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»Du hast recht, mein Freund«, sagte er und sah zu Goldmond, die sich erhob. »Ich habe geliebt.« Dann wandte er sich abrupt um und ging aufs Deck.

Goldmond blickte Tanis stumm an, als sie ihrem Gatten folgte, und in ihrem Blick sah er Mitgefühl und Verständnis. Caramon zögerte, dann ging er an ihm vorbei, ohne ihn anzusehen oder etwas zu sagen. Raistlin folgte schweigend, aber seine goldenen Augen blieben auf Tanis haften. Lag in diesen goldenen Augen ein Funken Schadenfreude? War Raistlin, von den anderen seit langem beargwöhnt, glücklich, zu guter Letzt Gesellschaft bekommen zu haben? Der Halb-Elf hatte keine Vorstellung, was der Magier dachte. Dann ging Tika an ihm vorbei und streichelte ihn am Arm. Sie wußte, was es hieß zu lieben…

Tanis stand einen Moment lang allein in der Kabine, verloren in seiner eigenen Dunkelheit. Dann folgte er seufzend seinen Freunden.

Sobald er auf Deck war, wurde Tanis klar, was geschehen war. Die anderen starrten über die Reling, die Gesichter bleich und angespannt. Maquesta schritt auf dem Vorderdeck auf und ab, schüttelte den Kopf und fluchte in ihrer Sprache. Als sie Tanis kommen hörte, sah sie auf, in ihren schwarzen Augen funkelte der Haß.

»Du hast uns vernichtet«, sagte sie giftig. »Du und dieser gottverfluchte Steuermann!«

Maquestas Worte schienen überflüssig, eine reine Wiederholung von Worten, die bereits in seinen eigenen Gedanken waren. Tanis fragte sich, ob sie überhaupt gesprochen hatte oder ob er sich selbst gehört hatte.

»Wir sind im Mahlstrom gefangen.«

4

»Mein Bruder…«

Die Perechon flog so leicht wie ein Vogel über das Wasser. Aber es war ein Vogel mit gestutzten Flügeln, der auf den wirbelnden Wellen eines Wasserzyklons in eine blutrote Dunkelheit ritt.

Die entsetzliche Kraft zog das Wasser glatt, bis es wie bemaltes Glas aussah. Ein tiefes, ewiges Grollen erhob sich aus den schwarzen Tiefen. Sogar die Sturmwolken kreisten unaufhörlich über dem Mahlstrom, als ob die ganze Natur in ihm gefangen wäre und in ihre eigene Zerstörung geschleudert würde. Tanis klammerte sich mit Händen an die Reling, die von der Anspannung schmerzten. Er starrte in das dunkle Zentrum des Wirbels, er spürte keine Angst, kein Entsetzen – nur ein seltsam dumpfes Gefühl. Es spielte auch keine Rolle mehr. Der Tod würde schnell kommen, er war ihm willkommen.

Alle an Bord des dem Untergang geweihten Schiffes standen schweigend da, ihre Augen waren vor Angst aufgerissen bei dem Anblick, der sich ihnen bot. Sie waren immer noch vom Zentrum entfernt; der Strudel hatte einen meilenweiten Durchmesser. Das Wasser floß ebenmäßig und schnell. Über ihnen und um sie herum heulte noch der Wind, peitschte der Regen noch auf ihre Gesichter. Aber es spielte keine Rolle. Sie merkten es nicht mehr. Sie nahmen nur wahr, daß sie unaufhaltsam in das Zentrum der Dunkelheit getrieben wurden.

Dieser furchterregende Anblick reichte aus, um Berem aus seiner Lethargie zu wecken. Nach dem ersten Schock schrie Maquesta verzweifelte Befehle. Benommen führten die Männer sie aus, aber ihre Bemühungen waren vergeblich. Segel und Taue wurden vom Wirbelwind zerrissen, Männer stürzten schreiend ins Wasser. Sosehr Berem sich auch abquälte, er konnte das Schiff nicht wenden oder es aus dem Schreckensgriff des Wassers befreien. Koraf half ihm, das Steuer zu halten, aber sie hätten genausogut versuchen können, die Welt aufzuhalten, sich zu drehen. Dann gab Berem auf. Seine Schultern sackten zusammen. Er starrte in die wirbelnden Tiefen, ignorierte Maquesta, ignorierte Koraf. Tanis bemerkte, daß sein Gesicht einen gelassenen Ausdruck angenommen hatte; dieselbe Gelassenheit, mit der er in Pax Tarkas Ebens Hand genommen und mit ihm in jene tödliche Mauer herunterstürzender Steinblöcke gerannt war. Der Grüne Juwel in seiner Brust glühte in einem gespenstischen Licht, das blutrote Wasser reflektierend.

Tanis spürte eine starke Hand an seiner Schulter, die ihn aus seinem entrückten Entsetzen riß.

»Tanis! Wo ist Raistlin?«

Tanis drehte sich um. Einen Moment lang starrte er Caramon an, ohne ihn zu erkennen, dann zuckte er die Schultern.

