»Sieht so aus, als wäre er auf und davon, diese stinkende Meduse!«
»Auf und davon«, stimmte Ritor bedrückt zu. Der Kopf des Drachentöters war nicht zu sehen, aber Ritor wusste ganz genau, dass jener nicht ertrinken würde. Jedenfalls nicht in der nächsten Zeit.
»Was sollen wir jetzt tun, Meister?« Asmunds Stimme zitterte, er musste die Tränen zurückhalten. Ritor blickte sich um: Kan und sein Schüler machten sich schon neben der Waggonruine zu schaffen, aus der die Gnome die Toten und Verletzten bargen.
»Beunruhige dich nicht, Asmund«, antwortete der Magier mit leiser Stimme. »Es ist nicht unsere Schuld. Dieser Drachentöter ... er hat den Zorn der Menge entfacht ... sonst hätte es keiner gewagt, Erik und Kevin anzugreifen. Schließlich sind das hier unsere Länder ... Keiner hätte sich jemals erdreistet. Es war der Drachentöter ... ich weiß es. Ich erinnere mich.«
»Ich glaube, die Gnome kommen«, sagte Sandra mit Unbehagen.
»Na und? Sollen sie kommen. Wir übernehmen alle Unkosten. So teuer wird es wohl nicht werden, ein alter Waggon!«
»Und die Familien der Toten?«, erinnerte ihn Sandra.
Nun wand Ritor sich ebenfalls. Ja, da hatte sie Recht, da war nichts zu machen. Der Clan der Luft galt als guter Lehnsherr. Es kostete ihn viel Geld, diesen Ruf zu wahren, aber genau das schützte ihn andererseits auch vor Aufständen.
11
Loj war erst ein einziges Mal auf dem Territorium des Wassers gewesen. In früher Jugend, als Mädchen von zwölf, dreizehn Jahren, hatte man sie einmal auf einen Besuch mitgenommen. Damals, gleich nach dem Krieg, gingen die Clans sehr freundschaftlich miteinander um. Es war Mode, sich gegenseitig zu besuchen, Botschaften einzurichten, manchmal kam es sogar zu einer Heirat zwischen Vertretern verschiedener Clans, oder jemand wechselte von einem Clan in einen anderen ... Aber aus diesen alten Zeiten hatte sie nur noch das Rauschen der Springbrunnen, das Glitzern der Sonne und jenen wortkargen Jüngling in Erinnerung, der zum Schutz und zur Unterhaltung der jungen Katze abgestellt worden war. Loj langweilte sich offenkundig, bei ihr hatte soeben die Pubertät eingesetzt, die erste Krise des Erwachsenwerdens, wenn alle zukünftigen Möglichkeiten anfangen, auf sich aufmerksam zu machen.
Voll boshaftem Vergnügen hatte sie den armen Jüngling mit ihren kapriziösen Wünschen, mit Beschwerden und gelegentlichem Kokettieren gereizt und schließlich als Beweis seiner Ergebenheit einen Zauber von ihm verlangt, der nicht in seiner Macht lag. Wenn man es genau nahm, hatten
Jetzt hatte sie es nicht nötig, ihre Fähigkeiten zu demonstrieren. Und sie hatte auch nicht den Wunsch, fremde Magie zu sehen. Jene, die Torns Palast bis unters Dach erfüllte, würde ihr vollkommen ausreichen.
Selbstverständlich gab es auch hier Springbrunnen, Fußböden aus Wasser, lebendige, fließende Spiegel. Regenbögen, die unter den Decken hingen - die ganze unvermeidliche Palette an Wundern, die dazu diente, die Vorstellungskraft der Menschen zu erschüttern. Aber sehr viel wichtiger war die eigentliche Kraft. Selbst Lojs schwacher Beobachtungsgabe entging nicht eine Reihe erschreckender Besonderheiten. (Oder sorgte man hier dafür, dass es ihr nicht entging?) Zum Beispiel die Tatsache, dass Stopolje buchstäblich auf einem See erbaut war, auf einem riesigen Süßwassersee, den die Magier hier ausgebreitet hatten und der sich gut zwanzig Meter tief unter der Erde befand. Was würde das für eine Überraschung für mögliche Aggressoren geben, wenn unter ihren Füßen das wütende Element hervorbrach ...
Loj bemerkte auch die Welle. Etwa einen Kilometer vom Ufer entfernt, auf dem Boden, in Deckung sozusagen, schlief ein ungeborener Tsunami. Schlaue dünne Fäden zogen sich geradewegs zum Palast und ermöglichten es, den ungeheuerlichen Wall jeden Augenblick zum Leben zu erwecken und ihn entweder über das Ufer oder sich nähernde Schiffe hereinbrechen zu lassen.
