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Zu nahe hatte er sich nicht an sie herangewagt, aus Angst, dass sie seine Anwesenheit spüren könnten. Alle drei waren mit Drachenschwertern bewaffnet. Diese Waffen konnten ihn verletzen, vielleicht sogar töten. Wenn er sie überwältigen wollte, musste er vorsichtig taktieren. Mithilfe von Magie hätte er sie wahrscheinlich leicht besiegen können, aber wenn er nur einen kleinen Fehler machte, war es vorbei. Dann würde er nicht herausbekommen, warum sie gekommen waren. Missmutig stocherte der Ebermann mit einem Fingernagel zwischen seinen fauligen Menschenzähnen, um ein Stück Trockenfleisch herauszuzupfen, das sich in sein Zahnfleisch gebohrt hatte. Diese Drachenelfen waren von ihren Herren darauf vorbereitet worden, den Devanthar in die Hände zu fallen. Man konnte ihnen nicht einfach ihre Gedanken stehlen – nicht einmal unter Folter redeten sie. Meistens begingen sie Selbstmord, bevor man ihrer habhaft werden konnte. Eine ärgerliche Brut war das! Aber wenn er sie von ferne beobachtete, würde ihm gewiss nicht lange verborgen bleiben, was das Ziel ihres Besuchs auf Nangog war.

Die Segel des Wolkenschiffs begannen im Wind zu schlagen, der massige Rumpf neigte sich ein wenig zur Seite und Tentakel glitten dicht an der Reling vorbei, als der Wolkensammler seinen Griff änderte. Irgendwo über ihm erklang ein zischendes Geräusch. Das Tier reagierte auf die veränderte Flughöhe. Schleim troff von seinem wulstigen Leib. Der Devanthar konnte spüren, dass der Wolkensammler erschrocken und aufgeregt war. Der Pulsschlag der sieben großen Herzen beschleunigte sich. Doch all dies interessierte den Devanthar nicht. Er hielt den Blick auf das dritte Wolkenschiff geheftet und je länger er es beobachtete, desto unruhiger wurde er. Es fiel weiter zurück und war schon zu weit entfernt, um noch irgendetwas an Deck erkennen zu können. Der Devanthar erwog, einen Zauber zu weben, verwarf den Gedanken aber wieder. Sollte einer der Elfen sein Verborgenes Auge geöffnet haben, würden sie bemerken, was er tat. Gewiss waren sie sehr vorsichtig. Was sie hier nur wollten? Soweit er wusste, waren seit dem Mordanschlag auf den unsterblichen Aaron keine Albenkinder mehr nach Nangog gekommen. Aber vielleicht war es ihnen nur entgangen. Vielleicht …

»Tut mir leid, Kleiner! Für das, was jetzt kommt, brauchen wir keine Zeugen.« Und mit diesen Worten packte der Glatzkopf ihn und warf ihn über Bord!

Das Ganze kam so überraschend, dass der Devanthar schon dem Wald entgegenstürzte, bevor er noch recht begriffen hatte, wie ihm geschah.

Ein Held, aus Flammen geboren

Hornbori hörte ein leises metallisches Singen. Die Arme des Geschützes mussten vorgeschnellt sein. Überall rings um ihn war Feuer. Der Windwurf brannte lichterloh. Er packte Galar, der leise vor sich hin fluchte.

»Wir müssen hier raus. Los, schnell!«

»Was ist mit Nyr?«

Hornbori blickte auf. Ihr Gefährte lag zusammengesunken auf seinem Geschütz. Rauch stieg aus seinen Kleidern auf.

»Nyr?«

Er regte sich nicht. Hornbori zog ihn zu sich heran. Gesicht und Hände des Geschützmeisters waren grausam verbrannt. Aber er atmete noch. Ein Lächeln spielte um seine aufgeplatzten Lippen. »Getroffen«, hauchte er. »Hab ihn … getroffen.«

»Trag ihn!«, rief Galar über das Fauchen der Flammen hinweg.

Voller Panik sah Hornbori sich um. Überall brannte das trockene Holz des Windwurfs. Selbst der Boden schwelte. Aus dem dicken Polster von Fichtennadeln stieg dichter weißer Rauch auf.

Galar wartete nicht ab, ob er ihm folgte. Der Schmied bückte sich unter einem Stamm hindurch und kroch davon. Er ließ ihn zurück! Einen Augenblick lang war Hornbori versucht, Nyr liegen zu lassen und sich auf eigene Faust einen Weg aus dem Flammenmeer zu suchen. Aber wenn Galar überlebte und begriff, dass er Nyr zurückgelassen hatte, würde dieser Irre ihn umbringen.

Er packte den Geschützmeister bei den Armen – die bis auf das nackte Fleisch verbrannten Hände wagte er nicht zu berühren – und zerrte ihn über den Boden. Mit einem scharfen Knall zerbarst ein brennender Baumstamm. Ein Funkenregen prasselte auf Hornbori hinab. Sein Bart! Hektisch schlug er auf einen Schwelbrand in seinem Haar. Er würde wie eine Jammergestalt aussehen, wenn er hier herauskam. Falls er herauskam.

