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Und das ist der Moment, in dem wir handeln, dachte Ritor.

Im Waggon kreischte jemand plötzlich auf. Und im selben Augenblick brach eine Welle gebündelten Hasses über Ritor herein. Lodernd und unerträglich, eine Welle, die nur mit dem Blut des Feindes zu löschen war. Keinem einzelnen Wesen, nicht einmal dem Drachentöter, wäre es möglich gewesen, so heftig zu hassen.

Zu dem Kreischen einer Frau gesellte sich ein Chor zorniger Männerstimmen. Fensterscheiben klirrten, und dann begann etwas Unvorstellbares im Waggon. Als ob sich Dutzende wild gewordener Kater im Kampf ineinander verschlungen hätten; in den dunklen Öffnungen der Fenster wand sich ein Wesen - vielarmig, vielbeinig, ein Wesen mit

Eine Fensterscheibe nach der anderen zersplitterte; Schaufelgriffe und Axtstiele blitzten auf; ein blutbedeckter menschlicher Körper stürzte über den Rand einer Fensteröffnung, geradewegs einem vor Schreck gelähmten Händler vor die Füße; dahinter warf jemand einen in eine Decke gewickelten, schreienden Säugling in eine Bauchlade mit Äpfeln; aus dem Waggon drang jetzt ein so schreckliches Stöhnen und Heulen, dass der ganze Bahnhof vor Grauen buchstäblich erstarrte; Ritor bemerkte Kirbi, wie er mit wehendem Hemd und vor Angst verzerrtem Gesicht mit drei weiteren Wächtergnomen im Schlepptau über den Bahnsteig rannte.

Aus dem Fenster flog ein Mann, dem Aussehen nach ein einfacher Siedler. In der Hand hielt er einen kurzen Spaten. Seine linke Gesichtshälfte war blutüberströmt.

Der Mann war tot.

Ritor fasste sich trotz aller Selbstbeherrschung an den Kopf. Er hatte schon verstanden, was da vor sich ging, aber er fürchtete sich davor, es zu glauben.

Die Menschen fielen jetzt einer nach dem anderen aus dem Fenster, wie Regentropfen: Männer, Frauen, Kinder. Manche sprangen auf, andere blieben reglos liegen; einige

Die Jungen »zur Hand« hatten sich an die Arbeit gemacht. In diesem Kampf ging es nicht ums Leben, sondern um den Tod. Der Magier der Luft hatte den Anblick eines solchen wahnsinnigen Kampfes schon einmal erlebt. Gerade weil er zu seiner Zeit selbst Drachentöter gewesen war, begriff Ritor, was hier vor sich ging. Etwas außerordentlich Seltenes, das nichtsdestotrotz vorkam.

Und immer noch zeigte sich der Drachentöter nicht.

»Asmund, Sandra!«, befahl Ritor. »Wir ändern den Plan. Das Ziel ist jetzt das Dach. Ihr beiden, reißt es auf, zum Teufel. Schnell!«

Nein, das alte Frauenzimmer, Sandra, hatte den Jungen nicht umsonst verführt. Sie verstanden es, zusammenzuarbeiten. Sie schlugen synchron zu, als hätten sie es monatelang trainiert.

Der Windstoß brach mit Heulen über den durchgedrehten Waggon herein. Die Dachlatten krachten, die blechernen Platten wurden hochgebogen, die soliden Schrauben der Gnome brachen aus den Gewinden wie faulende Fädchen. Der Wind spießte das Metall auf wie ein gigantisches Messer; er riss an der unnachgiebigen Bedachung des Waggons, wie ein Lüstling am Rock eines sich widersetzenden Mädchens; und er gellte mit seinem unmenschlichen, wilden Geheul scharf in den Ohren.

Und endlich sprang jener aus dem Fenster.

Er sah ganz genauso aus, wie die Windflügel ihn gezeigt hatten. Ein groß gewachsener Mann in der schwarzen Jacke der Wächter von der Grauen Grenze. Verloren, erschüttert, entsetzt und betäubt von fremdem Hass und Schmerz.

Das habe ich auch alles durchgemacht, sprach Ritor in Gedanken zu seinem Feind. Ich kenne das. Wie viele Menschen hast du heute in den Tod geschickt, Drachentöter?

Der Mann hielt sich mit der rechten Hand die linke Schulter. Der Schmerz würde erst später kommen; vorläufig würde er nur das Gefühl haben, dass ihn jemand sehr stark am Arm gezogen hatte.

Schwankend lief er über die Gleise. Fort, nur fort, so weit weg von hier wie nur möglich ... unfehlbar hatte jener den günstigsten Fluchtweg gewählt, zum Fluss.

Ganz recht so, Drachentöter. Aber du weißt nicht, dass du es mit Ritor höchstpersönlich zu tun hast. Und du wirst es auch nicht mehr erfahren, dachte der Magier der Luft noch.

»Genug jetzt!«, kommandierte er.

