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»Wie kommen wir dann nach Mitras?« murrte Tanis. »Es hegt auf der anderen Seite des Blutmeeres, wenn deine Berechnungen stimmen.«

»Wir können Mitras erreichen, indem wir in südlicher Richtung fahren, falls wir verfolgt werden. Wenn nicht, dann können wir den westlichen Rand des Meeres umkreisen und auf die nördliche Küste vom Nordmeer zuhalten. Mach dir keine Sorgen, Halb-Elf. Zumindest kannst du sagen, daß du das Blutmeer gesehen hast. Eines der Wunder auf Krynn.«

Maquesta drehte sich um, um nach hinten zu gehen, als sie vom Ausguck gerufen wurde.

»Schiff von Westen!« schrie der Matrose.

Sofort holten Maquesta und Koraf ihre Ferngläser hervor und richteten sie auf den westlichen Horizont. Die Gefährten wechselten besorgte Blicke und versammelten sich. Sogar Raistlin verließ seinen Platz unter dem schützenden Segel und trat zu ihnen, während er mit seinen goldenen Augen in den Westen starrte.

»Ein Schiff?« fragte Maquesta Koraf.

»Nein«, grunzte der Minotaurus. »Eine Wolke vielleicht. Aber sie ist schnell, sehr schnell. Schneller, als ich je eine gesehen habe.«

Jetzt konnten sie alle die dunklen Flecken am Horizont erkennen, Flecken, die beim Beobachten immer größer wurden. Dann spürte Tanis einen heftigen Schmerz, als wäre er von einem Schwert durchbohrt worden. Der Schmerz kam so schnell und unerwartet, daß er aufkeuchte und sich an Caramon klammerte. Die anderen sahen ihn besorgt an, und Caramon legte seinen kräftigen Arm um seinen Freund.

Tanis wußte, was auf sie zuflog.

Und er wußte, wer es anführte.

3

Die Dunkelheit nimmt zu

»Eine Drachenschar«, sagte Raistlin, der nun neben seinem Bruder stand. »Fünf, glaube ich.«

»Drachen!« keuchte Maquesta. Einen Moment lang klammerte sie sich mit zitternden Händen an die Reling, dann wirbelte sie herum. »Alle Segel setzen!« befahl sie.

Die Mannschaft starrte nach Westen, ihre Augen und ihr Denken waren von dem nahenden Entsetzen gebannt. Maquesta hob ihre Stimme und schrie nochmals ihren Befehl; ihr einziger Gedanke galt ihrem geliebten Schiff. Die Kraft und Ruhe in ihrer Stimme durchbrach die ersten schwachen Anzeichen der Drachenangst, die über die Mannschaft kroch. Einige sprangen automatisch auf, um ihren Befehl auszuführen, dann folgten die anderen. Koraf half mit seiner Peitsche nach und schlug jeden Mann, der sich nicht schnell genug bewegte. Innerhalb von Sekunden blähten sich die Segel auf.

»Halte das Schiff nahe am Rand des Sturms!« gellte Maque zu Berem. Der Mann nickte langsam, aber seinem ausdruckslosen Gesicht war nicht zu entnehmen, ob er sie überhaupt gehört hatte.

Offenbar hatte er aber gehört, denn die Perechon schwebte am Rand des Sturms, der über dem Blutmeer hing, glitt über die Wellen, angetrieben vom nebelgrauen, heftigen Wind. Es war blanker Leichtsinn, und Maque war sich dessen bewußt. Wenn nur ein Rundholz weggeblasen würde, ein Segel platzte, ein Tau riß – sie wären verloren. Aber sie mußte das Risiko eingehen.

»Sinnlos«, bemerkte Raistlin kühl. »Du kannst Drachen nicht entkommen. Sieh doch, wie schnell sie aufholen. Man verfolgt dich, Halb-Elf. Du wurdest schon verfolgt, als du das Lager verlassen hast… entweder das«, die Stimme des Magiers zischte, »oder du hast sie zu uns geführt!«

»Nein! Ich schwöre…«, Tanis hielt inne.

Der betrunkene Drakonier! – Tanis schloß die Augen und verfluchte sich. Natürlich hatte Kit ihn bewachen lassen! Sie vertraute ihm nicht mehr als den anderen Männern, mit denen sie ihr Bett teilte. Was für ein Narr er doch war! Zu glauben, daß er für sie etwas Besonderes war, zu glauben, sie würde ihn lieben! Sie liebte niemanden. Sie war unfähig zu lieben…

»Ich muß verfolgt worden sein!« sagte Tanis mit zusammengebissenen Zähnen. »Dir müßt mir glauben. Ich habe nicht damit gerechnet, daß man mich in diesem Sturm verfolgen würde. Aber ich habe euch auch nicht verraten! Ich schwöre es!«

»Wir glauben dir, Tanis«, sagte Goldmond, stellte sich zu ihm und warf Raistlin einen wütenden Blick zu.

