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Dann traf eine Windböe das Schiff. Eine Welle brandete über sie. Weißschäumendes Wasser stürzte auf sie nieder, drückte die Männer zu Boden, schleuderte sie über das Deck. Das Schiff bekam Schlagseite. Alle hielten sich an dem fest, was sie fassen konnten – Taue, Netze, alles, um nicht über Bord gespült zu werden.

Berem kämpfte mit dem Steuer, das wie lebendig in seinen Händen hüpfte. Segelstangen zerbrachen, Männer verschwanden angstvoll schreiend im Blutmeer. Dann richtete sich das Schiff langsam wieder auf, sein Holz ächzte. Tanis sah schnell hoch. Der Drache – und Kitiara – war verschwunden.

Maquesta, von der Drachenangst befreit, sprang tatkräftig auf, entschlossen, ihr untergehendes Schiff zu retten. Ihre Befehle schreiend, stürzte sie nach vorn und stolperte in Tika.

»Geht nach unten, ihr Landratten!« schrie Maquesta Tanis wütend zu. »Nimm deine Freunde und geh nach unten! Ihr steht uns im Weg! Geht in meine Kabine.«

Betäubt und abgestumpft konnte Tanis nur nicken. Instinktiv, als wäre er in einem Traum, führte er die anderen nach unten. Der gehetzte Blick in Caramons Augen bohrte sich in sein Herz, als der Krieger mit seinem Bruder im Arm an ihm vorbeistolperte. Raistlins goldene Augen überfluteten ihn wie eine Flamme, die seine Seele verbrannte. Dann waren sie an ihm vorbei, taumelten in die kleine Kabine, die bebte und zitterte, und in der sie herumwirbelten wie Stoffpuppen.

Tanis wartete, bis alle in der winzigen Kabine waren, dann ließ er sich gegen die Holztür fallen, unfähig, sich umzudrehen, unfähig, sie anzusehen. Er hatte den gehetzten Blick in Caramons Augen gesehen, als der Mann an ihm vorbeigetaumelt war, er hatte das frohlockende Aufblitzen in Raistlins Augen gesehen. Er hörte Goldmond leise weinen und wünschte, er könnte auf der Stelle sterben.

Aber es sollte nicht so sein. Langsam drehte er sich um. Flußwind stand neben Goldmond, sein Gesicht war düster und grüblerisch. Tika kaute auf ihren Lippen, Tränen flossen über ihre Wangen. Tanis blieb an der Tür stehen und starrte stumm auf seine Freunde. Lange Zeit sagte niemand ein Wort. Nur der Sturm war zu hören und die Wellen, die auf das Deck brachen. Wasser tröpfelte auf sie herab. Sie waren durchnäßt und froren und zitterten vor Angst und vor Jammer und Bestürzung.

»Es… es tut mir leid«, begann Tanis und leckte über seine salzigen Lippen. Seine Kehle schmerzte, er konnte kaum sprechen. »Ich… ich wollte es euch sagen…«

»Das also hast du in diesen vier Tagen gemacht«, sagte Caramon mit sanfter, leiser Stimme. »Mit unserer Schwester warst du zusammen. Unserer Schwester, der Drachenfürstin!«

Tanis ließ den Kopf hängen. Eine neue Welle ließ ihn in Maquestas Schreibtisch taumeln, der am Boden festgeschraubt war. Er fing sich wieder und schob sich langsam wieder zurück. Der Halb-Elf hatte in seinem Leben viele Schmerzen erlitten – den Schmerz des Vorurteils, den Schmerz des Verlustes, den Schmerz von Messern, Pfeilen, Schwertern. Aber diesen Schmerz glaubte er nicht ertragen zu können. Der Vorwurf des Verrats in ihren Augen führte direkt in seine Seele.

»Bitte, ihr müßt mir glauben…« Was für einen Unsinn sage ich da, dachte er wütend. Warum sollten sie mir glauben! Ich habe nichts anderes getan als sie angelogen, seitdem ich zurückgekehrt bin. »Nun gut«, fing er noch einmal an, »ich weiß, ihr habt keinen Grund, mir zu glauben, aber hört mir zumindest zu! Ich bin durch Treibgut gelaufen, als mich eine Elfe angriff. Sie hat mich in diesem Aufzug gesehen«, Tanis zeigte auf seine Drachenrüstung, »und dachte, ich wäre ein Drachenoffizier. Kitiara hat mir das Leben gerettet, dann erkannte sie mich. Sie dachte, ich wäre in die Drachenarmee eingetreten! Was sollte ich sagen? Sie…«, Tanis schluckte und wischte sich über sein Gesicht, »sie nahm mich mit in ihre Herberge und… und…« Er würgte, konnte nicht weitersprechen.

