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»Wir haben nie zuvor einen solchen Fall zu verhandeln gehabt«, erklärte Fürst Alfred, Ritter des Schwertes, kategorisch.

»Wenn ein Edelmann vor dem Kapitel des Ordens erschien, damit ihm die Ritterschaft zugesprochen werde, gab es immer Zeugen, viele Zeugen. Er hatte dann die Möglichkeit, die Gründe für sein Handeln zu erklären. Niemand hat je daran gezweifelt, daß er seine Taten auch wirklich begangen hat. Aber Feuerklinges einzige Verteidigung...«

»...besteht darin, daß er Derek der Lüge bezichtigt«, beendete Fürst Michael Jeoffrey, Ritter der Krone, den Satz. »Und das ist undenkbar. Das Wort eines Edelmannes über das eines Ritters der Rose zu stellen!«

»Trotzdem wird der junge Mann zu Wort kommen«, sagte Fürst Gunther und blickte die beiden Männer streng an. »So lautet das Gesetz gemäß dem Maßstab. Stellt ihr es in Frage?«

»Nein...«

»Nein, natürlich nicht. Aber...«

»Na schön.« Gunther strich sich über den Schnurrbart, lehnte sich vor und schlug sanft mit dem Griff eines Schwertes Sturms Schwert – auf den Holztisch. Die beiden Ritter tauschten hinter seinem Rücken Blicke, einer hob seine Augenbrauen, der andere zuckte mit den Schultern. Gunther war sich dessen bewußt, so wie er sich aller heimlichen Intrigen und Ränke, die sich in der Ritterschaft abspielten, bewußt war. Er entschied sich, sie zu ignorieren.

Noch nicht stark genug, um die leere Stelle des Großmeisters zu besetzen, aber dennoch der stärkste und mächtigste Ritter, der dem Kapitel angehörte, war Gunther gezwungen, viele Dinge zu ignorieren, die er zu einer anderen Zeit und in einem anderen Alter ohne Zögern bekämpft hätte. Von Alfred Merkenin hatte er diese Untreue erwartet – der Ritter war seit langem in Dereks Lager, aber von Michael war er überrascht, er hatte ihn für loyal gehalten. Anscheinend hatte sich Derek auch an ihn herangemacht.

Gunther beobachtete Derek Kronenhüter. Derek war der einzige Rivale mit genügend Geld und Hintergrund, um den Rang eines Großmeisters beanspruchen zu können. In der Hoffnung, zusätzliche Stimmen zu gewinnen, hatte sich Derek freiwillig zu der gefährlichen Suche nach den legendären Kugeln der Drachen gemeldet. Gunther blieb nicht viel anderes übrig, als zuzustimmen. Wenn er sich geweigert hätte, wäre ihm das als Angst vor Dereks wachsender Macht ausgelegt worden. Derek war zweifellos am meisten qualifiziert – wenn man strikt dem Maßstab folgte. Aber Gunther, der Derek seit langer Zeit kannte, hätte seine Beteiligung an der Suche gern verhindert – nicht weil er den Ritter fürchtete, sondern weil er ihm nicht traute.

Der Mann war hochmütig und machthungrig, und – wenn es darauf ankam, galt Dereks Loyalität zuerst Derek.

Und jetzt sah es so aus, als hätte Derek nach seiner erfolgreichen Rückkehr mit einer Kugel der Drachen den Sieg davongetragen. Es hatte viele Ritter in sein Lager geführt, die sowieso in diese Richtung gesteuert hatten, und in der Tat auch einige Ritter aus Gunthers eigenen Reihen weggelockt. Die einzigen, die sich ihm immer noch widersetzten, waren die jüngeren Ritter auf den niedersten Rängen der Ritterschaft – die Ritter der Krone.

Diese jungen Männer hatten wenig Sinn für die strenge und starre Auslegung des Maßstabs, der für die älteren Ritter das Lebensblut darstellte. Sie drängten zu Veränderungen – und wurden von Fürst Derek Kronenhüter dafür schwer bestraft.

Einige standen kurz davor, ihre Ritterschaft zu verlieren. Diese jungen Ritter also standen geschlossen hinter Fürst Gunther.

Unglücklicherweise waren es nur wenige, und größtenteils verfügten sie über mehr Treue als Geld. Die jungen Ritter hatten jedoch Sturms Sache zu ihrer eigenen erklärt.

Aber das hier war Derek Kronenhüters Meisterstreich, dachte Gunther bitter. Mit einem Schwertstreich war Derek dabei, einen Mann, den er haßte, und gleichzeitig seinen Hauptrivalen zu erledigen.

