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Er küsste sie. Diesmal mit all der Leidenschaft, die er ihr in den heimlichen Nächten in ihrem Waldversteck geschenkt hatte. Es tat so gut, ihn zu berühren. Seine schlanken Hände auf ihrem Leib zu spüren.

Er packte sie, zog sie an sich und küsste sie mit wilder Kraft. Nichts hatte sich geändert! Es war wie ein Rausch. Sie liebten einander ungestüm. Ausgehungert. Sie versuchte das Ende hinauszuzögern. Wollte nicht, dass es nach all den Monden so schnell vorbei war. Und doch war sie machtlos. Mit einem wilden Schrei sank sie auf seine Brust. Von einem Herzschlag zum anderen fühlte sie sich zu Tode erschöpft.

Gonvalon hielt sie fest in den Armen. Es war ein gutes Gefühl. So als wolle er sie nie wieder gehen lassen.

»Glaubst du, dass man das Glück festhalten kann?«, fragte sie leise.

»Nein.« Er sagte das auf jene melancholische Art, die ihr bei ihm so vertraut geworden war. Wenn man ihn so hörte, hätte man meinen mögen, er würde um sein Glück nicht kämpfen wollen. Und doch war er es gewesen, der jeden Preis zu zahlen bereit gewesen war, um zu ihr zu finden, und sie diejenige, die sich zuletzt in ihr Schicksal der Trennung gefügt hatte.

»Ich bin glücklich, jetzt in diesem Augenblick.«

Er küsste sie zärtlich. »Danke.«

»Danke wofür?«

»Dass du ganz und gar im Hier und Jetzt bist.« Seine Augen strahlten. »Meistens ist der glückliche Augenblick bereits vorüber, wenn man sich seines Glückes bewusst wird. Als würde das Glücklichsein jeden anderen Gedanken auslöschen. Jede Reflexion über das, was gerade geschieht, jedes …«

Sie seufzte leise. Er musste sich ihr nicht mit klugen Reden beweisen. Er hatte sie doch längst gewonnen. Und sie, sie wollte einfach nur in seinen Armen liegen, sich warm und geborgen fühlen. Ihn stumm genießen. Nandalee küsste ihn, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Refleksion? Lass uns das später tun und jetzt einfach nur glücklich sein.«

Eine neue Welt

Nandalee tat einen tiefen Atemzug. Hinter ihnen verblasste das bläuliche Licht der magischen Pforte. Die Welt roch fremd. Ein Schauer überlief die Elfe. Ein angenehmes Gefühl der Anspannung ergriff sie. Es war wie auf der Jagd, wenn man ahnte, dass man nicht als Einziger der Beute nachstellte, sondern ein Rudel Wölfe im kalten Nebel lauerte.

Sie standen an einem felsigen Hang. Eine einzelne, unbehauene Felsnadel ragte neben ihnen auf. Fünf oder sechs Schritt hoch. Sie markierte den Albenstern. Dabei schien der Fels natürlichen Ursprungs zu sein. Er erhob sich aus dem von Wind und Regen glatt geschliffenen Gestein. Ein Dorn, aus den Gebeinen der Erde gewachsen.

»Lass uns gehen. Man könnte den Lichtschein des Albensterns gesehen haben«, sagte Gonvalon. Seine Stimme war ruhig, gelassen. Beeindruckte ihn diese Welt denn gar nicht? Eine Welt, die noch nie ein Elf betreten hatte?

Natürlich hatte Gonvalon recht, aber manchmal störte sie seine trockene, sachliche Art. Wie anders er sein konnte, wenn sie allein miteinander waren! Er trug zwei Gesichter. Statt zu grübeln, sollte sie das, was er gesagt hatte, einfach so nehmen, wie es war. Schlicht vernünftig. Und etwas zu trocken.

Sie standen auf einem Osthang. Der letzte Abglanz der untergehenden Sonne ließ die Felsen rötlich erglühen. Über das tiefer gelegene Waldland kroch bereits der Schatten der Nacht. Der Hang war kahl, Felsen und einzelne Baumstümpfe boten nur spärliche Deckung. Sollte jemand das Licht bemerkt haben und nun den Hang beobachten, mochte er sie entdecken.

Gonvalon ging einfach los, warf keinen Blick zurück und schwieg. Er stieg zu einer Senke hinab, die in südlicher Richtung verlief.

Nandalee folgte ihm. Kurz war sie in mürrischer Stimmung. Warum war er so verändert? Er hatte nicht hierherkommen wollen. Und schon gar nicht mit ihr und Bidayn! Hatte der Befehl des Erstgeschlüpften alle Leidenschaft von gestern Nacht erstickt? War sie zu empfindlich? Schuldbewusst blickte sie zu Bidayn. Sie hatte zu ihrer Freundin auch noch kein Wort gesagt. »Du warst gut«, murmelte sie ein wenig verlegen.

