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Nandalee beeilte sich, aus dem Weg zu kommen. Sie spürte die sengende Wut des Erstgeschlüpften und fürchtete, dass ihr Meister jeden Augenblick die gesamte Werkstatt mit seinem Drachenfeuer vernichten würde. Stattdessen zog er sie in den Tunnel. Er zerrte energisch an ihr, und sie ließ es willenlos geschehen. Plötzlich war der Gestank schlagartig verschwunden.

»Besser?«

Sie nickte und atmete tief ein.

Habt Ihr es gesehen?

Nandalee zuckte unter dem Gedanken zusammen. Er schien völlig die Beherrschung verloren zu haben. Wütend blickte er zum Tunneleingang. Seine Pupillen waren jetzt geschlitzt. Unter seiner Haut arbeitete es, als seien seine Schädelknochen zu Schlangen geworden.

»Habt ihr es gesehen?«

Sie war erleichtert, dass er wieder normal mit ihr sprach. Sein Kopf schien nicht länger auseinanderplatzen zu wollen. Er beruhigte sich offensichtlich. »Ich dachte, du würdest sie alle töten.«

»Das meine ich nicht. Ignoranten und Choleriker — jeder zweite Zwerg ist entweder das eine oder das andere. Der gerade war beides. Was ich meine, waren die Leichenteile! Ihr habt an dem Tisch gestanden. Habt es berührt! Haut und Knochen eines meiner kleinen Brüder. Einer Silberschwinge! Sie haben eine Silberschwinge ermordet!«

Nandalee vermochte sich nicht vorzustellen, dass ein Zwerg in der Lage sein könnte, einen Drachen zu besiegen. Auch keine Silberschwinge. »Vielleicht haben sie einen Kad…, einen Leichnam in der Wildnis gefunden?«

»Nein, so war es nicht. Der Verrückte hat gesagt, dass ich froh sein könne, dass Hornbori Drachentöter für mich spricht, weil er mir sonst den Schädel eingeschlagen hätte. Hornbori Drachentöter! Sie rühmen sich auch noch damit!«

»Vielleicht sind es nur Angeber. Sie handeln mit allem Möglichen. Vielleicht haben sie …«

»Ich habe es in ihren Gedanken gesehen! Sie waren dabei, als die Silberschwinge starb. Sie waren dort!« Er sprach jetzt leise und eindringlich. Seine kalte Selbstbeherrschung machte ihr Angst.

»Ich werde sie beobachten. Wenn sie es noch einmal tun, dann wird etwas geschehen, das kein Zwerg jemals vergessen wird. Sie sollten sich vorsehen mit ihrem törichten Glauben, hier unten unangreifbar zu sein.«

Nandalee verstand seinen Zorn nicht. Es waren doch nur Teile eines toten Drachen. »War der Tote ein Freund von dir?«

»Eine hirnlose Silberschwinge ein Freund? Nein! Sie haben nicht mehr Verstand als ein Hund oder eine Katze. Sie können auch nicht zaubern, nicht einmal intuitiv. Es sind gefräßige Räuber und sie führen ein Leben, das von ihren Begierden beherrscht wird. Planlos, von einem Augenblick zum anderen. Aber sie sind Drachen! Wir alle sind Brüder und Schwestern. Wer einen von uns tötet, macht sich uns alle zum Feind.« Er ballte die Fäuste, dass seine Knochen knackten. »Verlassen wir diesen Ort, Dame Nandalee. Wir haben die Fährte verloren.«

Eine Weile gingen sie stumm nebeneinander her, und selbst die Zwerge, die ihnen auf dem Weg zur Kammer der kommenden Offenbarungen begegneten, schienen die Kälte und die Wut zu spüren, die den Drachen umgab, denn sie wichen ihm aus. Nandalee aber war stolz. Er hatte wir gesagt. Wir! Als sei sie schon eine Drachenelfe!

Endlich erreichten sie den Albenstern. Der Dunkle sprach das Wort der Macht und zwei Lichtschlangen erhoben sich aus dem Boden. Nandalee wollte schon hindurchschreiten, als der Drache sie zurückhielt.

»Er war hier! Vor einer Stunde vielleicht. Er hat das Tor erneut geöffnet, als wir in der Grotte der fallenden Wasser waren. Sicher ist er nun auf dem Weg dorthin! Mit etwas Glück können wir ihn stellen, ehe er in einen der Aale steigt! Schnell!«

Die Kraft positiver Gedanken

ER hasste diesen Körper. Zwerge! Sich so zu verdichten war eine Qual! ER musste zu viele Zauber gleichzeitig weben und darauf achten, dass sich ihre Muster nicht vermengten. Um SEINE Spur zu verwischen, hatte ER auf dem Weg zwischen den Welten den goldenen Albenpfad verlassen und SICH ins Nichts gestürzt. Niemand kam dorthin, ins Nichts, um nach etwas zu suchen. Verließ man den Albenpfad, stürzte man in die Dunkelheit. Doch IHN hatte keine Panik erfasst. ER wusste, dass ER dort endlos fallen konnte, ohne jemals aufzuschlagen.

