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Ein Teil der Steinmauer über den massiven Vordertoren begann sich zu öffnen und bildete einen riesigen Spalt. Zuerst langsam, dann aber mit zunehmender Geschwindigkeit, stürzten massive Granitblöcke mit solch einer Kraft nach unten, daß sie auf dem Boden zerbrachen und dichte Staubwolken in die Luft stiegen. Durch das Getöse konnte man schwach das Geräusch der Ketten hören, die den Mechanismus lösten.

Die Blöcke hatten zu fallen begonnen, als Eben und Berem die Tore erreichten. Eben kreischte vor Angst und hob instinktiv seine Arme, um seinen Kopf zu schützen. Der Mann neben ihm sah hoch und – so schien es – seufzte auf. Dann wurden beide unter Tonnen von kaskadenartig herabstürzendem Gestein begraben. Der uralte Verteidigungsmechanismus hatte die Tore von Pax Tarkas verschüttet.

»Dies ist eure letzte Trotzhandlung!« brüllte Verminaard. Seine Rede war von den stürzenden Steinen unterbrochen worden, was ihn nur noch mehr aufbrachte. »Ich habe euch eine Möglichkeit geboten, für den Ruhm meiner Königin zu arbeiten. Ich habe mich um euch und eure Familien gekümmert. Aber ihr seid dickköpfig und dumm. Das werdet ihr mit eurem Leben bezahlen!« Der Drachenfürst hob Nachtschläger hoch in die Luft. »Ich werde die Männer vernichten. Ich werde die Frauen vernichten! Ich werde die Kinder vernichten!«

Auf eine Handberührung des Drachenfürsten hin breitete Pyros seine Flügel aus und sprang hoch in die Lüfte. Der Drache atmete tief ein, um sich dann auf die Menschenarmee zu stürzen, die voller Panik im offenen Hof aufschrie, und sie mit seinem glühenden Atem zu verbrennen.

Aber der tödliche Flug des Drachen wurde aufgehalten.

Aus einem Schutthaufen in den Himmel schießend, nachdem sie aus der Festung ausgebrochen war, flog Matafleur direkt auf Pyros zu.

Der uralte Drache hatte sich noch tiefer in seinen Wahnsinn gesteigert. Noch einmal erlebte er den Alptraum, seine Kinder zu verlieren. Er konnte die Ritter auf den silbernen und goldenen Drachen sehen, die verfluchten Drachenlanzen glänzten im Sonnenlicht. Vergeblich bat er seine Kinder, sich nicht an dem hoffnungslosen Kampf zu beteiligen. Sie waren jung und hörten nicht auf ihn. Sie flogen davon und ließen ihn weinend in der Höhle zurück. Als vor seinem geistigen Auge die letzte blutige Schlacht ablief, als er seine Kinder durch die Drachenlanzen sterben sah, hörte er Verminaards Stimme.

»Ich werde die Kinder vernichten!«

Und wie schon vor vielen Jahrhunderten, flog Matafleur hinaus, um sie zu verteidigen.

Pyros, durch den unerwarteten Angriff wie gelähmt, konnte gerade noch ausweichen, um den zwar brüchigen, aber immer noch tödlichen Zähnen des alten Drachen zu entkommen, der seine ungeschützten Flanken angriff. Matafleur streifte ihn mit einem Schlag und zerfleischte einen der schweren Flügelmuskeln, die die Flügel antrieben. Pyros rollte sich in der Luft und schlug im Vorbeifliegen auf Matafleur mit einer Vorderkralle ein und riß eine klaffende Wunde in den weichen Unterleib des weiblichen Drachens.

Matafleur spürte nicht einmal den Schmerz, aber die Wucht des Schlages des größeren und jüngeren männlichen Drachen schleuderte sie zurück.

Das Überdrehmanöver war eine instinktive Verteidigungshandlung des roten Drachen gewesen. Er hatte dabei sowohl an Höhe als auch an Zeit gewonnen, um seinen Angriff zu planen. Dabei hatte er jedoch seinen Reiter vergessen. Verminaard, der ohne Drachensattel ritt, verlor den Halt und fiel auf den Hof. Es war kein tiefer Fall, und er blieb, abgesehen von einigen Prellungen und seiner Benommenheit, unverletzt.

Viele Leute, die in seiner Nähe standen, flohen vor Angst, als sie ihn aufstehen sahen, aber als er sich schnell umsah, bemerkte er, daß vier Gestalten am nördlichen Ende des Hofes nicht wegliefen. Er wandte sich ihnen zu.

Matafleurs Erscheinen und ihr plötzlicher Angriff auf Pyros riß die Menschen aus ihrer Panik. Dies und der Sturz Verminaards in ihre Mitte erreichte das, was Elistan und die anderen nicht geschafft hatten. Die Menschen, von ihrer Angst befreit, begannen südwärts in die Sicherheit der Berge zu fliehen. Jetzt ließ der Drakonierhauptmann seine Männer in die Menge strömen. Einen geflügelten Drachen beauftragte er, die Armee zurückzuholen.

