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Es tat gut, endlich wieder einmal seine Muttersprache zu hören. Volodi lächelte. »Wenn du wüsstest, wie weit er war.« Wie wunderbar, sich einmal nicht als stammelnder Idiot zu fühlen! »Beherrschst du die Sprache des Volkes der Zapote?«

Der Alte schlürfte seine Suppe und nickte. »Ein hartes Brot. Es gibt unzählige Dialekte. Aber die Sprache der Priesterschaft wird von den meisten verstanden. Kannst du dir denn meinen Rat leisten? Bitte verzeih mir, wenn ich ein wenig direkt bin, aber nichts ist flüchtiger als das gesprochene Wort, und ich habe schon des Öfteren unangenehme Erfahrungen gemacht. Deshalb muss ich darauf bestehen, mich im Voraus bezahlen zu lassen.«

Na wunderbar, dachte Volodi. Söldner, die in die Schlacht zogen, hatten auch unangenehme Erfahrungen in Aussicht und wurden trotzdem erst hinterher bezahlt, was die Sache für ihre Auftraggeber deutlich günstiger machte. Missmutig öffnete er seine Geldkatze. »Was kosten mich deine Dienste?«

»Da es mitten in der Nacht ist, wird es etwas teurer. Fangen wir mal mit einem Silberstück an.«

»Das ist Wucher!«, empörte sich Volodi.

Der Alte setzte die Suppenschale ab. »Es steht dir natürlich frei, dir einen anderen Übersetzer zu suchen. Aber ich fürchte, um diese Stunde wirst du niemanden außer dem alten Mitja finden, der unsere Zunge und die Sprache der Zapote beherrscht.« Er lächelte breit. »Aber vielleicht kann dein Anliegen ja bis morgen warten. Tagsüber koste ich auch nur die Hälfte.«

Volodi konnte ihm ansehen, dass der Übersetzer genau wusste, dass er es eilig hatte. Warum sonst sollte er mitten in der Nacht hierherkommen. »Mitja heißt du also … Würdest du mit mir kommen? Ich brauche deine Dienste nicht hier.«

»Worum genau geht es denn?«

»Ich möchte eine Frau verstehen.«

Der Alte lachte laut auf. »Da wird dir der beste Übersetzer der Welt nicht weiterhelfen können.«

Volodi war nicht nach Scherzen zumute. »Kommst du nun mit?«

»Du willst mich allen Ernstes jetzt mitten in der Nacht zu deiner Geliebten schleppen, um mit ihr zu reden? Glaubst du, das ist eine gute Idee? Was ist denn passiert? Hat sie dich hinausgeworfen? «

Er war verblüfft, wie genau der Alte den Punkt getroffen hatte. »Wirst du nun mitkommen?«

Statt zu antworten, streckte der Übersetzer die Hand vor.

Volodi gab ihm sein Silberstück. »Wir holen jetzt noch ein paar Freunde von mir. Dann kann es losgehen.«

Mitja runzelte die Stirn. »Wird es zu Blutvergießen kommen?«

»Vielleicht.« Falls der Kerl in der Gasse schneller als erwartet wieder auf die Beine kam, wollte er den Rücken frei haben. »Würdest du dann kneifen?«

»Nein. Ich mag vielleicht nicht so aussehen, aber es gab eine Zeit, zu der ich selbst ein Krieger war wie du. Allerdings werde ich dich das Doppelte kosten, wenn um mich herum Schwerter klirren.« Er erhob sich mit einem Seufzer und griff nach einem Stock, der neben ihm an der Wand lehnte. Humpelnd trat er aus der Nische, in der er seine Dienste anbot. »Stört dich, was du siehst, Junge? Das ist das Alter. Ich war leider nicht so klug, mir den Bauch aufschlitzen zu lassen, als ich noch voll im Saft stand.«

Volodi hätte am liebsten laut geflucht. Er blickte sich um. Vielleicht könnte er ja noch einen anderen Übersetzer finden? Einen, der besser zu Fuß war!

»Vergebliche Liebesmüh, Junge. Aber ich kann verstehen, wenn du mir nicht glaubst und dich lieber umhören möchtest. Allerdings beschwere dich nicht, wenn du am Ende unnütz Zeit verloren hast. Du machst den Eindruck, als sei deine Zeit knapper als dein Silber.«

Volodis Gedanken überschlugen sich. Eile war das erste Gebot der Stunde. Wenn er noch zum Palast lief, würde zu viel Zeit verloren gehen. Er musste eine Sänfte rufen. Sie konnten sich in die Nähe von Quetzallis Haus bringen lassen … Nicht bis direkt davor. Das würde zu viel Aufsehen erregen. Noch waren die Aussichten ganz gut, dass sie allein war!