Raistlin sagte nichts mehr, aber seine Lippen kräuselten sich verächtlich. Tanis mied seinen Blick und beobachtete die Drachen. Jetzt konnten sie die Kreaturen deutlich erkennen: die enormen Flügelspannen, die langen, sich schlängelnden Schwänze, die grausamen Krallenklauen, die unter den riesigen blauen Körpern hervorragten.

»Einer trägt einen Reiter«, berichtete Maquesta grimmig, die die Drachenschar mit ihrem Fernglas beobachtete. »Einen Reiter mit einer gehörnten Maske.«

»Ein Drachenfürst«, bemerkte Caramon unnötigerweise, denn alle wußten nur zu gut, was diese Beschreibung bedeutete. Er wandte sich mit einem nachdenklichen Blick an Tanis. »Du erzählst uns lieber, was los ist, Tanis. Wenn dieser Fürst dachte, du wärst einer seiner Soldaten, warum nimmt er dann die Mühe auf sich, dir nachspionieren zu lassen und dich persönlich zu verfolgen?«

Tanis wollte antworten, aber seine stammelnden Worte gingen in einem verzweifelten, unverständlichen Aufschrei unter; ein Aufschrei, in dem sich Angst und Entsetzen und Wut vermischten, so tierähnlich, daß die Gedanken eines jeden von den Drachen abgelenkt wurden. Er kam vom Schiffsteuer. Mit ihren Händen an den Waffen drehten sich die Gefährten um. Die Mannschaft hielt in ihrer hektischen Arbeit inne, selbst Koraf hörte auf, mit seiner Peitsche zu hantieren, sein Tiergesicht verzerrte sich vor Verblüffung, als das Geschrei immer lauter und furchtsamer wurde.

Nur Maquesta verlor nicht die Nerven. »Berem«, rief sie und begann, zu ihm zu laufen, ihre Angst gab ihr plötzlich ein graueneinflößendes Verstehen seines Gemüts. Sie sprang über das Deck, aber es war zu spät.

Mit einem Ausdruck wahnsinniger Angst fiel Berem in Schweigen und starrte auf die näher kommenden Drachen. Dann brüllte er wieder auf, ein Aufheulen der Angst, das selbst dem Minotaurus das Blut gefrieren ließ. Das mit vollen Segeln fahrende Schiff schien über die Wellen zu hüpfen, aber trotzdem holten die Drachen weiter auf.

Maquesta hatte ihn fast erreicht, als er seinen Kopf wie ein verwundetes Tier schüttelte und das Steuerrad herumriß.

»Nein! Berem!« kreischte Maquesta.

Berems plötzliche Bewegung drehte das kleine Schiff so schnell um die eigene Achse, daß es fast kenterte. Das Besansegel zerbrach von der Belastung, als das Schiff sich auf die Seite legte. Takelwerk, Wanten, Segel und Männer stürzten in das Blutmeer.

Koraf bekam Maquesta zu fassen und riß sie vom fallenden Mast weg. Caramon fing Raistlin in seinen Armen auf, ließ sich auf den Boden fallen und bedeckte den zerbrechlichen Körper seines Bruders mit seinem eigenen, als das Gewirr von Seilen und gesplittertem Holz auf sie niederstürzte. Matrosen überschlugen sich auf dem Deck oder knallten gegen das Schott. Die Gefährten klammerten sich verzweifelt an Seile oder was auch immer sie greifen konnten. Die Segel flatterten beängstigend wie die Flügel toter Vögel, das Takelwerk löste sich, das Schiff quälte sich hilflos in den Wellen.

Aber der erfahrene Steuermann, zwar fast wahnsinnig vor Panik, war immer noch ein Matrose. Instinktiv hielt er das Steuer fest. Langsam führte er das Schiff in den Wind zurück. Langsam kam die Perechon wieder in die richtige Lage. Segel, die schlaff und leblos herunterhingen, wurden vom Wind erfaßt und blähten sich wieder auf. Die Perechon nahm wieder Kurs auf. Erst als ein grauer Schleier des vom Wind getragenen Nebels das Schiff einschloß, wurde allen an Bord klar, daß ein Versinken im Meer einen schnelleren und einfacheren Tod bedeutet hätte.