Ein einziger Gedanke hatte IHN zurück auf die Albenpfade getragen. Es war im Grunde ganz leicht, dem Nichts zu entkommen. Selbstzufrieden sah ER sich in der weiten Halle um. ER mochte das Durcheinander hier. Die Geschäftigkeit der Zwerge. Sie packten an und schufen sich ihre eigene Welt. Es bereitete IHM Freude hierherzukommen, sie zu beobachten und in ihren eigenwilligen Schiffen zu fahren. Ein paar letzte Schritte noch. Der Steuermann winkte ihm vom Luk des Aals her zu. »Du bist spät!«

»Und ich zahle gut«, entgegnete ER lächelnd.

Der Zwerg murmelte etwas Unverständliches und machte IHM Platz, sodass ER durch das Luk über die kurze Eisenleiter in den Aal hinabsteigen konnte. Wenn nur für einen Herzschlag der Zauber, der SEIN Gewicht aufhob, aussetzen würde, würde alles mitsamt diesem zerbrechlichen Boot auf den Boden des unterirdischen Sees gerissen werden.

Mit einem dumpfen metallischen Geräusch schloss sich das Luk über ihnen. Das matte Licht eines winzigen Barinsteins erleuchtete das Innere. Sie waren geizig, die Zwerge! Und sie stanken! Unglaublich, was für ein Panoptikum erlesener Düfte so eine geschlossene Holzröhre war. Übler Atem, Zwiebeln, einige abgestandene Fürze, der Geruch ungewaschener Kleider und Leiber. Ranziges Fett? Damit musste sich einer seinen Bart eingeschmiert haben.

»Hier, das ist dein Platz.« Der Steuermann hatte sich an IHM vorbeigedrängt und deutete auf einen freien Platz an der Kurbelwelle. Dann arbeitete er sich weiter nach vorne vor, um sich bäuchlings zwischen den Steuerhebeln vor dem Glasauge niederzulassen.

Der Drache nahm seinen Platz ein. Dieser Aal war kleiner als SEIN Leib, wenn ER seine wahre Gestalt annahm. ER lehnte sich mit dem Rücken gegen die Außenwand, schob die Füße in die Lederriemen auf den flachen Pedalen und wartete wie alle anderen auf den Befehl des Steuermanns.

Ein dumpfer Schlag auf die Außenhülle des Aals war das Zeichen, dass alle Leinen gelöst waren. »Dann mal los!«, rief der Steuermann, und sie alle zugleich begannen die Kurbel, die sich längs durch den Aal zog, in Bewegung zu setzen. Obwohl sie schwarz von Öl glänzte, begleitete ein schleifendes Geräusch die Drehungen. Es würde die ganze Fahrt über nicht verstummen.

ER wappnete sich mit Geduld. Etwas mehr als einen Tag musste ER durchhalten. IHM konnte nichts geschehen, sagte ER sich. ER war hier in Sicherheit. Und doch fühlte ER sich ein wenig unwohl. Das machte einen Teil am Reiz dieser Reisen aus. SEIN Leben war zu sicher, zu vorhersehbar. Seit ER begonnen hatte, an seinem großen Plan zu arbeiten, hatte sich das von Grund auf geändert. ER würde die Welt neu formen.

Über IHM erklang ein Gackern! Ein Huhn streckte seinen Kopf aus einem der Frachtnetze, die entlang der Decke gespannt waren. »Was ist denn das für ein entzückender Fahrgast?« IHN überkam die Lust, nach dem Vieh zu schnappen, dessen Knochen zwischen SEINEN Fängen splittern zu fühlen. ER musste sich beherrschen. Solche Gedanken mochten IHN außer Form bringen. Wenn ER in diesem winzigen Boot wuchs, würde es in tausend Teile zersplittern. Denk wie ein Zwerg, wiederholte ER immer wieder in Gedanken. Denk wie ein Zwerg! DU würdest es rupfen und ausnehmen und dann braten. Viel zu viel Mühe, für so ein winziges Häppchen. Viel …

»Das ist ein Huhn, du blinder Idiot!«, murrte der Zwerg, der ihm gegenübersaß. Ein blonder Griesgram, der unablässig auf irgendetwas kaute. Vielleicht eine Wurzel oder ein Stück Harz. Für einen Zwerg roch er gar nicht mal übel. Ein respektabler Happen. Viel besser als ein Huhn. Er trug auch nicht allzu viel Metall an sich, das sich zwischen den Zähnen verkanten und Ärger machen konnte.