Sein forschender Blick glitt über die Gleise, über ein Regionalbähnchen auf dem Nachbargleis, über die Menge der Händler, weiter den Bahnsteig entlang bis zur Tür mit der Aufschrift »Für Magier«; kaum einer wusste, dass ihn, den Älteren eines Paares, während dieser ganzen Zeit ein waffentragender
Es versteht sich von selbst, dass Eriks Auftauchen auch bei der Obrigkeit nicht unbemerkt geblieben war. Schon eilte die Bahnhofsleitung herbei, und wer nicht schnell genug aus dem Weg sprang, wurde rücksichtslos vom Empfangskomitee beiseitegeschubst. Zwei Gnome rollten im Laufschritt einen Teppichläufer aus, und hinter ihnen trampelte ein ganzer Trupp Straßenkehrer her.
Erik machte sich auf den Weg, ohne dem Aufzug auch nur einen Blick zu gönnen. Der Teppich und die anderen Attribute eines feierlichen Empfangs interessierten ihn nicht im Mindesten. Seine Aufgabe war es, die Sicherheit zu gewährleisten. Und das tat er. So gut er es vermochte.
Der Junge »zur Hand« folgte ihm schleunigst, wobei er sich pfeilschnell durch die Menge schlängelte. Er war gerade mal zwölf Jahre alt, dünnbeinig und leicht wie ein Fohlen. Niemand ahnte, dass dieses Fohlen ohne weiteres allein mit einer Bande von zwanzig Räubern fertig würde. Wenn er heranwuchs, würde er vom Jungen »zur Hand« zum Solisten aufsteigen oder zum Ältesten eines Paars. Und wahrscheinlich würde er einer der Besten sein, denn Erik würde sich niemals mit einem mittelmäßigen Jungen »zur Hand« abgeben.
Ein Gnom, der Stationsvorsteher, verbeugte sich tief und unterwürfig vor Ritor.
»Was für eine Ehre, sehr geehrter, ehrwürdiger, hoch geachteter ...«
»Schon gut, Kirbi.« Ritor winkte ab. »Wir sind voll und ganz zufrieden mit euch und euren regelmäßigen Zahlungen. Unser Besuch hier ist inoffiziell. Wir kommen nicht zur
Kirbi war mit einem edlen Festtagshemd bekleidet, das er wohl gerade eben erst übergestreift hatte. Bei Ritors Worten seufzte er vor unverhohlener Erleichterung.
»Geruhen Sie sich von der Reise zu erholen? Wir servieren sogleich ein Frühstück. Der Weiße Adler kommt erst in einer Stunde, bis dahin ist noch Zeit ...«
»Nun gut, dann lasst uns frühstücken«, willigte Ritor ein.
Hinter ihm, mit der gespannten Armbrust in den Händen, schritt Kevin. Der zweite Junge »zur Hand« deckte das Ende des Zuges, das aus den beiden Heilern, Kan und seinem Schüler, bestand.
Der Tumult, der durch das Auftauchen der hohen Gäste entstanden war, legte sich allmählich wieder. Wie aus dem Nichts erschien ein Trupp Freiwilliger; das in der Stadt stationierte Korps Schöner Donner verstand seine Arbeit, und alle noch verbliebenen Neugierigen erkannten augenblicklich, dass es besser wäre, sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern.
Das Frühstück, das im Wartesaal für Magier aufgetragen wurde, erwies sich als ausgezeichnet. Es gab geschmorten Hasen in Weinsauce, Kartoffelkroketten, Krevetten mit gehackten Eiern und gebackenen Karpfen mit Sauerkraut. Bescheiden, aber überaus schmackhaft.
»Er sitzt im ersten Wagen«, sagte Ritor leise, nachdem alle ihre Mahlzeit beendet hatten und er einen schalldichten Wall um den Saal errichtet hatte. »Kevin und Erik, eure Aufgabe ist es, ihn aufzuschrecken. Sorgt dafür, dass er sich rausbeugt. Mehr müsst ihr nicht tun. Dann geht ihr schleunigst aus dem Weg und haltet Ausschau nach den Leuten
»Wir haben verstanden, Ritor«, sagte Kevin beherrscht. Wie immer hatte er sich vor dem Kampf in seine Farben gekleidet, in Schwarz und Silber. »Unsere Leute versagen nicht.«
Erik nickte zustimmend.
