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Sestun begann sich in der Nähe der Gefährten aufzuhalten, wenn er nicht beschäftigt war. Tanis, neugierig auf Informationen über Pax Tarkas, fragte ihn über seine Heimat aus und wie er dazu gekommen war, für den Truppführer zu arbeiten. Sestun brauchte für die Geschichte einen ganzen Tag, und die Gefährten brauchten einen weiteren Tag, um die Teile zusammenzusetzen, da er in der Mitte angefangen und mit dem Anfang geendet hatte.

Aber seine Geschichte stellte keine große Hilfe dar. Sestun lebte mit einer großen Gruppe von Gossenzwergen in den Bergen um Pax Tarkas, als Lord Verminaard und seine Drakonier die Eisenerzminen erobert hatten, die er für die Herstellung der Waffen für seine Truppen brauchte.

»Großes Feuer – jeden Tag, jede Nacht. Schlechter Geruch.« Sestun zog die Nase kraus. »Auf Stein hämmern. Jeden Tag, jede Nacht. Ich habe guten Job in Küche« – sein Gesicht erhellte sich einen Moment – »mache heiße Suppe. Sehr heiß.« Sein Gesicht verdunkelte sich. »Suppe verschüttet. Heiße Suppe ganz schnell Rüstung erhitzt. Lord Verminaard schläft auf Rücken eine Woche.« Er seufzte. »Ich gehe mit Truppführer. Ich Freiwilliger.«

»Vielleicht können wir die Minen stillegen«, schlug Caramon vor.

»Das ist ein Gedanke«, sinnierte Tanis. »Wie viele Drakonier bewachen die Minen?«

»Zwei!« sagte Sestun und hob zehn schmutzige Finger.

Tanis seufzte und erinnerte sich, daß sie schon einmal so etwas gehört hatten.

Sestun sah hoffnungsvoll zu ihm hoch. »Es sind auch nur zwei Drachen da.«

»Zwei Drachen!« fragte Tanis ungläubig.

»Nicht mehr als zwei.«

Caramon stöhnte und setzte sich zurück. Der Krieger hatte sich seit Xak Tsaroth ernsthafte Gedanken über das Bekämpfen von Drachen gemacht. Er und Sturm waren jeder Legende über Huma nachgegangen, den einzigen bekannten Drachenkämpfer, an den sich der Ritter erinnern konnte. Unglücklicherweise hatte niemand die Legenden von Huma zuvor ernstgenommen (außer den solamnischen Rittern, die dafür verspottet wurden), und viele Geschichten über Huma waren im Laufe der Zeit verzerrt worden oder in Vergessenheit geraten.

»Ein Ritter der Wahrheit und der Macht, der die Götter angefleht und die mächtige Drachenlanze geschmiedet hat«, murmelte Caramon jetzt und blickte zu Sturm, der auf dem strohbedeckten Boden ihres Gefängnisses schlief.

»Drachenlanze?« murmelte Fizban, der mit einem Schnarchen erwachte. »Drachenlanze? Wer sagte etwas über die Drachenlanze?«

»Mein Bruder«, wisperte Raistlin und lächelte bitter. »Er zitiert das Hohelied. Anscheinend haben er und der Ritter eine plötzliche Vorliebe für Kindergeschichten, von denen sie nun verfolgt werden.«

»Gute Geschichte, Huma und die Drachenlanze«, sagte der alte Mann und strich über seinen Bart.

»Geschichte – ja, vielleicht ist es das.« Caramon gähnte und kratzte sich an der Brust. »Wer weiß, ob es stimmt, ob es die Drachenlanze wirklich gab, ob Huma überhaupt gelebt hat.«

»Wir wissen, daß es Drachen gibt«, murmelte Raistlin.

»Huma hat gelebt«, sagte Fizban leise. »Und die Drachenlanze gab es auch.« Das Gesicht des alten Mannes wurde traurig.

»Was?« Caramon setzte sich auf. »Kannst du sie beschreiben?«

»Natürlich!« Fizban zog verächtlich die Nase hoch.

Nun hörten alle zu. Fizban war in der Tat ein wenig verwirrt über seine Zuhörerschaft.

»Es war eine Waffe ähnlich der – nein, das stimmt nicht. Tatsächlich war sie – nein, auch nicht. Sie war eher… fast ein… eher eine – Lanze, genau! Eine Lanze!« Er nickte ernsthaft. »Und ganz gut gegen Drachen.«

»Ich mache ein Nickerchen«, knurrte Caramon.

