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In einem dichten Strom glitten Kähne und Flöße an ihr vorbei. Loj wurde immer wieder angesprochen, gefragt, ob sie nicht zusteigen wollte. Was nicht weiter verwunderlich war, denn was eine junge Frau allein am Kanalufer tat, das war auch dem größten Einfaltspinsel klar. Sie wollte sich was dazuverdienen. Und wenn nicht - nun, so dumm würde sie schon nicht sein, dass sie nicht wusste, was die Seeleute am meisten als Dankeschön fürs Mitnehmen schätzten ...

Früher hätte Loj vermutlich über eine Reihe von Angeboten nachgedacht; und einige hätte sie womöglich angenommen. Nicht so dieses Mal.

Der Kahn war leer ... der auch ... leer, leer. Auf dem wurde getrunken, dort ... hatten sie Sex, ja, wie süß ... hier schliefen alle ... auf diesem wurde gewürfelt ... das Floß nicht, das auch nicht!

Aber plötzlich hatte sie das Gefühl, Feuer zu fangen. Es war ein ganz gewöhnlicher Kahn mit dem stolzen Namen Elberet, der gemächlich vorbeizog; und auf ihm, ja, auf ihm ...

Loj schrieb alle Vorsicht in den Wind und überwand mit einem gewaltigen Sprung wie ein Panther das Wasser zwischen

Der groß gewachsene, dünne Kerl hinter dem Steuerrad riss vor Verwunderung die Augen auf. Er brauchte ein, zwei Sekunden ... ehe er begriff, dass ein normaler Mensch kaum zu so einem Sprung in der Lage wäre. Eilig verbeugte er sich und stand unruhig da ... Nein, es war sinnlos, sich jetzt noch vor ihm zu verbergen.

»Verschwinde«, befahl Loj leise. »Und lass dich nicht blicken, bis ich es gestatte.«

»Gleich, gleich, meine Dame ...«

Loj versiegelte die Luke zum Deckhaus mit einer simplen Formel, damit der Kapitän des Kahns nicht auf die Idee käme zu lauschen. Beiläufig tasteten ihre Sinne das Boot ab, sie nahm einen feinen Strudel Grasgeruch wahr und runzelte voller Abscheu die Stirn, beschloss aber, sich nicht weiter darum zu kümmern. Am Bug des Schiffes erblickte sie zwei Gestalten auf einer Bastmatte unter einer dünnen Decke. Ein ganz junges Mädchen von vielleicht vierzehn und ein äußerlich nicht weiter auffälliger, schwarzhaariger Mann, der etwas über dreißig sein mochte. Sie schliefen nebeneinander, aber sonst lief nichts zwischen ihnen; das hätte Loj sonst als Erstes gemerkt.

Das Mädchen war irgendwie merkwürdig ...

Und ihr Begleiter noch merkwürdiger. Loj spürte erneut die Hitze, sobald sie auch nur mit einer zarten, unschuldigen Formel nach ihm tastete. Die Schranke der Kraft war so gewaltig, dass ihr nichts anderes übriggeblieben wäre, als schweres Geschütz aufzufahren, sofern sie es auf einen Kampf abgesehen hätte.

Aber genau das kam überhaupt nicht in Betracht. Der Mann und das Mädchen schliefen weiter ... und das war

Die Zauberin blieb augenblicklich stehen. Innerlich war ihr Gegenüber vollkommen konzentriert und bereit zum Kampf.

Schlecht, ganz schlecht, Loj. Wirst du alt? Oder bist du endlich auf jemanden getroffen, dem du nicht das Wasser reichen kannst?

Sie bemühte sich, so natürlich wie möglich zu lächeln. »Hallo. Gut geschlafen?«

»Wer bist du?«, fragte er scharf. »Und wie kommst du hierher?«

»Eine Frage mit einer Gegenfrage beantworten ...« Loj lächelte ihn an. Aber das Gesicht des Mannes blieb undurchdringlich. Es sah ganz so aus, als ob ihn sogar Lojs Hüfte, die wie zufällig durch den Schlitz ihres schmalen Rocks lugte, völlig gleichgültig ließe.

Nun, dafür würde er büßen!

»Ich bin einfach so gekommen und hab mich dazu gesellt.« Loj zuckte mit den Schultern. »Vom Ufer rübergesprungen. Ihr seid ganz nah vorbeigeschwommen. Mach dir keine Sorgen, der Kapitän weiß Bescheid und hat nichts dagegen. Wie heißt du? Ich heiße Loj Iwer.«

Und im gleichen Augenblick spürte sie den vor Eifersucht glühenden Blick des Mädchens auf sich. Sie war also aufgewacht. Na, macht nichts. Gleich würde die Kleine sich wieder auf die andere Seite drehen ... und süß weiterschlafen ... dafür würde Loj schon sorgen.

