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Zu dritt traten sie in das kleine Haus. Alles war still. Volodi stieg die schmale Treppe hinauf und schob mit klammem Gefühl die Tür zu dem Zimmer auf, in dem er sich mit Quetzalli so leidenschaftlich geliebt hatte. Mitja saß auf dem Lager; der Zapotepriester war verschwunden.

Der Übersetzer regte sich nicht. Er lehnte mit dem Rücken an der Wand, seine Augen waren geschlossen, das Gesicht eine Maske aus geronnenem Blut. Fliegen krochen auf den Wunden, die einmal seine Ohren gewesen waren.

»Das Vöglein ist also ausgeflogen«, stellte Kolja fest.

»Er ist nicht weit.« Mitjas Stimme war leise, brüchig.

Volodi kniete sich neben den Übersetzer. »Was hat er dir angetan? «

»Nachdem du fort warst, nichts mehr. Er hat mir gesagt, dass du nicht wiederkommen würdest. Und er hat mir sein Beileid dafür ausgesprochen, Freunde wie dich zu haben.« Feine Risse bildeten sich in dem geronnenen Blut auf Mitjas Wangen. »Bist du ein Freund?«

Volodi wusste nicht, was er antworten sollte.

»Was faselt der Alte da?« Kolja ging ebenfalls neben dem Lager in die Hocke. »Manche werden verrückt, wenn man sie foltert. Gib nichts auf sein Geschwätz.« Er sah sich um. »Hast du hier deine Tage verbracht, als du verschwunden warst, Kamerad?«

Volodi war es unangenehm, den Faustkämpfer in diesem Zimmer zu haben, in dem er sich seinen Träumen von der großen Liebe hingegeben hatte.

»Er hat mir aufgetragen, dir etwas auszurichten. Er wird die Jaguare und Adler loslassen. Sie werden zurückholen, was du gestohlen hast, Volodi.«

»Gestohlen?«, zischte Kolja. »Ich glaube, mir fehlt ein Stück von der Geschichte. Worum geht es hier eigentlich?«

»Nur ein Steinmesser«, wiegelte Volodi ab.

»Ein Opfermesser der Zapote. Eine Klinge, die Hunderte Leben genommen hat und von unermesslichem Wert für sie ist. Sie werden nicht ruhen, bis sie das Messer zurückhaben.«

»Solche Geschäfte machst du also!« Kolja stand auf. »Mir scheint, du hast nicht daran gedacht, mit den Männern zu teilen, die ihr Blut für dich gegeben haben.«

»Du kannst das Messer gerne haben. Ich werde dir zeigen, wo es ist.«

»Ihr müsst es zurückgeben!«, hauchte Mitja. »Ihr müsst es tun, bevor die Adler und Jaguare kommen!«

»Weißt du, wie man unseren Hauptmann hier bei den Ischkuzaia nennt? Der Mann, der über den Adlern schreitet. Ich glaube nicht, dass er Angst vor Geflügel und ein paar Katzen hat. Ich habe es jedenfalls nicht.« Kolja wandte sich zur Stiege um. »Ich warte unten auf dich, Hauptmann. Und versuch nicht noch mal, mich aufs Kreuz zu legen.«

»Was soll ich mit den Ohren machen?«, fragte Atmos, der die ganze Zeit schweigend an der Tür gestanden hatte.

»Verfüttere sie an den kleinen Kläffer draußen.« Mit diesen Worten stieg Kolja die Treppe hinab.

Volodi nickte Kolja zu, beugte sich zu dem Dolmetscher hinab und berührte ihn sanft an der Schulter. »Kannst du gehen?«

Mitja seufzte. »Eine Sänfte wäre mir lieber. Sei nicht so dumm wie dieser narbige Narr. Die Adler und die Jaguare sind keine Märchengestalten. Es gibt sie wirklich, auch wenn sich viele märchenhafte Geschichten um sie ranken! Es sind die besten Krieger der Zapote. Man sagt, sie haben vom Fleisch der Gefiederten Schlange gegessen. Sie sind eins mit ihren Totemtieren. Schleichen lautlos wie die Jaguare und zerfetzen ihre Feinde mit messerscharfen Krallen. Ja, sie erheben sich sogar in die Lüfte wie Adler.«

»Mit Krallen zerfleischen …« Das mochte Volodi beim besten Willen nicht glauben. Mitja war offensichtlich nicht mehr ganz bei sich.

»Was für eine Art Hauptmann bist du denn? Ein Räuberhauptmann? «, krächzte der Alte.

»Hauptmann in der Leibwache des unsterblichen Aaron, Beherrscher aller Schwarzköpfe. Und das, alter Mann, ist kein Märchen. «

Der Übersetzer sah ihn mit großen Augen an. »Du bist doch Drusnier. Wie kommst du in die Leibwache des unsterblichen Aaron? Sind ihm in seinem eigenen Königreich die Halsabschneider ausgegangen?«

Volodi stand auf. Er würde sich nicht weiter beleidigen lassen.