Tanis lächelte und schüttelte den Kopf. Er lehnte sich gegen die Stangen und schloß erschöpft seine Augen. Bald waren alle außer Raistlin und Tolpan in einen unruhigen Schlaf gefallen. Der Kender, hellwach und gelangweilt, blickte hoffnungsvoll zu Raistlin. Manchmal, wenn Raistlin gute Laune hatte, erzählte er Geschichten über Magier. Aber der Magier starrte neugierig Fizban an. Der alte Mann hatte sich auf eine Bank gesetzt, schnarchte leise, sein Kopf bewegte sich ruckweise hin und her, wenn der Wagen über die Straße holperte. Raistlins goldene Augen verengten sich zu Schlitzen, als ob ihm ein neuer und beunruhigender Gedanke gekommen wäre. Kurz darauf zog er seine Kapuze über den Kopf und lehnte sich zurück, sein Gesicht verschwand im Schatten.

Tolpan seufzte. Dann sah er Sestun nahe am Käfig vorüberlaufen. Der Kender strahlte. Hier, das wußte er, war eine dankbare Zuhörerschaft für seine Geschichten.

Tolpan rief ihn zu sich und begann, eine seiner Lieblingsgeschichten zu erzählen. Die beiden Monde gingen unter. Die Gefangenen schliefen. Die Hobgoblins schleppten sich halbschlafend hinter dem Wagen her und unterhielten sich über eine Pause. Truppführer Toede ritt vorweg und träumte von seiner Beförderung. Hinter dem Truppführer murmelten die Drakonier in ihrer rauhen Sprache und warfen Toede haßerfüllte Blicke zu, wenn er wegsah.

Tolpan ließ seine Beine durch die Eisenstangen des Käfigs baumeln und erzählte Sestun seine Geschichte. Dabei bemerkte er, daß Gilthanas nur vorgab zu schlafen. Tolpan sah, wie der Elf seine Augen öffnete und sich schnell umsah, wenn er sich unbeobachtet fühlte. Das machte Tolpan unglaublich neugierig. Es schien fast, als ob Gilthanas auf etwas warten würde. Der Kender verlor den Faden in seiner Geschichte.

»Und so habe ich… oh… einen Stein aus seinem Beutel genommen, warf ihn und – traf den Zauberer am Kopf«, schloß Tolpan eilig seine Erzählung. »Der Dämon packte den Zauberer an den Füßen und zog ihn hinunter in die Tiefen des Abgrundes.«

»Aber erst hat Dämon dir gedankt«, half Sestun nach, der die Geschichte – mit Abweichungen – schon zweimal gehört hatte. »Du vergessen.«

»Habe ich?« fragte Tolpan, während er Gilthanas nicht aus den Augen ließ. »Na gut, der Dämon dankte mir und nahm uns den magischen Ring weg, den er mir gegeben hatte. Wenn es nicht dunkel wäre, könntest du den Umriß des Ringes, der auf meinem Finger eingebrannt ist, erkennen.«

»Sonne aufgehen. Morgen bald. Ich sehe dann«, sagte der Gossenzwerg eifrig.

Es war immer noch dunkel, aber ein schwaches Licht im Osten deutete an, daß die Sonne bald aufgehen würde.

Plötzlich hörte Tolpan einen Vogel im Wald zwitschern. Mehrere antworteten ihm. Was für merkwürdig klingende Vögel, dachte Tolpan. Niemals zuvor hatte er so etwas gehört. Aber andererseits war er auch noch nie so tief im Süden gewesen. Er wußte aufgrund seiner vielen Landkarten, wo sie sich befanden. Sie hatten die einzige Brücke über den Weißen Fluß passiert und steuerten nach Süden, auf Pax Tarkas zu, das auf der Karte des Kenders als die Stätte der berühmten Thardarkan-Eisenerzminen verzeichnet war. Das Land begann anzusteigen, und dichte Espenwälder tauchten im Westen auf. Die Drakonier und Hobgoblins behielten die Wälder im Auge und beschleunigten das Tempo. Verborgen in diesen Wäldern lag Qualinesti, das uralte Elfenreich.

Ein anderer Vogel rief, diesmal viel näher. Dann sträubten sich Tolpans Haare, als der gleiche Vogelruf direkt hinter ihm ertönte. Der Kender drehte sich um: Gilthanas war auf den Füßen, die Finger an den Lippen, ein unheimlicher Pfeifton fuhr durch die Luft.

»Tanis!« rief Tolpan, aber der Halb-Elf war bereits wach, wie alle anderen im Wagen.