»Und du hast vier Tage und Nächte in liebevoller Umarmung mit einer Drachenfürstin verbracht!« sagte Caramon, seine Stimme wurde vor Wut lauter. Er taumelte auf die Füße und zeigte anschuldigend auf Tanis. »Dann hast du nach vier Tagen ein wenig Ruhe gebraucht! Du hast dich also an uns erinnert und bist zurückgekommen, um sicherzugehen, daß wir immer noch auf dich warten! Und das haben wir! Wie eine Herde gutgläubiger Lämmer…«

»Na gut, ich war mit Kitiara zusammen!« schrie Tanis plötzlich wütend. »Ja, ich habe sie geliebt! Ich erwarte nicht, daß einer von euch das versteht! Aber ich habe euch niemals verraten! Das schwöre ich bei den Göttern! Als sie nach Solamnia aufbrach, war das die erste Gelegenheit zu entkommen, und die habe ich genutzt. Ein Drakonier ist mir gefolgt, offensichtlich auf Kits Befehl hin. Ich bin vielleicht ein Narr. Aber ich bin kein Verräter!«

»Pah!« Raistlin spuckte aus.

»Hör mir zu, Magier!« knurrte Tanis. »Wenn ich euch verraten hätte, warum war sie so entsetzt, euch zu sehen – ihre Brüder! Wenn ich euch verraten hätte, warum habe ich dann nicht einfach ein paar Drakonier zum Gasthaus geschickt, um euch zu holen? Das hätte ich jederzeit tun können. Ich hätte sie auch zu Berem schicken können. Er ist es nämlich, den sie will. Er ist derjenige, den die Drakonier in Treibgut suchten! Ich wußte, daß er auf diesem Schiff war. Kitiara bot mir die Herrschaft über Krynn an, wenn ich es ihr sagen würde. So wichtig ist er für sie. Ich hätte Kit nur zu ihm zu führen brauchen, und die Königin der Finsternis hätte mich fürstlich belohnt!«

»Erzähl mir nicht, daß du das nicht in Erwägung gezogen hast!« zischte Raistlin.

Tanis öffnete den Mund, schwieg dann aber. Er wußte, daß seine Schuld in seinem Gesicht genauso sichtbar war wie der Bart, den kein Elf haben konnte. Er würgte, dann legte er eine Hand über die Augen, um ihre Gesichter nicht zu sehen. »Ich… ich habe sie geliebt«, sagte er mit gebrochener Stimme. »All die Jahre. Ich habe mich geweigert, zu sehen, was sie war. Und selbst als ich es erkannte, konnte ich nicht anders. Du liebst«, seine Augen richteten sich auf Flußwind, »und du«, er wandte sich an Caramon. Das Schiff schlenkerte wieder. Tanis hielt sich am Schreibtisch fest, als das Deck unter seinen Füßen zu kippen schien. »Was hättet ihr getan? Fünf Jahre lang war sie in meinen Träumen!« Er hielt inne. Sie waren still. Caramons Gesicht war ungewöhnlich nachdenklich. Flußwinds Augen waren auf Goldmond gerichtet.

»Als sie gegangen war«, fuhr Tanis fort, seine Stimme klang weich und schmerzerfüllt, »lag ich in ihrem Bett und haßte mich selbst. Ihr haßt mich vielleicht jetzt, aber ihr könnt mich nicht so hassen, wie ich mich verabscheut und gehaßt habe! Ich dachte an Laurana und…«

Tanis schwieg und hob seinen Kopf. Noch beim Sprechen war ihm die veränderte Bewegung des Schiffes aufgefallen. Die anderen blickten sich auch um. Man mußte kein erfahrener Seemann sein, um zu bemerken, daß sie nicht länger wild herumschlingerten. Jetzt bewegten sie sich in einer weichen, nach vorn gerichteten Bewegung, einer irgendwie unheilvollen Bewegung, weil sie so unnatürlich war. Bevor sich jemand fragen konnte, was das zu bedeuten hatte, zersplitterte ein Klopfen fast die Kabinentür.

»Maquesta sagt, ihr sollt hochkommen!« schrie Koraf heiser. Tanis warf seinen Freunden schnell einen Blick zu. Flußwinds Gesicht war düster; seine Augen trafen die des Halb-Elfen und hielten stand, aber in ihnen war kein Licht mehr. Der Barbar hatte lange Zeit allen mißtraut, die nicht menschlich waren. Erst nach Wochen gemeinsam erlebter Gefahren hatte er allmählich gelernt, Tanis wie einen Bruder zu lieben und ihm zu vertrauen. War das jetzt alles zerstört? Tanis hielt seinem Blick stand. Flußwind senkte seinen Blick, und ohne ein Wort zu sagen, wollte er an Tanis vorbeigehen, hielt dann aber inne.