Wer kommt da von hinten angekrochen? Deine Freundin, letzter Drache? Lächerlich, dass sie es wagt, sich in unser Duell einzumischen! Ein Schlag mit der Flachseite, damit sie nicht stört, und das Mädchen fällt betäubt. Der Mann im schwarzen Harnisch schreit vor Wut auf - aber seine Kräfte reichen nicht mehr aus, allzu viel brodelt in seiner Seele, Liebe, Angst, Verzweiflung und erst an letzter Stelle Hass. Der Mann schreit und wendet für einen Moment den Blick ab, sieht zu der gestürzten Frau hinüber ...
Deine Zeit auf dieser Erde ist vorbei, Drache!
Ein Schlag, und der Säbel aus weißem Metall trifft die Beine des Ritters in Schwarz.
Du kannst die Flügel nicht mehr aufspannen, Drache!
Ein Schlag, und an der Klinge kocht das Blut, und das dünne Schwert fällt in den klebrigen Schmutz.
Ich nehme dir dein Leben, Drache!
Ein Schlag, und der schwarze Harnisch erzittert und gleitet wie eine Hülle vom Körper.
Für dich verlöscht das Licht, Drache!
Ein Schlag, und die hellen Haare werden dunkel, und er sieht die Augen des Drachen.
Noch ganz junge Augen.
Der Drachentöter lässt die Klinge sinken. Der Letzte der Drachen kniet vor ihm, er hat keine Kraft mehr zu stehen. Sein Leben verlässt ihn, mit jedem Herzschlag, mit jedem Atemzug.
Und doch kann er noch sprechen.
»Bist du glücklich, Drachentöter? Wärmt mein Tod deine Seele?«
Der Drachentöter rührt sich nicht. Drachen sind heimtückisch.
»Glaubst du wirklich ... man kann einen Drachen töten? Für immer töten?«
Wie langsam er stirbt. Wie viel Kraft in seinem Körper steckt - sogar jetzt, nachdem er ein Mensch geworden ist.
»Die Zeit wird kommen, Ritor. Die Zeit wird kommen, Töter der Drachen!«
Da ist eine Flamme in seinen Augen - goldene Funken, ein glitzernder Weg ins Nichts, ein Tunnel, durch den die Seele des Drachen fliegt. Sie jagt davon - weit, weit weg, und niemand kann sie einholen, niemand vermag ihren Flug zu unterbrechen. Da hilft kein Schwert, und auch nicht die Kraft der vier Elemente.
»Die Zeit wird kommen, da wirst du diesen Augenblick verfluchen. Du wirst den Drachen suchen, zur Verteidigung. Du wirst dich selbst umbringen, Ritor. Wirst töten, ohne zu begreifen, was du anrichtest. Du wirst wieder Böses tun im Namen des Guten, Ritor ...«
Ein Schwingen, und der silberne Stahl durchschneidet die Luft; wie kann sie es wagen zu prophezeien, diese erbärmliche,
Aber die Luft, die gehorsame Luft, ist ein Verräter. Und dem Drachen gelingt es, zu lächeln durch das Blut.
Durch das blutrote, blutrote, blutrote Blut ...
Der letzte Drache hatte die Mittelwelt verlassen.
Ritor, der die Weihen durchlaufen, der alle vier Elemente in sich aufgenommen hatte, ließ die Klinge sinken. Und der weiße Stahl, der das Leben der Geflügelten Herrscher getrunken hatte, zerfiel zu Staub.
So war es entschieden worden.
Der Drachentöter verliert die Kraft, wenn das letzte Opfer gestorben ist.
Nur der Hass bleibt.
Die Frau, die mit dem Drachen gekommen war, erhob sich vom Erdboden. Machte einen Schritt, fiel, kroch zum letzten der besiegten Herrscher hin. Sie war noch am Leben - denn sie war kein Drache.
Es gibt keine weiblichen Drachen!
Ritor schrie auf, als er begriff, dass er sich doch getäuscht hatte. Er hätte sie zuerst töten müssen! Was konnte er jetzt gegen sie ausrichten, so ohne Waffe, ohne die Kraft, jetzt, da auch für ihn der Regen wieder kalt und die Flamme verbrennend war. Was konnte er mit der Frau, die neben dem Körper des getöteten Drachen saß, tun?
