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Der Priester im Federmantel lächelte. »Folge mir durch dieses Tor und sie selbst wird dir die Antwort geben, Drusnier.«

Volodi zögerte. Er verlor den Boden unter den Füßen. Die Muskeln seines Arms spannten sich. Er wurde schnell hochgezogen. Unter ihm erstreckte sich der Palast der Zapote. Er sah weitläufige Blumengärten, in deren Mitte ein kreisrunder See lag. Wie ein schwarzes Auge sah er aus. Das Wasser musste wohl sehr tief sein. Auf einigen Hausdächern entdeckte er blumengeschmückte Altäre. Regale mit Schädeln gab es nirgends zu sehen. Die Palastanlage wirkte friedlich.

Die Jaguarmänner zogen sich in die Schatten zurück und verschwanden im Dunkel, als habe die Finsternis sie verschlungen. Nur der Priester stand jetzt noch auf dem Platz. Er blickte zu Volodi empor. War ihr Streit beendet? Der Priester war ihm eine Antwort auf diese Frage schuldig geblieben.

Volodis Blick wanderte zurück zu dem Palast voller Blumen. Stand irgendwo dort unten Quetzalli und sah zu, wie er immer weiter in den Himmel hinaufgezogen wurde? War sie erleichtert?

Der Drusnier wurde bei den Armen gepackt und über die Reling gezogen. Juba erwartete ihn mit finsterem Blick. »Was war da unten los?«

»Ist sich Ende von einer Geschichte von Liebe.« Volodi seufzte. Er hasste es, in der Sprache Arams reden zu müssen. Er wusste, er hörte sich dann an wie ein Idiot.

Kein überraschender Besuch

Der Dunkle streckte seinen Drachenleib in der Sonne und blickte zum Himmel. Den Morgen und fast den ganzen vorangegangenen Tag hatte er mit den Gazala verbracht. Jene Prophezeiungen, die er schon so lange fürchtete, begannen sich immer häufiger in ihren Sprechgesängen zu wiederholen. Meist war dies ein Indiz dafür, dass die Ereignisse, von denen die Orakel sprachen, näherrückten. Sehr nahe! Ärgerlicherweise gab es so gut wie nie konkrete Hinweise in den Orakelsprüchen, wann genau Ereignisse eintreten würden. Noch komplizierter wurde es dadurch, dass die Zukunft nicht festgeschrieben war. Es war, als stünde man an einem Baum und blickte zum Geäst hinauf. Die nächsten paar Stunden, das war der Stamm. Und dann begannen sich die Wege zu teilen, abhängig von den Entscheidungen, die man traf.

Die Dinge entwickelten sich schlecht. Er wusste, dass etwas unter seinen Drachenbrüdern vor sich ging. Sie sponnen Intrigen – so wie sie es stets taten. Er war des endlosen Geredes müde, dessen Resultat meist nur halbgare Kompromisse statt klare Entscheidungen waren. Der Dunkle war sich sicher, dass die Alben dieses Ränkespinnen vorausgesehen hatten, und sie, die Drachen, genau deshalb ihre Entscheidungen gemeinsam treffen sollten. So mochte man verhindern, dass einer von ihnen sich zum Tyrannen aufschwang. Doch der Preis, so zu herrschen, war Mittelmaß.

Das Bild der Zukunft, das die Orakelstimmen immer deutlicher zeichneten, verlangte nach Entscheidungen, auf die er sich mit seinen Drachenbrüdern niemals würde einigen können. Und noch weniger mit den Alben. Die Devanthar würden nach Albenmark kommen! Er wusste nicht, wo und wann. Er wusste nicht, was sie im Schilde führten. Aber sie würden kommen. Damit würde der alte Vertrag zwischen den Alben und den Devanthar ein weiteres Mal gebrochen! Weder Alben noch Devanthar sollten auf Nangog sein. Und auch nicht ihre Kinder! Und am allerwenigsten sollten sich die Devanthar selbst hierherwagen. Er musste diese Entwicklung aufhalten oder es würde zu jenem Krieg kommen, von dem die Gazala so Grauenhaftes zu berichten wussten.

Der Dunkle hatte viel über die Reise nachgedacht, die er mit Nandalee unternommen hatte. Hatte sich endlos den Kopf zerbrochen, um in das Wenige, das er wusste, einen Sinn zu bringen. War ein Devanthar nach Albenmark gekommen und hatte Alben gemordet? War es überhaupt möglich, dass so etwas ohne das Wissen der Alben geschah? Warum sonst hatten sie nichts dagegen unternommen? War ihre Agonie schon so weit fortgeschritten, dass sie nicht mehr gegen den eigenen Untergang ankämpften? Oder vertrauten sie den Himmelsschlangen blind, dass diese jedes Unheil abwenden würden?

Ein Krieg stand bevor! Ein Krieg, der auf drei Welten ausgetragen werden würde, wenn niemand den Mut fand, zur rechten Zeit einsame Entscheidungen zu treffen.