Vor ihm erschien Galar im dichten Rauch. »Hier!«, stieß er hustend hervor. »Hier kommen wir heraus.« Der Schmied half ihm, den nunmehr bewusstlosen Nyr unter einem gestürzten Baum hindurchzuziehen.

Zweifelnd sah Hornbori sich um. Überall waren Flammen und Rauch. Der Schmied hatte sie in eine Sackgasse geführt! Es gab kein Entkommen. Sie würden hier verrecken. Die Erkenntnis, hier zu sterben, überkam Hornbori mit solch niederschmetternder Macht, dass er aufhörte, die Schwelbrände in seinem Bart auszuklopfen. Er würde sterben. Und er hatte seinen geflügelten Helm neben dem Geschütz liegen gelassen. Die Schwingen seines Ruhmes würden zu formlosen Goldklumpen zerschmelzen.

»Da geht es hinaus!« Hornbori deutete auf einen Baumstamm, der mitsamt seinen Wurzeln vom Sturm aus dem Erdreich gerissen worden war. Nahe beim Wurzelstock war ein knapp einen halben Schritt hoher Durchgang – doch diesen versperrte ein schlanker Fichtenstamm, der in Flammen stand.

»Da kommen wir niemals durch. Es ist aus«, schluchzte Hornbori.

»Reiß dich zusammen«, fuhr Galar ihn an. »Ich übernehme da kommen wir niemals hindurch und du trägst Nyr. Und du machst hurtig, verstanden.«

Galar ging auf den brennenden Stamm zu, als würde die Hitze ihm nichts anhaben können. Er war ja auch ein Schmied, dachte Hornbori. Er hatte sein ganzes Leben vor offenen Feuern verbracht. Galar warf sich auf den Boden und kroch unter den brennenden Fichtenstamm. Dort stemmte er sich langsam hoch. Sein Rücken drückte gegen den brennenden Stamm. Er ging in die Knie, drückte die Beine durch. Der Stamm hob sich um einige Handbreit. Funken prasselten herab. Galars Haar stand in Flammen.

»Gaff nicht, mach hin!« Blut quoll ihm über die Lippen.

Hornbori zerrte Nyr zu dem Durchlass. Die Hitze der Flammen versengte seine Augenbrauen und die letzten Reste seines ramponierten Bartes. Auf allen vieren kroch er unter dem Stamm hindurch und zerrte dann den Geschützmeister durch die Lücke in der Flammenwand.

Kaum waren sie hindurch, stieß Galar einen animalischen Schrei aus, brach unter dem Stamm zusammen und regte sich nicht mehr.

Hornbori kroch zurück. Er mochte den Schmied nicht sonderlich, aber er würde keinem Drachen den Triumph lassen, einen Zwerg gemordet zu haben. Außerdem brauchte er den Schmied noch!

Die Hitze beim Stamm war so groß, dass Hornbori nicht mehr zu atmen vermochte, ohne sich die Lungen zu verbrennen. Er zog Galar unter dem Stamm hervor. Dort, wo sein Gefährte von dem Baumsplitter getroffen worden war, sickerte Blut aus seinem abgewetzten Wams.

Immer abwechselnd trug er Nyr und Galar. Hinter dem Windwurf wucherte dichter Farn. Hier gab es kein trockenes Holz, das dem Feuer Nahrung lieferte – es sei denn, es griff auf die hohen, rotbraunen Fichtenstämme über. Funkenflug und Rauch begleiteten Hornbori. Sein Körper war eine einzige Wunde. Zumindest fühlte es sich so an. Seine Haut war gerötet, an manchen Stellen aufgeplatzt; die Kleider versengt und mit Ruß beschmiert. Einzig die Hand, mit der er in den Brei aus Drachenblut und Koboldkäse gegriffen hatte, war völlig unversehrt.

Galar und Nyr hatten all ihre Haare verloren. Ihre Köpfe glänzten rot und schwarz von Blut und Asche. Hornbori wagte es nicht, nach seinem Kopf zu tasten. Er ahnte, dass er nicht besser aussehen würde.

Sie mussten fort von den Bäumen, entschied er. Auf den Hang, an dem der Fressplatz des Drachen lag. Er ließ Nyr und Galar zwischen den hohen Farnwedeln verborgen zurück und pirschte bis zum Rand des Waldes. Der Drache lag keine zwanzig Schritt vor der Stellung ihrer Speerschleuder. Ein Bolzen war ihm durch das offene Maul gedrungen und dicht unter seinem Kopf wieder ausgetreten. Der Drache lebte noch. Mit seinen lächerlich kleinen Vorderbeinen versuchte er, den Bolzen aus seinem Schlund zu ziehen. Seine Bewegungen waren kraftlos und fahrig. Er war keine große Gefahr mehr und würde es nicht mehr lange machen, entschied Hornbori. Jetzt galt es, seine Kameraden zu retten. Ohne noch weiter auf seine Deckung zu achten, ging er in den Wald zurück, holte erst Nyr und dann Galar und bettete sie auf die Lichtung.