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Volodi würde die Art, wie die Adeligen Arams dachten, niemals begreifen. Es war in Ordnung, wenn man Kinder zum Arbeiten in Kupferminen schickte oder sein Geld im Sklavenhandel investierte. Aber ein hübsches Bordell – das war undenkbar für sie. Es war heldenhaft, auf dem Schlachtfeld mit Speeren bewaffnete Bauern niederzumachen, die gegen die gut gerüsteten und ein Leben lang im Kampf geübten Adelskrieger hoffnungslos unterlegen waren. Aber hier an der Tür zu stehen und einem besoffenen Mistkerl, der die Mädchen schlug, die Zähne in den Rachen zu schieben, war ehrenrührig. Volodi seufzte. Es musste daran liegen, dass er ein Barbar war, dass er die feinen Unterschiede nicht begriff.

Er blickte zur Tür. Sein Schatten hatte sich noch nicht hereingewagt. Wahrscheinlich wurde das kleine Rattengesicht mit jedem Herzschlag unruhiger. Musste er doch befürchten, dass Volodi durch einen Hinterausgang verschwand.

Der Drusnier lächelte versonnen. Dieser Blasrohrfurzer hatte nicht die mindeste Ahnung, worauf er sich hier eingelassen hatte. Kaum drei Tage nachdem Kolja diesen Laden aufgemacht hatte, hatte er Besuch bekommen und die deutliche Botschaft, dass er hier unerwünscht war. Noch so ein Kerl, der keine Ahnung gehabt hatte.

Eine Hand legte sich auf Volodis Schulter. Er zuckte zusammen und drehte sich um. Hinter ihm ragte Kolja auf. Ein Hüne von einem Mann. Wer es nicht selbst erlebt hatte, würde nicht glauben, dass sich dieser Fleischberg lautlos wie eine Katze bewegen konnte.

»Du hast dich lange nicht blicken lassen, Kamerad.« Ein Unterton in seiner Stimme ließ Volodis Nackenhaare zu Berge stehen. Kolja sah zum Fürchten aus. Fast zwei Schritt groß, mit der Statur eines Bären. Hellblaue Augen blickten unter schweren, fleischigen Lidern hervor. Seine Nase war mehrfach gebrochen und nur noch ein formloser Klumpen; das Gesicht von Narben entstellt. Kolja hatte keine Augenbrauen mehr. Sein linkes Ohr war eine verschrumpelte Kugel, deren Form an die zur Faust geballte Hand eines Neugeborenen erinnerte. Der Drusnier war jahrelang Faustkämpfer gewesen – ein Meister in jenen Kämpfen, in denen sich die Streiter mit Bronze beschlagene Lederriemen um die Fäuste wickelten. Kolja war nicht berühmt für eine besonders ausgefeilte Technik gewesen. Er hatte einfach mehr Treffer einstecken können als jeder andere, wohingegen in der Regel ein einziger Treffer von ihm genügte, um seine Gegner Blut spuckend zu Boden zu schicken.

»Du warst tagelang nicht im Palast, Kamerad.«

Kolja lächelte, was kein erfreulicher Anblick war. »Geschäfte«, raunte er vielsagend. »Juba schnüffelt also herum. Du solltest dich wieder dem Geschäft des Wachpläneaufstellens widmen und diesem hochwohlgeborenen Pisser vorgaukeln, dass die Hälfte von uns krank ist und die anderen deshalb doppelte Wachschichten schieben. Das kann doch nicht schwer sein, oder?«

Volodi ignorierte den drohenden Unterton. »Läuft dein Geschäft schlecht?«

»Nein, verdammt. Es läuft sehr gut. Ich brauche mehr Männer. Wir haben drei andere Läden übernommen.«

»Übernommen?«

»Es hat mit diesem dämlichen Dirnenschinder aus Truria angefangen. Nach dem kleinen Ärger, den wir mit ihm hatten, hielt er es für eine gute Idee, hier mit sieben Schlägern aufzukreuzen und mir zu drohen.« Wieder schenkte Kolja ihm sein unvergessliches Lächeln. »Nachdem wir mit ihm fertig waren, mussten wir den Laden einen Tag lang zumachen und die Wände neu tünchen lassen.«

»Ich hoffe …«

»Es wird keinen Ärger mehr wegen dieses Truriers geben. Er und seine Kumpane sind einfach verschwunden. Ich hab sie Atmos überlassen. Er hat sie in kleine Stücke zerlegt. Sehr kleine … Und diese Stücke hat er an ein paar von diesen Straßenbrätern verkauft.«

Volodi musste an den Fleischspieß denken, den er vor ein paar Stunden gegessen hatte. An die dicke Gewürzkruste, unter der man das Fleisch gar nicht mehr sehen konnte. Er schwor sich, nie wieder etwas an so einem Straßenstand zu essen.

