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»Der Drache ...« Viktor sprach das Wort langsam aus. In seinem Inneren stieg ein dumpfer Zorn auf - es war nicht sein Zorn! -, und die Hände griffen ganz von selbst zur Waffe.

»Ich wollte es dir nicht sagen. Aber nachdem du mich nun direkt gefragt hast, darf ich dich nicht anlügen.« Tel sah aus, als würde sie gleich anfangen zu weinen. »Aber frag mich jetzt bitte nicht, wer diese Drachen sind.«

»Ich glaube, das weiß ich auch so«, murmelte Viktor.

Die Drachen. Der größte Fluch der Welt. Das Böse, das der Drachentöter ausgerottet hatte. Jene, die fast unverwundbar,

Aber warum erscheinen mir diese Visionen?, fragte sich Viktor.

»Das ist das Schicksal, Viktor«, sagte Tel sehr leise und sehr erwachsen. »Lauf nicht vor ihm davon, blick ihm ins Gesicht ... Komme, was da wolle.«

Chor war außer sich.

»Kannst du mir wenigstens erklären, wohin es dich treibt? Gerade jetzt, da uns ein Krieg mit dem Wasser droht? Nun?«

Loj suchte schweigend ihre Sachen zusammen. Ein kurzes Kleid aus blauer Baumwolle, eine Kette mit großen Holzperlen, Sandalen aus weichem Leder. So kleidete sich entweder eine Frau von hohem Stand, die keinen Gefallen mehr an glitzernden Kostbarkeiten und luxuriösen Stoffen fand, oder eine einfache Bäuerin, die sich sogar gefürchtet hätte, in die Nähe der Clan-Ländereien zu kommen.

In dieser Situation waren Loj beide Vermutungen gleichermaßen recht und wichtig.

»Wenn du umkommst ...« Chor verstummte und fügte dann mit deutlich leiserer Stimme hinzu: »Loj, bitte lass mich mit dir gehen.«

In Gedanken lächelte Loj triumphierend. Er liebte sie. Er liebte sie sehr. Er war eifersüchtig und hatte Angst um sie, machte sich Sorgen.

»Mein Lieber ...« Sie ging zu ihm, lehnte sich weich an ihn. Ihr Kämpfer roch nach Wein und Parfüm. Wessen wohl? Sie musste sich diesen Geruch merken ... Wahrscheinlich

Es war trotz allem leicht, Männer zu lenken.

»Ich kann es dir nicht sagen. Jetzt nicht, mein Lieber ...«

Chors Muskeln spannten sich, er streckte die Arme aus, um sie ungestüm und leidenschaftlich an sich zu reißen, aber Loj entwand sich geschickt seinem Griff.

»Die Zeit wird kommen, da du alles erfährst«, fuhr sie besänftigend fort. »Aber jetzt muss ich gehen. Allein. Und schick mir keine Spione hinterher, ja? Männer würde ich verführen und Mädchen die Augen auskratzen.«

Chor stieß einen schwülstigen Fluch aus. Er unterzog Loj einer genauen Musterung und fragte dann: »Was ist los, hast du Freundschaft mit einer der Dörflerinnen geschlossen?«

Mit ganz und gar ernstem Gesicht schüttelte Loj den Kopf. Und ließ sogar ein Tränchen im Augenwinkel aufblitzen - als Zeichen, dass sie zu Unrecht beleidigt wurde.

Immerhin hatte sie schon an die zwei Jahre keine Intrigen mehr außerhalb der Clans angezettelt!

»Sei nicht wütend«, sagte Loj, während sie das fast unsichtbare Türchen zu ihrem magischen Zimmer öffnete. Chor wollte ihr schon folgen, blieb dann aber im letzten Moment stehen. Ins Allerheiligste eines Magiers einzudringen würde bedeuten, alles aufs Spiel zu setzen.

»Du Katze!«, warf er ihr zornig hinterher, ganz so, als ob er selbst einem anderen Clan angehörte.

Loj warf das Türchen hinter sich zu. Und stand einfach so da, für einen Moment bar aller eben noch zur Schau gestellten Selbstsicherheit.

Was tat sie eigentlich? Was?

Nein, dass Chor jetzt zu seiner feuchtfröhlichen Gesellschaft zurückkehrte, beunruhigte sie nicht im Mindesten. Sie hatte schon vor langer Zeit begriffen, am haltbarsten war jene Leine, die man von Zeit zu Zeit schleifen ließ.

Loj beunruhigte ihr eigener Plan. Es war eine Sache, Ota in die Schranken zu weisen und auf diesem Wege einmal mehr die eigene herausragende Stellung zu unterstreichen. Aber es war etwas ganz anderes, tatsächlich zum Angriff überzugehen.