Die Drakonier drängten auf die Flüchtlinge zu, aber falls sie gehofft hatten, eine Panik auszulösen, so wurden sie enttäuscht. Die Menschen hatten genug gelitten. Sie hatten schon einmal ihre Freiheit aufgrund des Versprechens von Frieden und Sicherheit verloren. Jetzt war ihnen klar, daß es keinen Frieden geben konnte, solange diese Ungeheuer auf Krynn weilten. Die Menschen aus Solace und Torweg – Männer, Frauen und Kinder kämpften mit allen Waffen, die sie greifen konnten – Steinen, Felsbrocken, mit den bloßen Händen, Zähnen und Fingernägeln.

Die Gefährten wurden in der Menge getrennt. Laurana war von allen abgeschnitten. Gilthanas versuchte, in ihrer Nähe zu bleiben, aber er wurde von der Menge mitgerissen. Das Elfenmädchen, verängstigter, als sie für möglich gehalten hatte, wich mit dem Schwert in der Hand zur Mauer zurück. Als sie voller Angst die tobende Schlacht beobachtete, fiel ein Mann vor ihr auf den Boden, er hielt seine Hände auf den Leib gepreßt, seine Finger waren rot von seinem Blut. Seine Augen waren starr im Tod, schienen sie anzublicken. Sein Blut bildete einen Teich um ihre Füße. Laurana starrte mit fasziniertem Entsetzen auf das Blut, dann vernahm sie ein Geräusch. Zitternd sah sie auf und direkt in das schreckliche Reptiliengesicht des Mörders des Mannes.

Der Drakonier, der eine offenbar schreckerfüllte Elfe sah, glaubte, daß er mit ihr leichtes Spiel haben würde. Mit seiner langen Zunge leckte er an seinem blutverschmierten Schwert, sprang über den Körper seines Opfers und griff Laurana an.

Das Elfenmädchen umklammerte ihr Schwert, ihre Kehle schmerzte vor Angst. Sie reagierte aus reinem Verteidigungsinstinkt. Sie stach und stieß blind zu. Der Drakonier war völlig überrascht. Laurana tauchte ihre Waffe in den Körper des Drakoniers, spürte, wie die scharfe Elfenklinge Rüstung und Fleisch durchdrang, hörte Knochen splittern und den letzten gurgelnden Aufschrei der Kreatur. Der Drakonier verwandelte sich in Stein und riß ihr das Schwert aus der Hand. Aber Laurana, mit einer ihr selbst neuen kalten Distanz, wußte aus den Erzählungen der Krieger, daß sich nach einem Moment der Steinkörper in Staub auflösen und ihre Waffe freigeben würde.

Um sie herum wütete der Lärm der Schlacht, die Rufe, die Todesschreie, das Aufschlagen und Stöhnen, das Zusammenprallen von Eisen – aber sie hörte nichts davon.

Sie wartete ruhig, bis der Körper sich auflöste. Dann bückte sie sich und ergriff ihr Schwert und hob es in die Luft. Sonnenlicht blitzte auf der blutverschmierten Klinge, ihr Feind lag tot zu ihren Füßen. Sie sah sich um, konnte Tanis aber nicht ausmachen. Sie konnte keinen der Gefährten ausmachen. Vielleicht waren schon alle tot. Vielleicht würde auch sie im nächsten Augenblick sterben.

Laurana hob ihre Augen zum blauen Himmel. Die Welt, die sie vielleicht bald verlassen würde, schien wie neugeboren – jeder Gegenstand, jeder Stein, jedes Blatt hob sich in schmerzhafter Deutlichkeit ab. Eine warme, angenehme, aus dem Süden kommende Brise kam auf und vertrieb die Gewitterwolken, die im Norden über ihrer Heimat hingen. Lauranas Geist, aus seinem Gefängnis der Angst befreit, schwebte höher als die Wolken, und ihr Schwert blitzte in der Morgensonne.

15

Der Drachenfürst. Matafleurs Kinder

Verminaard musterte die vier Männer. Das waren keine Sklaven. Dann erkannte er sie als jene, die mit der Klerikerin zusammen reisten. Dann waren sie es also, die Onyx in Xak Tsaroth besiegt hatten, aus der Sklavenkarawane entkommen und in Pax Tarkas eingebrochen waren. Er hatte das Gefühl, als ob er sie kennen würde – den Ritter, dessen zerstörtes Land einst in vollem Glanze stand; den Halb-Elf, der versuchte, als Mensch zu leben; den kranken Magier und den Zwillingsbruder des Magiers – ein menschlicher Riese, dessen Gehirn wahrscheinlich so dick wie seine Arme war.