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Viktor sagte nicht »ja« - Tel verstand es von selbst. Sie nickte zufrieden und warf einen weiteren Arm voll Reisig ins Feuer. Viktor bemerkte, dass sie sich aufgekratzt hatte. Aber was machte das schon? Bei ihr heilten ja sogar größere Wunden in einer einzigen Nacht.

»Sitz nicht rum«, sagte Tel. »Du musst dich bewegen, Viktor.«

Er stellte sich die Szene vor, wie sie beide nackt um das Feuer herumhüpften, und schüttelte den Kopf. Aber Tel ließ nicht locker. »Steh auf! Los jetzt!«

Ehe Viktor reagieren konnte, hatte sie sich schon einen glimmenden Zweig aus dem Feuer gegriffen, genaugenommen eher einen Stock mit einem glutroten Ende, und versetzte ihm damit einen Hieb auf den Rücken.

»Du!« Alle Verwirrung war vergessen, und ohne zu begreifen, was er tat, sprang er auf und stürzte hinter Tel her. »Verdammt ...«

Hätte er das Mädchen in diesem Moment erwischt, hätte es einen ordentlichen Schlag abbekommen. Aber Tel zu fangen war schier unmöglich. Nach einer Minute blieb das Mädchen auf der anderen Seite des Feuers stehen und rief: »Viktor! Frieden?«

Schweigend drohte er ihr mit der Faust.

»Ich musste es tun, damit du dich bewegst und deine Durchblutung in Gang kommt«, sagte sie ernst. »Sei nicht wütend. Verzeih mir.«

»Ich kann nicht verzeihen«, sagte Viktor. Und er kam nicht mehr dazu, sich über seine eigenen bösen, pathetischen und gleichzeitig völlig aufrichtigen Worte zu wundern. Die Welt um ihn herum begann zu schwanken ...

Die Flamme ergriff ihn. Schlug, biss, brannte. Böse, unbarmherzig und gleichzeitig hilflos. Er war sowieso stärker.

Er wusste, dass er stärker war. Und immer stärker sein würde ...

»Viktor«, sagte Tel. »Viktor ...«

Er öffnete die Augen, fasste ihre Faust mit der einen Hand und griff mit der anderen Hand ins Feuer. Ohne hinzusehen, tastend, als spürte sein ganzer Körper die Flamme, zog er einen glimmenden Zweig heraus. Und schlug Tel damit leicht auf die Schulter. Das Mädchen kreischte auf und riss sich los.

»Jetzt herrscht Frieden«, sagte Viktor.

Aus irgendeinem Grund war er ganz sicher, dass Tel ihm, wenn sie gewollt hätte, ohne Probleme hätte ausweichen können.

»Ist dir jetzt warm?«, erkundigte sich Tel übergangslos und rieb sich die Schulter. »Zieh dich an, wir dürfen nicht trödeln. Vorerst haben wir die Feinde abgehängt, aber nicht für immer. Sie werden den Pfad finden. Und wir müssen bis zum Abend die Felsen erreichen.«

»Die Felsen?« Viktor lachte nervös. »Also gut, dann auf zu den Felsen. Oder in die Berge. Oder ans Meer?«

»Ans Meer kommen wir später«, sagte Tel ernst. »Erst zu den Felsen. Es ist nicht weit, aber der Weg dorthin ist schlecht. Er verläuft zu nah an der Grauen Grenze.«

Grenze! Die kannte er ... oder es schien ihm, dass er sie kannte. Sollte er Tel fragen?

Nein, er würde sie nicht ausfragen. Dieses Spiel, bei dem sie offenbar davon ausging, dass er alles wusste und verstand, während er doch in Wirklichkeit nichts wusste, hatte einen gewissen Reiz. Grenze? Also gut. Graue Grenze - umso besser.

Sie zogen sich an, wobei sie einander den Rücken zukehrten. Als ob diese Maßnahme auf einen Schlag alles auf ein sachliches Gleis bringen könnte. Viktor wrang mehr schlecht als recht das Wasser aus seiner Unterhose und zog die Jeans darüber. Die Kleidung war getrocknet, die feuchten Schuhe jedoch waren geschrumpft und saßen unbequem. Aber damit musste er sich abfinden.

4

Ritor beschloss, im Flug zu den Besitzungen seines Clans zurückzukehren. Das fehlte noch, dass er sich nach allem, was geschehen war, zu Fuß dorthin schleppte. Die Stunde der größten Kraft war bereits vorbei, aber es blieb noch genug Zeit, um die Strecke zwischen dem Singenden Wald und dem Spitzzahn der Vier Winde zu überwinden.