»Wir brauchen eine Sänfte!«

»Willst du etwa ohne deine Freunde zu diesem Haus? Ist das eine gute Idee?«

»Wenn wir schnell dort sind, ganz sicher. Noch weitere Fragen?«

Der Alte kratzte seinen Bart. »Wenn ich sehe, dass es Ärger gibt, verdrücke ich mich.«

Volodi lächelte kühl. »Du solltest besser nur gehen, wenn du dir ganz sicher bist, dass der Ärger, den du mit mir haben wirst, wenn du im letzten Augenblick davonläufst, geringer ist als der, der dich im Haus meiner Geliebten erwartet.«

»Glaubst du, dir mit Gewaltandrohung meine Treue sichern zu können?«

Volodi zuckte mit den Schultern. »Ehrlich gesagt, ist es mir egal. Ich spreche nur aus, was sein wird, wenn du mich hintergehst. Und ich hoffe darauf, dass du klug genug bist, nicht zu glauben, dass du als Mann auf Krücken irgendeinem Ärger davonlaufen könntest.«

Mitja runzelte die Stirn, dann nickte er. »Meine Dienste sind soeben um fünf Silberstücke teurer geworden.«

»Du verdammter Halsabscheider. Du …«

Der Alte hob gebieterisch die Hand. »Deinen Reden entnehme ich, dass die Aussicht besteht, dass ich heute Nacht noch dank durchgeschnittener Kehle den Lasten eines allzu hohen Alters entgehen werde. Ich muss dafür Sorge tragen, dass meine Tochter morgen wenigstens genügend Silber in meiner Truhe findet, um im Geisterwald dafür beten zu lassen, dass meine Seele zurück zu unseren Ahnen findet.«

»Es gibt hier einen Geisterwald?« Volodi war aufrichtig überrascht.

»Jedes der großen Völker hat seine eigenen Tempel und Totenstätten in der Goldenen Stadt.«

Er konnte einem alten Mann nicht verwehren, dass er sich darum sorgte, dass sein Geist zu seinen Ahnen fand. Er öffnete erneut die Geldkatze. »Wenn du morgen wohlbehalten wieder auf diesem jämmerlichen Fell sitzt, bekomme ich mein Silber zurück.«

»Abzüglich der Unkosten für meine Arbeit.« Der Übersetzer nahm das Geld und hinkte in seine Nische zurück. Dort hob er ein Tuch, das über einem Stapel Kissen ausgebreitet lag. Zwischen den Kissen lagerten einige Schriftrollen und ein kleines, bronzebeschlagenes Kästchen. Darin verstaute er das Silber.

»Du lässt dein Geld hier auf dem Platz? Willst du es nicht gleich auf die Straße werfen?«

Mitja klappte die Kiste zu. Sie konnte nicht einmal abgeschlossen werden. »Man merkt, dass du noch neu hier bist. Hier ist mein Vermögen bedeutend sicherer verwahrt als in einem Beutel an meinem Gürtel. Vor einigen Jahren haben alle Übersetzer auf dem Platz der tausend Zungen ihre Arbeit eingestellt, weil wir so häufig bestohlen wurden. Drei Tage später haben die Statthalter der sieben Unsterblichen gemeinsam ein Gesetz erlassen, dass für jeden Diebstahl, der auf diesem Platz begangen wird, hundert Missetäter hingerichtet werden, die in den Kerkern gefangen sitzen. Um zu zeigen, wie ernst es ihnen war, erfolgten noch am selben Tag die ersten hundert Hinrichtungen. Seitdem achten sämtliche Schurken dieser Stadt darauf, dass hier niemand lange Finger macht. Ich könnte das Silber ganz offen sichtbar auf dem Wolfsfell liegen lassen und es würde nicht gestohlen werden.«

»Solche Macht habt ihr Übersetzer?«

Der Alte rieb über einen Fettfleck auf seiner Tunika und lächelte. »Ja, solche Macht haben wir. Ohne uns kommt das Geschäftsleben dieser Stadt zum Erliegen. Hier werden zu viele Sprachen gesprochen. Ohne uns Dolmetscher ist man verloren.« Mitja blickte auf und sah Volodi direkt in die Augen. »Du kannst dir also vorstellen, was jemandem geschieht, der so einfältig ist, einem Übersetzer auch nur ein Haar zu krümmen.«

»Nett, dass du mich aufgeklärt hast. So gesehen ist es ziemlich frech, eine Gefahrenzulage für einen Auftrag zu verlangen«, entgegnete der Krieger ruhig. Er wies zum Südende des Platzes, wo gerade ein hagerer Kaufmann mit zwei Begleiterinnen aus einer grell bemalten Sänfte stieg. Die gelben Wickelröcke der Träger wiesen sie als eine der freien Sänften der Stadt aus, deren Dienste man gegen ein paar Kupferstücke in Anspruch nehmen konnte. »Halte die Sänfte auf. Ich komme gleich nach.«