»Würdest du mich wirklich zurücklassen. Einen alten Mann, der deinetwegen die Ohren verloren hat und übel zusammengeschlagen wurde?«

»Ich hatte den Eindruck, du unterhältst dich lieber mit Priestern, die Menschen opfern, als mit Halsabschneidern.«

»Stell dich nicht so an, Junge! Verdammt. Du und dein Kamerad Kolja, ihr seht nun wirklich nicht gerade aus wie strahlende Helden. Jetzt hilf mir hoch.« Er stemmte sich an der Wand empor, kam aber nicht aus eigener Kraft auf die Beine. »Wenn du ein Hauptmann bist, kannst du mir doch sicher ein Quartier im Palast Arams verschaffen. Und meiner Tochter. Sie ist jung und hat Haar so golden wie Sommerweizen.«

»Was hast du vor, Alter? Sie mit einem von uns Halsabschneidern zu verkuppeln?«

Mitja ließ sich mit einem lauten Seufzer auf das Lager zurücksinken. »Du hast immer noch nicht begriffen, was hier geschieht, nicht wahr? Du glaubst, diese Quetzalli ist in dich verliebt? Einen Dreck ist sie! Du glaubst, du hast ihr Herz erobert? Dich hat sie geangelt. Und das nicht, weil du ein unwiderstehliches Lächeln oder so ein einnehmendes Wesen hast. Es ging ihr allein darum, dass du jung und blond warst.«

»Diesen Unsinn höre ich mir nicht mehr länger an!« Volodi fuhr hoch, doch Mitja schüttelte nur schwach den Kopf. »Bleib! Deinetwegen habe ich keine Ohren mehr. Zuzuhören ist das Mindeste, was du mir schuldest. Und zwar bis ich alles gesagt habe und dann bringst du mich in die Sicherheit des Palastes von Aram! Glaubst du, es ist normal, im Bett miteinander zu landen, ohne dass man ein einziges Wort miteinander reden kann? Was weißt du über sie? Hast du dich nie gefragt, warum sie ein eigenes Haus hat? Oder warum sie ohne Schutz in einer Stadt auskommt, in der sich kein Rock auf der Straße blicken lassen kann, weil die meisten Männer hier auf Nangog von Frauen nur träumen können? Hast du überhaupt einmal über etwas nachgedacht, seit du ihr begegnet bist? Oder hat sich zu viel von deinem Blut an anderer Stelle versammelt, als dass dein Hirn zu gebrauchen wäre?«

Volodi ballte wütend die Fäuste. Jedem anderen hätte er die Zähne eingeschlagen. Aber dem Alten schuldete er etwas. Und einige der Dinge, die er sagte, stimmten. Die Sache mit Quetzalli war wirklich sehr ungewöhnlich gewesen. Nur sollte Mitja besser achtgeben, welchen Ton er anschlug.

»Die Zapote glauben, dass Menschen mit goldenem Haar etwas sehr Besonderes sind – die Lieblinge der Sonne, durchdrungen von ihrer Kraft, lebendiger als andere Menschen. Deshalb schenken sie die Goldhaarigen ihrem sterbenden Gott, der Gefiederten Schlange, damit sie sich von ihrem Blut nährt. Als Lohn schenkt die Gefiederte Schlange den auserwählten Kriegern der Zapote etwas von ihrem Fleisch und erhebt sie damit über alle anderen Menschen. Und jetzt kommen wir zu deinem unschuldigen Mädchen, in das du so sehr verliebt bist. Damit die Götter das Opfer annehmen, müssen die Blonden freiwillig in den Tempel kommen. Werden Sklaven gekauft oder Opfer entführt, haben sie keinen Wert für den Schlangengott. Er will nur die, die aus freien Stücken seinen Tempel betreten. Und jetzt sag mir, dass du deinem Zapote-Mädchen nicht überallhin gefolgt wärest, wenn sie dich darum gebeten hätte.« Die Stimme des Alten war immer leiser geworden. Er war entschlossen, aber er war schwach und hatte viel Blut verloren.

Volodi hatte das Gefühl, dass ihm der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Das konnte nicht stimmen. »Sie hat mich nicht in den Tempel gebracht«, beharrte er. »Sie hat mich sogar gewarnt, als der Priester kam, um mich zu holen.«

»Und du bist sicher, dass das nicht Teil ihres Plans war? Wärest du ihnen nicht gefolgt, wenn du geglaubt hättest, dass sie dein Mädchen verschleppen? Denkst du nicht selbst jetzt noch darüber nach, was du tun kannst, um die Priesterin wiederzusehen? Merkst du nicht, wie das Gift immer weiter wirkt, das sie in deinen Verstand geträufelt hat?«