Als die Magie zu wirken begann und weiche Windwirbel seinen fast gewichtslosen Körper erfassten, hatte Ritor endlich Zeit zum Nachdenken. Er ärgerte sich über sich selbst - sein Verdacht bezüglich Loj hatte sich nicht bewahrheitet, und der Magier mochte es gar nicht, wenn er sich in den Leuten täuschte, und erst recht nicht, wenn es sich um jemanden handelte, den er schon so lange kannte. Iwer hatte nichts mit dem Verrat zu tun. Jemand anderes hatte den Clan des Feuers an Torn verraten - vielleicht sogar jemand vom Feuer. Und natürlich konnte er auch nicht ausschließen, dass jemand von seinen eigenen Leuten das Feuer verraten hatte. Auch das kam vor, erst recht in diesen Zeiten, wo längst nicht alle vom Clan der Luft Ritors Ansicht teilten, dass man die Drachen zurückholen sollte.

Ruhigen Gewissens konnten sie Verrat begehen ... ihre Ideale dienten sozusagen als Rechtfertigung.

Es würde nicht leicht sein, den Verräter zu finden. Aber ohne ihn gab es auch keine Hoffnung auf Rache. Eigentlich, verbesserte Ritor sich selbst, ging es schon nicht mehr um Rache. Das hier war ein richtiger Krieg. Der Clan der Luft und der Clan des Feuers waren durch keine Union miteinander verbunden, dennoch hatte Ritor die Absicht, auch für dessen Tote Rache zu nehmen. Und natürlich für seine eigenen Gefährten, die bei den Ruinen gestorben waren. Alle bis zum letzten Mann. Ohne Rücksicht darauf, dass diese Rache die Clans der Mittelwelt am Vorabend einer Invasion der Angeborenen schwächen würde. Der Aufruhr musste im Keim erstickt werden. Keiner sollte glauben, dass sich der Clan der Luft so etwas gefallen ließ.

Dennoch war Ritor sich ganz und gar bewusst, dass die Kräfte der Clans in etwa gleich stark waren. Selbst wenn er persönlich ein wenig stärker war als Torn - jedenfalls fürchtete der Magier der Luft kein offenes Duell -, so verfügte der Clan des Wassers doch über sehr viel mehr Magier in der zweiten Reihe, und - was noch mehr zählte - diese waren viel erfahrener. Die Nachbarschaft ihrer Lehensländer zur Grauen Grenze machte sich bemerkbar: aufrührerische Elfen, unbefriedbare Fabelwesen und ähnliches Gesindel. Wenn doch wenigstens Taniel, die Brüder Klatt und Schatti noch am Leben wären. Obgleich ... ein, zwei oder selbst drei zusätzliche Kämpfer würden in einem offenen Kampf - Clan gegen Clan - am Ende nicht über den Ausgang entscheiden. In einem solchen Fall spielte auch der Zufall eine Rolle.

Das Wasser und die Luft würden sich gegenseitig schwächen, auch das Feuer konnte sich die Rache nicht versagen,

Dieser Plan taugte also auf keinen Fall. Selbst wenn der Boden unter den Füßen der Angeborenen einbrechen würde, Berge sich in Bewegung setzten, Vulkane sich ihnen in den Weg stellten - es wäre zu spät. Sie mussten den Schiffen der Angeborenen auf dem Meer begegnen, damit nur noch ein armseliger Rest der Armada die Mittelwelt erreichte. Anders würde diese nicht standhalten.

Ritor knirschte mit den Zähnen. Er wunderte sich über sich selbst, über seinen plötzlich erwachenden Blutdurst ... und mit einem Mal erinnerte er sich, ja, genau so war es damals gewesen, so trunken vor Vorgenuss war er auf das heiße, strömende Drachenblut, das in einem Schwall auf ihn niedergehen würde, damals, als er seinen Feldzug begann. Viele Jahre waren seither vergangen. Er hatte geglaubt, dass der wahnsinnige Kampfesrausch verschwunden war - aber nein, er hatte die ganze Zeit tief im Verborgenen geschlummert und auf seine Stunde gewartet.

Torn hatte alles richtig eingeschätzt, dachte Ritor plötzlich. Der Clan der Luft würde keine Rache nehmen. Denn auch das Wasser würde bis zum letzten Mann gegen die Angeborenen kämpfen ... es sei denn, die Beleidigung, die Ritor seinem Widersacher in der Hitze des Wortgefechts hingeworfen hatte, nämlich dass Torn sich hatte kaufen lassen, erwiese sich als schreckliche Wahrheit.

Dann bliebe nur eines übrig - im Kampf zu sterben.

Jedenfalls, wenn der Drache nicht kam.

Aber Torn hatte schon den Drachentöter gerufen ... Der Zauberer des Wassers hatte wohl kaum gelogen. Ein Magier seines Standes wusste schließlich genau, dass die Wahrheit