»Danach konnten wir zwei Geschäfte übernehmen, weil die Besitzer eingesehen haben, dass sie kaum etwas wert sind und es klüger ist, die Stadt zu verlassen. Aber jetzt gibt es Gerüchte, dass sich die Luden zusammenrotten und uns demnächst einen Besuch abstatten wollen.«

Volodi sah sich um. »Noch eine Schlägerei? Das wird die Kundschaft nicht begeistern …«

»Nein.« Kolja hob abwehrend seine riesigen, vernarbten Hände. »Du verstehst das Geschäft einfach nicht. Die wollen den Laden übernehmen, nicht ruinieren. Die werden sehr spät in der Nacht kommen. So etwa zu dieser Stunde vielleicht.« Er sah Volodi durchdringend an. »Und dann werden sie uns lang machen und an die Hunde verfüttern. Oder an die Kerle, die sich Fleischspieße bei Straßenbrätern kaufen. Ich brauche mehr Männer, Volodi. Du musst die Wachpläne noch einmal umstellen. Ich hab schon mit den Kameraden gesprochen. Alle sind bereit, doppelte Wachen zu schieben, damit wir hier mehr von unseren Jungs zusammenziehen können. Es wird nur für ein paar Tage sein.«

Volodi fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis die Zuhälter und Schläger der Goldenen Stadt begriffen, dass Kolja anders war. Und dass hinter ihm fast siebenhundert schlachterprobte Söldner standen. Und wie lange würde es dauern, bis Juba durchschaute, in was für Geschäfte der zwielichtigere Teil der Palastwache verwickelt war.

»Besteht eine Aussicht, deine Geschäfte ohne weiteres Blutvergießen zu regeln?«

»Was ist das denn für eine Frage? Glaubst du, ich hab keine Ahnung? Hab ich vielleicht dumme Fragen gestellt, als du mich damals vor diesem verfluchten Pass um einen Gefallen gebeten hast? Wir sind Landsmänner, Volodi. Vergiss das nicht.«

Volodi seufzte. Nein, er würde es sicherlich nicht vergessen. Kolja würde ihn gewiss ein Leben lang daran erinnern, dass er ihm einen Gefallen schuldete. Bevor es über den Pass ging, hatte er Kolja gebeten, als Wortführer der Zweifler aufzutreten. Volodi war bewusst gewesen, dass die Söldner vor dem gefährlichen Saumpfad zurückschrecken würden. Und er hatte Juba nicht zugetraut, sie mit einer flammenden Rede zu überzeugen. Juba war ein guter Kriegsmeister und ein treuer Gefolgsmann, aber ein Redner war er einfach nicht. Hätte jemand gegen Juba gesprochen, der sich darauf verstanden hätte, die Herzen der Männer zu gewinnen, wäre alles in einer Katastrophe geendet. Kolja hatte sich bewusst nicht allzu gut geschlagen und am Ende überzeugen lassen.

»He, Bruder, mach nicht so ein Gesicht.« Kolja schien bemerkt zu haben, dass er es mit dem Einfordern von Gefälligkeiten übertrieb. »Dieser kleine Ludenkrieg wird nicht lange dauern. Wenn die Zuhälter hier erst einmal begriffen haben, dass ein frischer Wind weht und es klüger ist, nicht gegen den Sturm zu steuern, dann ist auch mit dem Blutvergießen Schluss.«

Als Volodi die Idee gehabt hatte ein Freudenhaus aufzumachen, hatte er nicht mit dem Ehrgeiz des Faustkämpfers gerechnet. Aber das hatte wohl niemand. »Wann ist denn für dich Schluss?«

»Willst du den Schwanz einkneifen? Es hört nie auf! Aber zunächst einmal reicht es, wenn wir das Geschäft mit den Mädchen übernehmen.«

»In der ganzen Stadt?«

»Natürlich! Frieden kann es nur geben, wenn jeder Widerstand gebrochen ist. Es ist auch besser für die Mädchen. Wir sind netter zu denen. Ich habe einen eigenen Koch hier. Jede bekommt zu essen, was sie gerne mag. Das macht sonst niemand.«

Volodi blickte zum Brunnen. »Die Mädchen hier sehen müde aus. Ist es nicht besser, wenn du sie ein bisschen mehr schlafen lässt? Dann kommen sie besser an.«

Kolja strich sich nachdenklich über das Kinn. »Aus dir wird man nicht schlau, Kamerad. Sagst du das jetzt, weil du ein romantischer Trottel oder weil du ein eiskalter Lude bist?«

Volodi lächelte mit schmalen Lippen. »Eines Tages wirst du es herausfinden …« Er fragte sich, ob er aus den Verstrickungen mit Kolja und den anderen jemals wieder herausfinden würde. Es war alles so schnell gegangen. Und so anders geworden, als er sich das vorgestellt hatte.