Fürst Gunther war ein guter Freund der Familie Feuerklinge, eine Freundschaft, die über Generationen zurückreichte. Es war Gunther gewesen, der Sturms Anspruch unterstützt hatte, als der junge Mann fünf Jahre zuvor aus dem Nichts erschienen war, um seinen Vater und sein Erbe zu suchen. Sturm war in der Lage, mit Briefen seiner Mutter sein Recht auf den Namen Feuerklinge zu beweisen. Einige wenige gaben zu verstehen, daß es sich um eine Fälschung handeln könnte, aber Gunther unterdrückte unverzüglich diese Gerüchte. Der junge Mann war offensichtlich der Sohn seines alten Freundes – das konnte er schon an Sturms Gesicht erkennen. Aber durch seine Unterstützung riskierte der Fürst eine Menge.

Gunthers Blick schweifte zu Derek, der zu den Rittern ging, lächelte und Hände schüttelte. Ja, diese Verhandlungen ließen ihn – Fürst Gunther Uth Wistan – als Narr erscheinen.

Noch schlimmer war, dachte Gunther traurig, während seine Augen wieder zu Sturm wanderten, daß vermutlich die Karriere eines Mannes zerstört werden würde, den er für sehr fähig hielt, ein Mann, der es wert war, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten.

»Sturm Feuerklinge«, sagte Fürst Gunther, als wieder Ruhe eingekehrt war, »du hast die Anschuldigungen gegen dich gehört?«

»Das habe ich, mein Fürst«, antwortete Sturm. Seine tiefe Stimme echote unheimlich in der Halle. Plötzlich fiel ein Holzscheit am riesigen Kamin hinter Gunther auseinander, ließ das Feuer aufflackern und Funken rieseln. Gunther hielt inne, während die Diener rasch herbeieilten, um Holz nachzulegen. Als die Diener verschwunden waren, setzte er das Frageritual fort.

»Hast du, Sturm Feuerklinge, die Anklagen gegen dich verstanden, und verstehst du weiterhin, daß dies schwerwiegende Anklagen sind, die das Kapitel veranlassen könnten, dich für die Ritterschaft als ungeeignet zu erachten?«

»Das habe ich«, wollte Sturm erwidern. Seine Stimme brach.

Er hustete und wiederholte mit festerer Stimme: »Das habe ich, mein Fürst.«

Gunther strich sich über seinen Schnurrbart, versuchte nachzudenken, wie er fortfahren sollte, denn ihm war klar, daß alles, was der junge Mann gegen Derek sagen würde, sich ungünstig für Sturm auswirken könnte.

»Wie alt bist du, Feuerklinge?« fragte Gunther.

Sturm blinzelte bei dieser unerwarteten Frage.

»Über dreißig, glaube ich?« fragte Gunther nachdenklich.

»Ja, mein Fürst«, antwortete Sturm.

»Und was uns Derek über deine Leistungen im Schloß von Eismauer erzählt hat, ein geübter Krieger...«

»Das habe ich nie bestritten, mein Fürst«, sagte Derek, der sich von seinem Sitz erhoben hatte. Seine Stimme klang ungeduldig.

»Und dennoch beschuldigst du ihn der Feigheit«, sagte Gunther scharf. »Wenn ich mich richtig erinnere, hast du erklärt, daß er sich bei dem Angriff der Elfen weigerte, deinen Befehl, zu kämpfen, zu befolgen.«

Dereks Gesicht lief rot an. »Darf ich daran erinnern, daß nicht ich mich vor Gericht verantworten muß...«

»Aber du beschuldigst Feuerklinge der Feigheit vor dem Feind«, unterbrach ihn Gunther. »Es ist schon sehr viele Jahre her, daß die Elfen unsere Feinde waren.«

Derek zögerte. Die anderen Ritter wurden unruhig. Die Elfen waren Mitglieder des Treffens von Weißstein, auch wenn sie kein Stimmrecht hatten. Wegen der Entdeckung der Kugel der Drachen würden die Elfen am bevorstehenden Treffen teilnehmen, und es wäre sehr ungünstig, wenn sie erführen, daß die Ritter sie als Feinde betrachteten.

»Vielleicht ist ›Feind‹ ein zu starkes Wort, mein Fürst«. Derek hatte sich schnell wieder erholt. »Wenn ich einen Fehler gemacht habe, dann ist der Grund dafür einfach der, daß ich gezwungen bin, mich an den Schriften des Maßstabs zu orientieren. In der Zeit, von der ich spreche, haben die Elfen – obwohl es natürlich nicht unsere Feinde sind – alles versucht, uns daran zu hindern, die Kugel der Drachen nach Sankrist zu bringen. Da es meine Mission war – und die Elfen sich dem widersetzten -, war ich gezwungen, sie gemäß dem Maßstab als ›Feind‹ zu definieren.«

Schleimiger Bastard, dachte Gunther finster.