Der Mann war sehr geschickt: Ganz so, als ob er bereits alles begriffen hätte, hielt er sich inmitten der Menschenmenge; aber es ging eine solche Welle des Bösen und des Schreckens von ihm aus, dass die Leute schreiend vor ihm zurückwichen.

Ritor visierte ihn durch die Zielvorrichtung an. Eine Formel, die in manchem an ein Gewehr erinnert, dachte er noch, ehe er den unsichtbaren Hahn abdrückte.

Mühevoll zusammengeführte, straff gewundene Windschleifen schossen auf ihr Ziel los wie eine Schlange, die sich auf ihre Beute stürzt. Ein durchdringendes Kreischen ertönte, wie Metall, das schnell über Glas gezogen wird; der

Im selben Augenblick hüllte ihn eine Wolke von Wasserfontänen ein, die aus der Erde heraustraten.

Wasser und Luft trafen aufeinander; sie warfen den Drachentöter um, er schlitterte über den glatten Bahnsteig; sein Wasserschutz schleuderte Myriaden schneidender Wasserspritzer in alle Richtungen.

Die Leute suchten verzweifelt das Weite, und der Bahnhof leerte sich.

»Es wird dir nicht gelingen, Ritor!«, schrie jemand.

Ja, damit habe ich gerechnet, dachte der Magier. Gotor also, der Magier des Wassers und noch ein zweiter vom Strafkommando. Jetzt ist alles klar. Sie sind gekommen, um den Schlag auf sich zu ziehen.

»Lass mich machen, Ritor!«, heulte Sandra. Mit Torns Magiern hatte sie noch eine alte Rechnung zu begleichen. Und ehe Ritor antworten konnte, stürmte sie bereits los.

Sie war sehr gut im Angriff. Wahrscheinlich ebenso gut wie im Bett. Der Magierkämpfer hatte nicht mal die Zeit, seine Wasserpeitsche in Anschlag zu bringen. Ein rasender Wind traf ihn auf der Brust, warf ihn nieder, wirbelte ihn auf der Stelle herum und presste sein Opfer erbarmungslos in die harte, gestampfte Erde. Für einen Augenblick war das Gesicht des Unglücklichen zu erkennen, es hatte sich tiefrot verfärbt, und die Augen quollen im Todeskampf heraus; in der nächsten Sekunde platzte seine Kehle. Fächerförmig schossen die Blutstropfen heraus und trockneten augenblicklich aus.

Die Stunde des Grauen Hundes und auch des Erwachenden Wassers waren längst vorbei. Ritor hatte nicht umsonst

Immerhin erwies sich der Magier des Wassers keineswegs als Feigling. Er unternahm einen Gegenangriff, und die scharfe Schneide eines Wassersäbels schnitt haarscharf an Asmunds Kehle vorbei. Mit Unfehlbarkeit hatte Gotor den schwächsten Punkt unter seinen drei Gegnern ausgemacht.

Aber Asmund war gezwungen, den Kreis zu durchbrechen, um der unerwarteten Attacke auszuweichen; und daraufhin schlug Ritor selbst zu. Mit jener ganzen Wut und Kraft, die er für den Drachentöter aufgespart hatte. Den Mann, der ihnen jetzt sehr wahrscheinlich entwischen würde.

Gotor versuchte, sich zu schützen, aber sein Wasserstrudel zerstob wie eine Wolke aus Pappelflaum, die der Wind auseinandertreibt. Ritors unsichtbarer Speer durchstach den Wall des Wassermagiers, spießte ihn auf und hob ihn fast hinauf bis zum Dach, ehe er ihn voll Abscheu auf den Boden schleuderte. Die Brust des Zauberers war aufgerissen; Fleischfetzen und weiße, scharfe Knochenspitzen waren zu sehen.

Er starb, noch ehe er den Schmerz spürte.

Kevin und Erik kamen aus dem zertrümmerten Waggon gerannt, ihre Jungen im Schlepptau. Kevin hielt sich die Hand vors Auge, während Erik seine blutüberströmte Faust mit der anderen Hand umfasste. Aber die beiden waren zu spät dran, hoffnungslos zu spät.

Ritor nahm die Verfolgung auf, sinnlos darauf hoffend, den Drachentöter doch noch einzuholen.

Doch der wusste ganz genau, was zu tun war. Er lief nicht, er stürmte mit ganzer Kraft geradewegs zum Fluss

Er verfügte über eine kolossale Widerstandskraft. Er kämpfte wie ein Löwe, dieser Drachentöter. Seine Verteidigung schien geradezu ideal; vielleicht hätte man ihm eben doch Erik und Kevin auf den Hals hetzen sollen ...

»Wir brauchen die ganze Kraft des Clans«, flüsterte Ritor, während er zusah, wie der Mann durch das Geländer rutschte und wie ein Stein in den Fluss plumpste. »Oder noch ein anderes Element zur Unterstützung.«