Bidayn lächelte sie an. »Er hat mir meine Angst genommen«, sagte sie voller Begeisterung. »Ich hatte immer Angst, einen Albenstern zu öffnen, weil ich wusste, was alles geschehen kann. Angst verdirbt das Muster des Zauberwebers. Wir sind in einer anderen Welt. In Nangog, wo noch nie vor uns ein Elf gewesen ist. Ich bin noch nicht einmal eine Drachenelfe und der Dunkle schickt mich auf eine der wichtigsten Missionen, zu denen je Elfen auserwählt wurden.« Sie strahlte über das ganze Gesicht. »Ich bin begeistert!« Mit weiten Augen sah sie sich um. Sie schien wirklich völlig unbeschwert. Und Nandalees Ärger verflog. Endlich war sie dem Jadegarten entflohen. All den Regeln, den endlosen Übungsstunden mit Nodon. Sie war frei! Für ein paar Wochen zumindest. Endlich wieder in der Wildnis! Bidayn hatte recht. Sie waren für ein wunderbares Abenteuer auserwählt worden. Und Gonvalon würde auch schon wieder werden. Vielleicht, wenn er darüber hinweg war, dass er den Goldenen betrog, indem er einem anderen Drachen diente.

Schweigend folgten die drei einem trockengefallenen Bachbett, das sich tief in den weichen Fels gegraben hatte. Treibholz, bleich wie Knochen, hing im Geäst der Büsche, die aus Felsspalten wucherten. Es roch nach Beeren und Spätsommer. Vom Bach war nur ein wenig Feuchtigkeit geblieben. Genug, um hier und dort ein paar Moospolster auf dem Fels wuchern zu lassen. Letzte Schwalben zogen über ihnen ihre weiten Schleifen durch den Abendhimmel. An höher gelegenen Stellen, die das Wasser auch nach einem Sturzregen nicht mehr erreichen konnte, klammerten sich graue Lehmnester an den Fels des Steilufers.

Nandalee beobachtete Gonvalon. Er ging ein paar Schritt voraus und obwohl er nicht in der Wildnis aufgewachsen war, bewegte er sich geschickt. Seine weichen Stiefel verursachten kaum ein Geräusch auf dem losen Gestein des Bachbetts. Ganz anders Bidayn. Eine trächtige Mammutkuh wäre ihnen vermutlich lautloser gefolgt, dachte Nandalee.

Die Jägerin rückte den Schultergurt ihres Schwertes zurecht. Die riesige Waffe lag schwer auf ihrem Rücken. Nodon hatte Todbringer neben Pfeil und Bogen auf ihren ausdrücklichen Wunsch aus der Weißen Halle mitgebracht. Was diesen Zweihänder anging – und nur darin –, waren sich Gonvalon und Nodon einig. Sie hielten es für völlig verrückt, diese verfluchte Waffe mitzunehmen. Nandalee lächelte in sich hinein. Sie hoffte, dass sich auf dieser Mission erweisen würde, wie nutzlos sie als Schwertkämpferin war. Deshalb hatte sie Nodon aufgetragen, für sie das größte und sperrigste Schwert aus der Weißen Halle mitzubringen. Todbringer! Wenn sie als Schwertkämpferin versagte, würden die Meister der Weißen Halle – wenn sie in einigen Monden dorthin zurückkehrte – sie vielleicht in Zukunft mit Pfeil und Bogen losziehen lassen.

Trotz seiner Verbrennungen hatte sie gesehen, wie Gonvalon bleich geworden war, als Nodon ihr diese Waffe brachte. Er hatte nicht darüber reden wollen. Wahrscheinlich ging es um Talinwyn, seine letzte Schülerin. Ihr Name hatte als letzter auf dem Messingschild unter dem Schwert gestanden. Ob Gonvalon es für ein schlechtes Omen hielt, dass nun sie Todbringer trug? Vielleicht war er deshalb so stumm und zurückweisend geworden. Sie musste lächeln. Er machte sich Sorgen um sie!

Gonvalon winkte sie zu sich heran. Dort, wo er stand, war das Steilufer des Baches eingebrochen, und es bot sich ihnen ein atemberaubender Blick. Vor ihnen öffnete sich ein enges Tal, durch das sich ein breiter Strom wand. Ringsherum stiegen dichte Nadelwälder an Bergflanken empor. Eine Rotte Bachen mit Frischlingen war am Ufer zu sehen. Nandalee überlegte, wie lange sie kein Wildschwein mehr gegessen hatte. Sie würden hier keinen Hunger leiden, dachte sie, und von den angeblichen Gefahren, vor denen der Dunkle sie gewarnt hatte, vermochte sie bislang nichts zu entdecken.

Die drei folgten weiter dem trockenen Bachlauf. Lange war das Abendrot verblasst und sie bewegten sich inmitten von Schatten. Das Licht der Sterne und der beiden schmalen Mondsicheln reichte kaum, um den Weg der Dunkelheit zu entreißen. Nandalee war angespannt. Etwas hatte sich verändert. Sie fühlte sich beobachtet. Aber da war noch etwas … Etwas fehlte. Aufmerksam spähte sie zu den Felskanten hinauf und lauschte angespannt. Gonvalon war langsamer geworden und bewegte sich vorsichtiger. Nandalee schloss dichter zu ihm auf. Er war stehen geblieben und deutete auf den Flusslauf. Nicht weit vom Ufer konnte man zwischen den Bäumen einige Lagerfeuer sehen.