Wieder blickte der Dunkle zum Himmel hinauf. Sie waren in einer verzweifelten Lage. Es wäre ehrenhaft, wenn sie sich an die alten Verträge halten würden. Aber derjenige, der bei dem Konflikt, der kommen würde, zuerst losschlug, hatte die besten Aussichten zu gewinnen. Nein, es war keine Schlacht, an deren Ende es einen strahlenden Sieger geben würde …

Mit Schrecken dachte er an die Prophezeiungen dieses Morgens. Alle Welten würden sich verändern. Und wer diesen Kampf verlor, würde nie wieder sein Haupt erheben. Der würde vernichtet werden.

Der Dunkle wusste, welchen Preis er zu zahlen hätte, wenn seine Pläne vor der Zeit bekannt wurden. Und dennoch war er entschlossen.

Ein lauter Fluch riss ihn aus seinen Gedanken. Er blickte hinab auf den breiten Weg, der zum Eingang der Pyramide führte. Jenen Ort, der nun schon seit Tagen Schauplatz der Fechtlektionen war, die Nodon Nandalee gab.

Die junge Elfe hatte ihr Schwert fallen lassen. Die Linke presste sie gegen ihren rechten Oberarm. Blut sickerte durch ihre Finger. Nodon übertrieb! Es war absolut nicht notwendig, dass er sie immer wieder verletzte! Er hatte den Schwertmeister vor den kaum beherrschten magischen Talenten seiner Schülerin gewarnt. Ihm sehr anschaulich beschrieben, was mit ihm geschehen mochte, wenn er sie zu sehr reizte. Doch das schien ihn nur umso mehr angestachelt zu haben. Auf seine Art war Nodon genauso unbeherrscht wie Nandalee. Deshalb duldeten die Meister der Weißen Halle ihn auch nicht unter sich, obwohl er vielleicht der beste Schwertkämpfer unter den Drachenelfen war.

Weit über ihm erklangen Rufe. Der Dunkle blickte auf. Ein nachtschwarzer Pegasus glitt über den Jadegarten hinweg, legte die Flügel an und schoss in tollkühnem Sturzflug der Pyramide entgegen, dicht gefolgt von drei weiteren Pegasi. Sie hatten ihn also entdeckt, aber nicht aufhalten können, dachte der Dunkle und Ärger wallte in ihm auf. Er hatte gewusst, dass seine Liebe den Elfen hierherbringen würde. Er hatte ihn in seine Pläne einbezogen und doch erzürnte ihn sein Erscheinen, machte ihn auf unerklärliche Weise gereizt, und er musste gegen den Impuls ankämpfen, einen gleißenden Flammenstrahl gen Himmel zu fauchen.

Sollte er seinen Wachen befehlen, in Zukunft Bogen zu benutzen? Dass sie Gonvalon nicht hatten aufhalten können, ärgerte ihn genauso wie das überraschende Auftauchen des Elfen. Eines Tages würde einer wie er kommen … Nein, schlimmer noch, jemand, der sein volles Vertrauen genoss. Und dies würde der Tag sein, an dem er starb. Er hatte es in der Silberschale des Goldenen gesehen und auch die Gazala hatten es ihm schon seit Langem prophezeit.

Mit funkensprühenden Hufen landete der Pegasus auf dem Weg vor der Pyramide. Gonvalon stieg schwerfällig vom Rücken seines Hengstes – und strauchelte! Nur unbeholfen kam er auf die Beine. Nodon eilte dem Meister aus der Weißen Halle mit gezogenem Schwert entgegen. Die drei anderen Pegasi schwebten nieder. Zwei der Reiter sprangen aus ihren Sätteln, kaum dass die Hufe ihrer Reittiere den Boden berührten. Die Drachenelfen kreisten Gonvalon ein, noch ehe dieser sich ihm auf hundert Schritte nähern konnte.

Nandalee hatte einen Augenblick lang erstarrt zugesehen. Dann eilte auch sie dem Schwertmeister entgegen. Der Dunkle bemerkte, dass der Arm der Elfe nicht mehr blutete. Auch das vermochte sie also, wenngleich sie es vermutlich unbewusst getan hatte. Wunden zu schließen, ohne dass eine Narbe zurückblieb, erforderte einige Kunstfertigkeit. Nur wenige Zauberweber meisterten dies. Wenn sie aufgefordert würde, es zu wiederholen, würde es ihr vermutlich nicht gelingen. Der Dunkle überlegte, was er noch zu tun vermochte, um ihr ihre Möglichkeiten zu erschließen. Vermutlich war Geduld der einzige Schlüssel zum Erfolg.

Er glitt von seinem Ruheplatz an der der Sonne zugewandten Flanke der Pyramide. Seine Schuppen schabten über Fels. Immer enger schloss sich der Kreis der Drachenelfen um Gonvalon. Nandalee war zu ihm durchgebrochen und stand nun mit blankem Schwert an der Seite ihres Meisters.