»Aber warum, ehrwürdiger Ritor, können Kevin und ich die Operation nicht alleine ausführen? Hier handelt es sich doch nicht um die Olympischen Spiele. Wir kommen von zwei Seiten und ...«
»Natürlich kommt ihr von zwei Seiten«, antwortete Ritor ruhig. »Aber, Jungs, wir haben es mit dem Drachentöter zu tun. Er hat schon eine vollständige Weihe erlangt. Glaubt mir, ich weiß, wozu er fähig ist. Ich bin nicht Torn. Und ich werde meine Leute nicht in den Tod schicken. Was ist?«
Eriks Junge »zur Hand« strich schweigend über seinen linken Ärmel. Ritor verspürte augenblicklich die Spannung, die von einer geladenen Waffe ausging.
»Denk nicht einmal daran«, sagte er streng. »Er würde es fühlen. Und du wirst es wahrscheinlich nicht mal merken. Also bitte keine Alleingänge, sondern den Burschen nur aufschrecken. Es ist wichtig, dass er aus dem Waggon herauskommt.«
»Vielleicht sollte ich?«, ertönte Sandras Stimme. »Ehe er den Jungs zusetzt ...«
Kevin und Erik streckten beleidigt ihr Kinn in die Höhe, und mit sekundenlanger Verzögerung imitierten auch ihre Jungen »zur Hand« diese Bewegung.
»Nein, nein.« Ritor schüttelte verärgert den Kopf. »Das lohnt nicht, Sandra. Loj Iwers Lorbeeren wird dir das ohnehin nicht einbringen. Die Kraft des Drachentöters liegt im Zorn. Aber er ist bislang noch nicht in der Lage, sie zu kontrollieren. Wir müssen so vorgehen ...«
Die Sonne stieg höher am Himmel. Züge trafen ein und fuhren ab, auf den Bahnsteigen brodelte die Menge. Ein buntes Völkchen. Händlerinnen und Händler hatten aufgehört, Kevin und Erik zu beachten; deren Jungs waren ohnehin nicht zu sehen.
Der Weiße Adler glitt schwerfällig in den Bahnhof. Trotz seines imposanten Namens gehörte er zu den eher unbedeutenden Zügen, die an jeder noch so kleinen Station hielten. Klapprige Waggons, uralte, dampfende Zylinder, kaputte Trittbretter - selbst die Gnome hatten nicht für alles Geld.
Erschöpft schnaubend hielt die Lokomotive an, und Ritor atmete vor Erleichterung tief aus, denn ihr Ziel war noch immer an Ort und Stelle.
Erik und Kevin bewegten sich ohne Eile auf die hölzernen Türen des ersten Waggons zu, die sich gerade öffneten. Das Volk wich vor ihnen zurück und gab den Weg frei. Hinter den Älteren schlüpften die beiden Jungen »zur Hand« in den Wagen.
Jetzt hieß es nur noch warten.
Ritor warf einen kurzen Blick auf den blassen Asmund und auf Sandra, die sich auf die Lippen biss. Sie hielten jetzt die ungeheuerliche Macht des Windes an der Leine, verdichtet zu einem langen dünnen Speer, der sich bis zum Horizont zog. Dieser Speer würde nicht nur die Brust des Feindes durchstoßen, nicht nur sein Herz herausreißen und sein Inneres nach außen kehren, dieser Speer würde das
Eine Weile lang war alles still. Ritor wusste, dass Erik und Kevin sich im Moment mit möglichst dreisten Mienen durch den mit Bündeln vollgestellten, schmalen Gang drängten, mit Fußtritten und Schubsern alles zur Seite beförderten, was ihnen vor die Füße kam, und dabei laut schrien: »Kontrolle! Allgemeine Kontrolle! Reisebriefe vorzeigen! Na los! Na was denn, keiner da? Dann wird die Abgabe per Strafe eingezogen! Auf der Streckbank wird dir deine Vergesslichkeit schon vergehen!« Wenn Ritor die Psychologie seines Gegners von der Anderen Seite richtig einschätzte - umso mehr, als der in jenem bestimmten Land gelebt hatte -, so würde der Drachentöter nicht stillhalten. Er würde unbedingt reagieren. Die Abteilfenster waren geöffnet, auf dem Bahnsteig wogte eine Menschenmenge, in der man sich leicht verlieren konnte ...