»Was macht das schon aus?« murmelte er bitter. »Laß ihn dort sterben, wo er es möchte…«

»Tanis!« Caramon schüttelte ihn. »Tanis! Die Kugel der Drachen! Ihre Magie! Vielleicht kann sie helfen…«

Tanis kam zu sich. »Bei allen Göttern! Du hast recht, Caramon!«

Der Halb-Elf blickte sich um, sah aber kein Anzeichen vom Magier. Ihn schauderte. Raistlin war in der Lage, ihnen zu helfen – oder nur sich selbst! Schwach erinnerte sich Tanis an die Elfenprinzessin Alhana, die erklärt hatte, daß die Kugeln der Drachen von ihren magischen Schöpfern mit einem starken Überlebenswillen versehen worden waren.

»Nach unten!« schrie Tanis. Als er zum Bodenluk sprang, hörte er Caramon hinterher stampfen.

»Was ist los?« rief Flußwind von der Reling.

Tanis schrie zurück: »Raistlin. Die Kugel der Drachen. Komm nicht mit. Überlaß das mir und Caramon. Bleib bei den anderen.«

»Caramon…«, schrie Tika und lief ihm nach, bis Flußwind sie faßte und zurückhielt. Sie warf dem Krieger einen gequälten Blick zu, schwieg aber und warf sich gegen die Reling. Caramon bemerkte nichts. Er holte Tanis ein, sein schwerer Körper bewegte sich mit erstaunlicher Schnelligkeit. Tanis stolperte hinter ihm die Treppe hinunter und sah, daß die Tür zu Maquestas Kabine offenstand und mit der Bewegung des Schiffes hin- und herschwang. Der Halb-Elf stürzte hinein und hielt abrupt an der Türschwelle inne, als ob er kopfüber in eine Wand gerannt wäre.

Raistlin stand in der Mitte der kleinen Kabine. Er hatte eine Kerze in einer Lampe entzündet. Die Flamme ließ das Gesicht des Magiers wie eine Metallmaske glitzern, seine Augen funkelten im goldenen Feuer. In seinen Händen hielt Raistlin die Kugel der Drachen, ihre Beute aus Silvanesti. Sie war gewachsen und hatte nun die Größe eines Spielballs. Unzählige Farben wirbelten in ihr. Tanis wurde beim Zusehen schwindelig, und er zwang sich wegzusehen.

Vor Raistlin stand Caramon, das Gesicht des Kriegers war so weiß wie das der Leiche in dem Silvanesti-Traum, als der Krieger tot zu seinen Füßen lag.

Raistlin hustete und drückte eine Hand an seine Brust. Tanis wollte vorspringen, aber der Magier sah schnell auf.

»Komm nicht näher, Tanis!« keuchte Raistlin zwischen blutbefleckten Lippen.

»Was machst du da?«

»Ich fliehe vor dem sicheren Tod, Halb-Elf!« Der Magier lachte auf unangenehme Weise, das seltsame Lachen, das Tanis erst zweimal zuvor gehört hatte. »Was glaubst du denn?«

»Wie?« fragte Tanis. Eine seltsame Angst beschlich ihn, als er in die goldenen Augen des Magiers sah, in denen sich das wirbelnde Licht der Kugel widerspiegelte.

»Indem ich meine Magie anwende. Und die Magie der Kugel der Drachen. Es ist ganz einfach, obwohl es wahrscheinlich über deinen schwachen Verstand geht. Ich verfüge jetzt über die Macht, die Energie meines Körpers und die Energie meines Geistes zu verschmelzen. Ich werde reine Energie werden Licht, wenn du dir das so vorstellen kannst. Und indem ich Licht werde, kann ich durch den Himmel wie die Strahlen der Sonne reisen und in diese körperliche Welt zurückkehren, wann immer und wo immer ich will!«

Tanis schüttelte den Kopf, Raistlin hatte recht – der Gedanke ging über sein Verstehen. Er konnte ihn nicht fassen, aber er schöpfte Hoffnung.

»Kann die Kugel das für uns alle machen?« fragte er.

»Möglicherweise«, antwortete Raistlin hustend. »Aber ich bin mir nicht sicher. Und ich will es nicht ausprobieren. Ich weiß, daß ich entkommen kann. Die anderen interessieren mich nicht. Du hast sie zu diesem blutroten Tod geführt, Halb-Elf. Also hol sie auch wieder heraus!«

Wut wallte in Tanis auf und ersetzte seine Angst. »Wenigstens dein Bruder…«, begann er hitzig.

»Niemand«, sagte Raistlin, seine Augen verengten sich.

»Bleib zurück.«

Eine wahnsinnige, verzweifelte Wut tobte in Tanis. Irgendwie mußte er Raistlin zur Vernunft bringen! Irgendwie würden sie alle diese seltsame Magie zur Flucht verwenden! Tanis wußte genug über Magie, um sich im klaren zu sein, daß Raistlin jetzt keinen Zauber wagen würde. Er würde seine ganze Kraft nötig haben, um die Kugel der Drachen zu kontrollieren. Tanis ging nach vorn, als er in der Hand des Magiers etwas Silbernes aufblitzen sah. Anscheinend aus dem Nichts war ein kleiner silberner Dolch erschienen, am Gelenk des Magiers unter einem geschickt getarnten Lederriemen verborgen. Tanis hielt inne, seine Augen trafen Raistlins.