauer. Waren sie zweideutig gemeint oder hatte nur sie es so verstanden?

Der fremde Körper

Der Albenstern schloss sich und Dunkelheit umfing Nandalee. Ihr Weg hatte sie in eine Höhle geführt. Die Elfe überfiel das beklemmende Gefühl, tief unter der Erde zu sein.

Er ist hier angekommen und nicht mehr fortgegangen. Die Stimme des Dunklen floss wie flüssiges Feuer durch ihr Innerstes. Er ist mehrfach durch diesen Albenstern in die tiefe Stadt getreten, hat sie auf diesem Weg aber nie verlassen. Es scheint, als wolle er seine Spur verwischen.

Nandalee hatte das Gefühl, als drücke ein gewaltiger Stein auf ihre Brust. »Sind wir hier in einem Berg?«

Der Drache nickte gedankenverloren. Ja. Ein Berg. Eine große Zwergensiedlung.

Nandalee fühlte sich immer unwohler. In der Höhle des Schwebenden Meisters hatte sie es aushalten können. Dort war der Himmel nicht fern gewesen und bei ihren Lektionen hatten sie im Freien gesessen. Hier aber war die Luft abgestanden. Das allein war schon Beweis genug, wie fern sie dem Himmel sein mussten.

Geht es Euch nicht gut, Dame Nandalee?

»Doch!«, entgegnete sie hastig. Sie wollte keine Schwäche zeigen. Bevor der Albenstern sich geschlossen hatte, hatte sein Licht die Höhle erfüllt. Sie war nicht sonderlich groß. In den Wänden befanden sich Nischen, deren Innenseiten gänzlich mit violetten, weißen oder grünen Kristallen ausgekleidet waren.

Kammer der kommenden Offenbarungen nennen die Zwerge diesen Ort.

»Du warst schon einmal hier?«

Nein. Aber jede ihrer großen Bergstädte hat eine Höhle wie diese. Nur sehr wenige Zwerge vermögen Albensterne zu öffnen. Sie gehen andere Wege. Aber sie glauben, dass sie eines Tages die Kunst des Zauberwebens meistern werden.

»So wie wir Elfen?«

Er fauchte unvermittelt und gänzlich unelfisch. Wir sind nicht gekommen, um zu plaudern. Zügelt Euch!

Sein unvermittelter Zorn traf sie bis ins Innerste. Wie eine Glutwoge floss seine Wut durch ihre Glieder.

Von hier an brauche ich Eure Hilfe. Ich vermag Spuren zu folgen, die Zauber im feinen Gewebe der allumfassenden Weltenmagie hinterlassen haben, aber auf blankem Fels nutzt mir dieses Wissen nichts. Dies ist Eure Aufgabe.

Nandalee schluckte. »Das kann ich nicht. Ich …«

Das akzeptiere ich nicht.

Sie schluckte, wagte kaum zu antworten, um ihn nicht noch mehr zu erzürnen. »Aber ich sehe kaum etwas«, flüsterte sie kleinlaut.

Ein Wort des Drachen und blasses blaues Licht schlug aus dem Boden um sie herum. Sie sah sich um und war froh, diese Stimme aus flüssigem Feuer nicht mehr in sich zu spüren.

Es lag kein Staub in der Höhle und der Boden bestand aus geglättetem Fels. Selbst mit Licht war es unmöglich, etwas zu finden! Was würde er tun, wenn sie keine Spur entdeckte? Was … Sie hielt inne und kniete sich nieder. Auf dem polierten Boden gab es eine winzige Schramme. Kaum einen Schritt weiter noch eine. Eine dritte folgte.

Was seht Ihr?

»Hier muss jemand mit genagelten Stiefeln gegangen sein. Ich glaube, einer der Nägel steht vor. Er muss wohl etwas länger als die übrigen sein. Jedes Mal, wenn der Besitzer dieser Stiefel auftritt, muss es knirschen. Er hinterlässt in der Tat eine Spur. Er scheint ziemlich schwer zu sein!«