Torn würde ihr die Demütigung nicht verzeihen. Kein Mann würde verzeihen, was sie ihm angetan hatte.

Die genauen Hintergründe des Vorfalls würde sie nur beim Clan des Wassers in Erfahrung bringen können. Der Clan der Luft kam dafür nicht infrage; da Ritor den Konflikt nicht angezettelt hatte, konnte das nur bedeuten, dass er selbst nicht über alle Informationen verfügte.

Was sollte sie tun?

»Denk nach, du Dummchen, na los«, spornte Loj sich selbst zärtlich an. »Du schlägst dich zum Clan des Wassers durch, und was dann?«

Sie hatte keine Lust zu ertrinken, auszutrocknen oder mit Wasserpeitschen exekutiert zu werden. Und Torn besaß eine reiche Fantasie, wer weiß, was ihm noch als Bestrafung einfallen würde.

Eine reiche Fantasie ...

»Es käme auf einen Versuch an, nicht wahr, Miezi?« Loj redete sich selbst aufmunternd zu und schüttelte gleichzeitig nachdenklich den Kopf. »Riskieren wir es?«

Denn was war ein Leben schließlich ohne Risiko! Des Sexes wird man überdrüssig, feine Speisen rufen irgendwann nur noch Ekel hervor, Machtintrigen werden eintönig und öde. Aber wenn man Leben und Tod auf eine Karte setzt, wenn das Herz erschrocken zu pochen beginnt, erhalten alle Farben dieser Welt ihre ursprüngliche Leuchtkraft zurück.

Loj öffnete eine kleine, verdeckte Tür und betrat einen schmalen Korridor, der immer tiefer unter die Erde führte. Der Gang verlief unter den Wurzeln jener gigantischen Eiche hindurch, die mit ihrem Stamm und ihrer Krone den Ballsaal beherbergte; weiter führte er unter der Route der Gnome hindurch, so dass man gelegentlich sogar das Rattern der ekelhaften Lokomotivenräder hören konnte; und schließlich zog er sich unter dem Fluss entlang, wo es sehr feucht war und die Wassertropfen klopfend auf den steinernen Boden fielen ... Loj mochte diesen Ausgang nicht. Zwei Stunden unterirdischer Wanderung - das war für jedermann ermüdend und unangenehm.

Dafür kam sie in einem kleinen Lehensdörfchen heraus, das von Gnomen und Menschen bewohnt wurde und direkt an der Route lag. Von der dortigen Bahnstation waren es nur drei Stunden Fahrt bis zu den Ländereien des Wasserclans.

10

Loj fand besonderes Gefallen daran, inkognito zu reisen. Nein, natürlich nicht, weil sie es an sich schön fand, denn wer mochte schon schmuddelige Abteile, dumm-dreiste Mitreisende und das Fehlen der gewohnten Ehrerbietung im Blick der Leute. Der Reiz lag darin, dass sie wusste, dass es nur ein Spiel war. Nichts auf Dauer. Angeblich hatte ein unbedeutender menschlicher Herrscher im Osten, ein gewisser Harun Raschid, diesem Zeitvertreib gefrönt; er wanderte des Öfteren in einfacher Kleidung und ohne Begleitung durch seine Städte und beobachtete das Volk; später versetzte er dann seine Höflinge und Minister mit seinen Kenntnissen über die wahren Zustände in seinem Reich in Erstaunen. Der Legende nach beendete er diese Streifzüge erst, als er sich in einem der Elendsviertel mit einer unheilbaren Krankheit infizierte beziehungsweise als er an einer dunklen Straßenecke überfallen und erdolcht wurde ... an dieser Stelle variierte die Geschichte, je nachdem, was der jeweilige Erzähler für einen Sinn für Humor hatte.

Aber schließlich war Harun ja auch kein Magier gewesen, im Gegensatz zu Loj.

Auch wenn das Oberhaupt der Katzen ein einfaches Kleid, schlichten Schmuck und kein Make-up trug, so stach

Für sechs Kupfermünzen kaufte Loj eine Fahrkarte mit Recht auf einen Sitzplatz ohne Schlafrecht. Der Stolz der Olchyda war ein langsamer Zug, aber in gut vier Stunden würde er sie zur Hauptstadt des Wasserclans bringen.

Ohne darüber nachzudenken, ging sie zum Wartesaal für Magier. Erst als sie den wachhabenden Elfen erblickte, der neben der Eingangstür stand, erkannte sie ihren Fehler. Der Elf bedachte sie mit einem verächtlichen Blick, als wäre sie eine einfache Bäuerin, ließ sich aber immerhin zu einer Erklärung herab.