»Lass das, Loj«, sagte das Mädchen fest und ebenfalls kein bisschen verschlafen.

»Ach!«, brach es aus Loj heraus.

Ein kalter Granit. Eine eisige Wand. Stahl und Kristall, die von keinem Hammer der Welt zerschlagen werden konnten. Ein weißlich-goldener Schatten glitt auf sie zu, in wahnsinnigem Galopp. Die großen Augen des Mädchens hefteten sich auf Loj und überwanden den eilig errichteten Schutzwall.

»Lassen wir das«, bat das Mädchen plötzlich. »Wir sollten uns nicht streiten, Loj. Wir haben nichts zu teilen.«

»Geheim ...« Lojs Kehle weigerte sich beinahe, das Wort auszusprechen. »Der Geheime Clan ...«

»Was?« Der Mann blickte verwirrt auf seine Begleiterin. »Was ist das für ein Clan, Tel?«

Aha, Tel heißt du also; hoch erfreut, verehrte Rivalin, dachte Loj.

»Hast du ihn hergebracht?«

Tel nickte.

»Und du führst ihn auch weiter?«

Wieder nickte die andere.

»Vielleicht sagst du mir jetzt auch mal, wie du heißt?«, wandte sich Loj an den Mann.

»Viktor«, brummte dieser widerwillig.

»Was willst du, Viktor?«

Beim Anblick ihrer fassungslosen Gesichter beglückwünschte Loj sich in Gedanken selbst.

»Nun ja, was willst du selbst? Und nicht deine Gefährtin ... Tel.«

Der Mann mit Namen Viktor versank in Nachdenken. Es sah schön aus. Er dachte konzentriert nach, innerlich gesammelt. Ohne äußerliche Anspannung. Die Gedanken rollten dahin, gleich einer weichen Lawine. Seine Kraft schlummerte und war doch bereit, jeden Augenblick zu erwachen.

»Ich weiß es nicht«, verkündete er seine überraschende Schlussfolgerung. »Es gefällt mir hier ... Wenn diese psychopathischen Magier nicht wären ...«

Tel blickte die Zauberin der Katzen streng an.

»Solltest du Viktor nicht lieber reinen Wein einschenken?«, flötete Loj mit unschuldigem Stimmchen und setzte sich so hin, dass Viktor noch mehr von ihren Reizen zu sehen bekam.

Ach, wie sie solche Sätze liebte! Welcher Mann träumte nicht davon, alles zu erfahren, ganz gleich, wie trist das Ergebnis ausfallen würde!

Viktor jedoch schien sie nicht gehört zu haben. Und ihre bloßen, makellosen Beine sah er offensichtlich ebenfalls nicht. Er saß völlig reglos da, genau wie ein zum Sprung bereites Tier.

Und seine Kraft machte sich ebenfalls zum Sprung bereit. Er hatte vor irgendetwas Angst ... oder nein, er wartete auf etwas. Auf etwas sehr Unangenehmes. Und er glaubte ihr kein Wort. Was für eine traurige Entdeckung.

»Loj!« Das Mädchen hatte die Stirn gerunzelt. Das Oberhaupt der Katzen nahm ihr den familiären Umgangston nicht übel. Diese Tel vermochte viel ... sehr viel sogar. Mit ihr würde vermutlich nur Ritor fertig werden. Und auch der nicht, ohne ins Schwitzen zu geraten.

Sie war vom Geheimen Clan. Damit war alles gesagt.

»Was heißt da ›Loj‹? Findest du nicht, dass es unehrlich ist, Viktor so zu benutzen?«

Los jetzt, Junge, was schweigst du noch? Schüttle dich, reg dich auf, dann ist die Sache schon halb geritzt. Die Katze blickte den dunkelhaarigen Mann erwartungsvoll an.

Aber Viktor ließ seine Augen lediglich von Loj zu seiner Gefährtin hinüberwandern. Das war alles. Und Lojs Beine schienen ihn nach wie vor nicht zu interessieren.

Tel antwortete auf Lojs offenkundige Provokation nur mit einem Achselzucken. »So ist sein Schicksal. Da lässt sich nichts ändern. Wir sind zusammen von der Anderen Seite gekommen ...«

»Und natürlich hast du sein Schicksal schon bis zum Ende durchdacht, oder?« Wieder startete Loj einen kühnen Angriff. »Hast für ihn gedacht und ihn dabei gewiss nicht nach seinen Wünschen gefragt? Ihr vom Geheimen Clan seid so was von überheblich. Nehmen, ohne etwas dafür zu geben ...«