Er drückte seine Finger an ihrem schmalen Hals zusammen. Stürzte sich mit seinem ganzen Gewicht auf sie und drückte die Frau auf die Erde. Sie setzte sich nicht einmal zur Wehr. Sie bebte vor Schluchzen, keuchte und schnappte nach Luft, während sie in die Augen des ehemaligen Drachentöters blickte.
Ritor begriff selbst nicht, wie es geschah.
Der Hass, der in seinen Adern kochte, der Hass: Du bist schuld. Er musste die Frau besitzen, direkt neben dem Leichnam des Herrschers.
Der Regen peitschte auf ihre Körper nieder, Wolken weißen Rauches zogen von dem brennenden Wald zu ihnen herüber, als Ritor in sich die Kraft fand, ihr in die Augen zu blicken. In die gleichmäßige gelbe Flamme, die einem Drachenfeuer glich.
Töte mich, bat sie schweigend.
Geh fort ... auch er sprach in Gedanken zu ihr.
Ich kann nirgendwohin mehr gehen. Und wozu soll ich noch leben, Ritor, Drachentöter?
Sie brauchten keine Worte, der Hass verband sie stärker miteinander als die Liebe.
Jetzt kann ich dich nicht töten. Geh fort. Ich lasse dich frei. Du bist keine Gefahr für die Mittelwelt. Keine Gefahr und kein Nutzen. Geh fort. Die Andere Seite wird dich aufnehmen und zu Ende bringen, was ich begann.
Das Feuer in ihren Augen flackerte heller.
Bist du sicher, Ritor? Ganz sicher, Drachentöter?
Unser Streit ruft ein Echo in jener Welt der Menschen ohne Kraft hervor. Feuer und Tod erwarten dich am Ende des Pfades. Du wirst sowieso nicht überleben. Geh fort.
Ich weiß nicht, ob du Gutes oder Böses tust. Aber auf jeden Fall begehst du einen Fehler, Drachentöter ...
Die Frau stand auf, und zu ihren Füßen wurde der Pfad sichtbar. Ritor, der Drachentöter, erhob sich ebenfalls vom Erdboden, der von Vergewaltigung und Tod entweiht war, und die Mittelwelt lag vor ihm, befreit von den Geflügelten Herrschern.
Die Kraft hatte den Drachentöter zuerst verlassen. Jetzt verließ ihn der Hass.
Er drehte sich um und versuchte durch den Regen die Frau des letzten Drachen zu sehen. Aber nur das Gold ihrer rotblonden Haare leuchtete in der Dunkelheit auf.
In der blutroten, blutroten, blutroten Dunkelheit ...
Sie wird sich für immer in deinen Augen festsetzen, Ritor ...
»Schlag ihm auf den Kopf, na los!« Wasjas Stimme war erschrocken und aufgeregt. »Mit einem Stock, damit die Tollheit vergeht! Dann kommt er zu sich - er wird sich noch bei dir bedanken! Das tut ihm nur gut!«
»Wehe, du wagst es ...« Viktor zwang sich, die Augen zu öffnen. Noch immer schwamm blutiger Rauch vor seinen Augen, aber der Hass, jener Hass, der das Herz des Drachentöters verbrannt hatte, war verschwunden. Über ihm hingen die erschrockenen Gesichter von Tel und dem Kutscher.
»Wieso?«, wunderte sich Wasja. »Mich haben sie auch schon zigmal mit einem Stock wieder zur Besinnung gebracht, damit die Tollheit sich nicht in einem festsetzt! Das weiß man doch ... Bist du zu dir gekommen? Wirst du auch nicht rumschreien und mit Händen und Füßen um dich schlagen?«
Seine Hände zitterten noch, vom Gewicht des Säbels aus weißem Metall, von der Angst und dem Ekel, vom Duell am Rande der Welt. Viktor schob Tel beiseite, kroch zum Rand des Wagens, blickte sich kurz um und übergab sich dann in den Straßenstaub.
»Er hat sich den Magen an der Milch verdorben«, sagte Wasja mit Entschiedenheit. »Eindeutig. Außerdem hat ihm die Hitze zugesetzt, und dann musste er sich noch deine Geschichten anhören!«