Der Clan des Wassers war stark. Sehr stark.
Endlich nahm der Weg durch unzählige Gänge und Saalfluchten ein Ende. Die Magierkämpfer blieben stehen und mit ihnen der Magier dritten Ranges. Loj stand vor einem
Sie lächelte ihren Begleitern noch einmal zu, ehe sie vorwärts schritt.
Sie rechnete mit etwas Unangenehmem, irgendeiner Gemeinheit, die sie zum Gespött machen sollte; zum Beispiel ein Wasserstrahl, der ihr geradewegs in den Kragen lief oder ihr dünnes Kleid durchnässte, so dass es an ihr kleben würde und sie praktisch nackt vor Torn treten müsste.
Nein. Der Magier ließ sich nicht zu solchen kleinlichen Gehässigkeiten hinreißen. Der glitzernde Wasserfall wich zur Seite, um sie durchzulassen. Und dann stand Loj vor dem Oberhaupt des Wassers.
Der Raum war ohne offenkundigen Prunk ausgestattet. Das bedeutete, dass es sich um Torns tatsächliche Wohnstätte handelte und nicht um einen Saal, in dem man üblicherweise den Besucher zu blenden versuchte. Der Boden war durchsichtig und von unten beleuchtet; in der Tiefe waren reglose bunte Fische zu sehen. Über die Wände floss Wasser, es diente offenbar als Schutzwall. Die Mosaiken darunter wirkten wie frisch verlegt, obwohl sie vermutlich schon etliche Jahre alt waren. Die Bilder zeigten Szenen aus der ersten Zeit des Clans in der Mittelwelt: wie seine Schiffe eintrafen, wie der Clan seinen Teil der Kraft übernahm, wie die Paläste erbaut und die Gärten angelegt wurden. Nichts Düsteres, nichts Kriegerisches. Diese Heuchler ...
Der Magier empfing sie im Stehen. Zwei Sessel standen an der Seite, aber Loj war sehr wohl bewusst, dass die Chancen auf ein freundschaftliches Gespräch schlecht standen.
»Ja, ich bin überrascht.« Torn sprach als Erster.
Loj nickte und sah ihm direkt in die Augen. Kalte Höflichkeit und eisiger Zorn lagen darin. Nicht gerade der ideale Gesprächsanfang. Sie hätte Drohungen bevorzugt, dann hätte sie Schwäche vortäuschen und Torn zu einer Vergewaltigung provozieren können.
Aber so war es nun mal.
»Auch ich bin erstaunt, Torn.«
»Worüber, kluge Loj?« Das Wort »klug« sprach er voller Ironie aus. »Darüber, dass es keine Musik und keine jubelnden Zuschauer gibt?«
»Nein, Torn. Ich bin erstaunt darüber, dass du mir bis jetzt nicht verziehen hast. Und ... dass du dich nicht selbst entschuldigst.«
Torn erzitterte vor Wut. Er hob die Hand ...
»Jawohl!«, schrie Loj mit einer Spur übertriebener Theatralik, aber das Wichtigste war jetzt, den Magier aufzuhalten, und das gelang ihr. »Ja, ich bin schuldig! Wenn eine schwache Frau einen mächtigen Mann durch einen Betrug dazu zwingt, seine Pläne aufzugeben - ist das beleidigend! Sehr beleidigend! Und ich verstehe, dass du gekränkt bist. Ich gestehe meine Schuld. Aber du, du ...!«
In den Augen der Katze schimmerten Tränen.
»Selten genug kommst du, der große Torn, Herrscher über den Clan des Wassers, auf meinen Ball ...« Sie machte einen Schritt auf den Magier zu. »Und wenn du kommst, warum? Um mit mir zu plaudern ...« Sie lächelte bitter. »Oder ...« Jetzt schwang hochmütige Verachtung in ihrer Stimme. »... um einen Blick auf die jungen Katzen zu werfen ... Schön, das würde ich verstehen. Aber wie sich herausstellt, suchtest du in meinem Haus nur eins: Rache und Macht! Den Zwist mit dem Clan der Luft! Und ich Närrin,
Torn hörte ihr zu, er unterbrach sie nicht, und Loj kam immer näher.
»Aber auf die Idee, dass der Clan der Luft sicher nicht lange überlegen würde, an wem er Rache nehmen könnte, an dir oder doch besser an dem Clan, auf dessen Boden Ritor getötet wurde, diese Idee ...«
»Der Clan der Luft wird bald Besseres zu tun haben, als Rachepläne zu schmieden ...«
»Ja? Hast du beschlossen, sie auszumerzen? Warum? Sicher, die Kraft dazu hast du, wer wollte das bestreiten; aber was haben sie dir getan? Ist es der alte Streit über das Grenzland von Bbchtschi?«