Выбрать главу

Gonvalon folgte Nandalee mit geschlossenen Augen. Jetzt spürte er gar keine Wurzeln mehr unter den Sohlen, obwohl die Bäume hier am Hang dicht an dicht gestanden hatten. Ringsherum hörte er das Holz knistern und knacken. Das war die Kälte, sagte er sich. Nur die Kälte …

Er trat auf Felsboden. Das Licht war so intensiv, dass er es auf seinem Gesicht fühlen konnte. Etwas glitt nahe an ihm vorbei. Er musste an die unheimlichen Grünen Geister denken.

»Du kannst die Augen wieder öffnen.«

Gonvalon tat wie ihm geheißen und fand sich in einer Höhle, wie er noch keine gesehen hatte. Die Wände waren ganz und gar mit grünen Kristallen bedeckt. In Form achteckiger Stäbe wuchsen sie aus dem Fels, manche dicker als sein Oberschenkel, andere nicht einmal so groß wie ein Finger. So dicht wucherten sie, dass an Wänden und Boden kein Stück Gestein mehr zu entdecken war, und sie alle glommen in unstet pulsierendem Licht. In der Mitte der Höhle wuchs eine riesige Kristallsäule aus dem Boden. Sie ragte schräg empor, so massig, dass er und Nandalee sie mit ausgestreckten Armen nicht hätten umfassen können.

Die Jägerin bettete Bidayn vor der Säule auf den Boden, nahm die Arme ihrer Freundin und streckte diese am Kopf vorbei, sodass Bidayns Hände den Kristall berührten. Dann blickte sie zu Gonvalon auf. »Leg dich hin wie sie.«

»Warum? Was wird hier mit uns geschehen?«

»Tu es einfach. Bitte. Jetzt ist nicht die Zeit für kleinliches Misstrauen. Er ist schon sehr nahe. Er darf euch nicht finden! Wir müssen uns beeilen. Ich gebe nun den Leib deiner Geliebten auf. Bitte vertrau mir. Ich weiß, dass ihr hierhergekommen seid, um diese Welt zu erfahren. Du wirst alles sehen können. Mehr, als du in Jahrzehnten des Reisens hättest entdecken können. Du musst mir vertrauen. Ich will dir nichts Böses. Im Gegenteil! Ihr seid unsere Hoffnung.«

Gonvalon vertraute dem Licht nicht. Es war zu fremd. Unmöglich einzuschätzen, ob es ihn belog oder die Wahrheit sagte.

Plötzlich verdrehte Nandalee die Augen, bis fast nur noch das Weiße zu sehen war. Grünes Licht von beängstigend dichter Konsistenz quoll aus ihrem Mund!

Die Jägerin schwankte, dann starrte sie ihn an. Wie irre. Ihre Augen huschten rastlos. Schrecken spiegelte sich in ihrem Gesicht. »Wo bin ich?«

Er nahm sie mit beiden Händen. Irgendwo draußen erklang der Schrei, den er im Wald schon einmal gehört hatte. Nur näher jetzt. Vielleicht gab es gar keine Gefahr? Vielleicht war es eine Täuschung durch die Grünen Geister, um sie unter Druck zu setzen und zu einer falschen Entscheidung zu verleiten? Aber als er Nandalee hielt und sie zurückbekommen hatte, entschied der Fechtmeister, den Geistern Nangogs zu glauben.

»Wir müssen uns zu dem Kristall legen. Ganz so, wie Bidayn dort liegt. Später werde ich dir alles erklären. Vertrau mir.«

Nandalee wirkte immer noch verstört, doch dann lächelte sie ihn scheu an. »Ist er weg? Heraus aus mir?«

Gonvalon nickte. »Komm, lass es uns versuchen …«

Die Jägerin blickte zu ihrer Freundin. »Was ist mit ihr?«

»Später.« Gonvalon kniete nieder und sie tat es ihm gleich. Seine Angst überspielte er mit einem Lächeln. Sie würden den Grünen Geistern nicht entkommen können. Es blieb ihnen kein anderer Weg, als zu vertrauen.

Das Licht in den Kristallen an den Wänden wurde blasser. Gonvalon legte sich hin und spürte, wie seine Handflächen nass vor Schweiß wurden. Auf der Kristallsäule erschienen kreisrunde Lichtflecken, wanderten unruhig über die Oberfläche und dann entwuchsen ihnen tanzende Lichtbogen. Wie Schlangen wanden sie sich und unterschieden sich gänzlich vom Sonnenlicht, das pfeilgerade vom Himmel stieß. Ein leises Summen begleitete die Erscheinung, und die Kristallhöhle füllte sich mit einem Geruch, als sei ganz in der Nähe ein Blitz eingeschlagen.

Seine Lider wurden ihm schwer. Er presste die Hände gegen den Kristall. Gleißend grünes Licht durchdrang ihn. Zerschmolz ihn. Verwandelte ihn selbst in grünes Licht. Und dann stürzte er, gebettet in einen Lichtstrahl, durch eine weite Finsternis.

Wolkentod

Sie folgten ihm. Wenigstens ein Teil von ihnen. Zweiunddreißig der Ischkuzai vertrauten sich ihm an. Vor allem aber Shaya. Er sah ihr ihre Angst und ihr Misstrauen an. Sie hatten die kleinen Wolkenfänger im Frachtraum bereitgemacht. Drei würden ohne einen Reiter in den Himmel stürzen. Die Tiere waren ebenso unruhig wie sie. Ob Wolkensammler die Gefühle von Menschen spüren konnten?

»Bist du wirklich sicher, dass du das Richtige tust?«, flüsterte Shaya.

»Ich bin sicher, dass wir sterben werden, wenn wir auf dem Schiff bleiben«, antwortete er. Er wich ihr aus, und sie wusste es.

»Unsere Wolkensammler sind zu klein, um zwei Männer zu tragen.« Sie blickte durch das offene Frachtluk zu dem Schiff, das vor ihnen am Himmel trieb. Im klaren Mondlicht war es deutlich zu sehen und schien zum Greifen nahe.

»Ich kann meine Männer nicht im Stich lassen. Wir müssen es versuchen. Wir werden die Gewichte ausgleichen. Die Rüstungen müssen zurückbleiben. Wir hängen immer einen großen und einen kleinen Mann in ein Tragegeschirr.«

Sie schüttelte den Kopf, dann grinste sie verschlagen. »Komm bloß nicht auf die Idee, Kolja an mich zu hängen!«

Er lachte leise. »Ganz sicher nicht.«

»Was werden wir tun, wenn es dort oben mehr Männer als Plätze in den Tragegurten gibt?«

Er hatte das bereits bedacht, aber darüber wollte er nicht reden. Nicht jetzt und nicht mit ihr. Er wusste, dass sie seine Lösung nicht mögen würde. »Sie haben genauso hart gekämpft wie ihr. Ich fürchte, dass es nicht viele Überlebende gibt.« Er trat an die Schwelle der Frachtluke. Eisiger Wind zupfte an seinen Kleidern und linderte die stechenden Schmerzen in seinem Kopf ein wenig. Sie alle waren mit einer langen Leine miteinander verbunden. Nur der Letzte, der abspringen würde, hatte eine Sicherungsleine zum Schiff. Artax wusste, dass die meisten der Ischkuzaia Angst vor diesem Sprung hatten. Er sollte nicht länger zögern. Sie taten das Richtige!

Er tat den letzten Schritt und vertraute sein Leben dem Himmel an. Es gab einen Ruck im Gurtzeug. Die Tentakel des Wolkenfängers bewegten sich unter seinen Achseln. Er hasste es, die schleimbedeckten Fangarme zu spüren und sich diesen Kreaturen anzuvertrauen. Vor allem nach dem völlig überraschenden Angriff der Wolkensammler. Aber sie hatten keine Wahl.

Einer nach dem anderen sprangen die Ischkuzaia in den Himmel. Die Führungsleine hielt sie zusammen. Wie eine Perlschnur aus Wolkensammlern stiegen sie in den Himmel hinauf, seinem Schiff entgegen.

Artax hechelte wie ein Hund. Egal wie viel er atmete, er hatte ständig das Gefühl, dass ihm die Luft ausging. Er blickte hinab. Fünf Schritt hinter ihm, als nächste an der Leine, hing Shaya. Sie fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, ihr Antlitz eine Grimasse des Schmerzes. Diese verfluchten Kopfschmerzen! Waren sie denn alle krank geworden? Er konnte sich nicht erklären, woher die Schmerzen kamen. Es musste irgendeine Art Seuche sein. Hatten die Piraten sie mit irgendetwas krank gemacht?

»Heho!«

Artax entdeckte eine Gestalt an der äußersten Mastspitze seines Schiffes. Ein stämmiger Kerl ohne Haare. Kolja! Der hünenhafte Drusnier ließ ein Seil kreisen und beobachtete ihren Aufstieg. Eine sanfte Brise trieb sie nach Osten ab. Wenn sie nichts unternahmen, würden sie das Wolkenschiff verfehlen und immer höher in den Himmel hinauf steigen. Einige der Krieger aus Ischkuzaia hielten kleine Wurfanker bereit.

Kolja wandte sich von ihnen ab, doch seine Stimme war weit über den Himmel zu hören. »Sieht sich aus, als hat dich gemacht Nacht eine reiche Mann, Juba. Er ist sich lebendig!«

Artax seufzte. Diese Bastarde. Wie es schien, hatten seine Söldner Wetten über seinen Tod abgeschlossen.