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Die Ausbrecher teilten sich mühelos in zwei Flügel von je fünfzig bis sechzig Mann, als wären sie Soldaten bei einer Übung, und stürzten auf den Zaun beiderseits des Ladens zu. Entweder wussten sie nicht, dass der Draht mit einer tödlich wirkenden Stromspannung geladen war, oder es war ihnen egal. Der große Pulk, der folgte, stürmte direkt auf die Rückseite des Ladens zu. Das war der Schwachpunkt der Umzäunung, aber das machte nichts. Kurtz dachte, es würde schon alles gut gehen.

In keinem seiner Eventualpläne hatte er dieses Szenario berücksichtigt: Zwei- bis dreihundert übergewichtige Novemberkrieger setzten zu einem tollkühnen Kamikaze-Angriff an. Er hatte von ihnen nie etwas anderes erwartet, als dass sie blieben, wo sie waren, und lauthals auf ihre Rechte pochten, bis sie dann gegrillt würden.

»Nicht schlecht, Jungs«, sagte Kurtz. Jetzt roch er statt-dessen noch etwas anderes in Flammen aufgehen - wahrscheinlich seine Militärlaufbahn -, aber das Ende war ja sowieso nah, und hatte er sich für den Schluss nicht einen mordsmäßigen Einsatz ausgesucht? Wie Kurtz es sah, spielten die grauen Männchen aus dem All absolut die zweite Geige. Wäre es nach ihm gegangen, dann hätte die Schlagzeile gelautet: unfassbar! Amerikaner zeigen heutzutage Rückgrat! Hervorragend. Es war fast schade, sie abzuschlachten.

Die Alarmsirene heulte in die verschneite Nacht hinaus. Die erste Menschenwelle brandete hinten an den Laden. Kurtz konnte förmlich sehen, wie das Haus bis in die Grundfesten erschüttert wurde.

»Diese verdammte Telepathie«, sagte Kurtz grinsend. Er sah seine Jungs eingreifen, die Ersten kamen aus den Wachhäuschen, und weitere liefen vom Fuhrpark, der Intendantur und den Wohncontainern herbei, die als Feldlager dienten.

Dann schwand das Lächeln auf Kurtz' Gesicht allmählich und wich einer verwirrten Miene. »Knallt sie ab«, sagte er. »Wieso knallt ihr sie nicht ab?«

Einige feuerten, aber es waren nicht genug, längst nicht genug. Kurtz meinte Panik zu wittern. Seine Männer schössen nicht, weil sie Muffensausen hatten. Oder weil sie wuss-ten, dass sie als Nächste dran waren.

»Diese verdammte Telepathie«, sagte er wieder, und plötzlich eröffneten im Laden automatische Gewehre das Feuer. In den Fenstern des Büros, in dem er und Owen Un-derhill ihr einleitendes Gespräch geführt hatten, blitzte Trommelfeuer auf. Zwei Fenster platzten. Ein Mann versuchte, durch das zweite Fenster zu entkommen, und Kurtz erkannte ihn als George Udall, ehe George an den Beinen wieder hineingezerrt wurde.

Wenigstens kämpften die Jungs in dem Büro, aber sie hatten ja auch keine andere Wahl; da drinnen kämpften sie um ihr Leben. Die Bürschchen, die gelaufen gekommen waren, liefen größtenteils immer noch umher. Kurtz überlegte, den Stiefel fallen zu lassen und seine Pistole zu ziehen. Ein paar Ausbrecher abzuknallen. Seine Quote zu erfüllen. Warum nicht, da um ihn her ohnehin alles in Trümmer fiel?

Underhill - deswegen nicht. Owen Underhill steckte auf irgendeine Weise hinter diesem GAU. Das wusste Kurtz so genau, wie er seinen eigenen Namen wusste. Das hier stank förmlich nach Grenzüberschreitung, und Grenzüberschreitung war Owen Underhills Spezialgebiet.

Weiter Schießerei in Gosselins Büro ... Schmerzensschreie ... dann Triumphgebrüll. Die computerkundigen, Evian trinkenden, Salat essenden Goten hatten ihr Ziel erreicht. Kurtz knallte die Tür des Winnebago vor diesem Anblick zu und eilte zurück in sein Schlafzimmer, um Freddy Johnson zu rufen. Er hielt immer noch den Stiefel in der Hand.

Cambry kniete hinterm Schreibtisch des alten Gosselin, als die erste Welle der Internierten hereinbrandete. Er riss alle Schubladen auf und suchte verzweifelt nach einer Waffe. Dass er keine fand, rettete ihm höchstwahrscheinlich das Leben.

»LOS! LOS! LOS!«, brüllten die Internierten. Die Rückseite des Ladens erbebte unter einem gewaltigen Schlag, wie von einem Laster gerammt. Von draußen hörte Cambry ein lautes Knistern und Brutzeln, als die ersten Internierten im Zaun landeten. Das Licht im Büro fing an zu flackern.

»Zusammenhalten, Männer!«, rief Danny O'Brian. »Um der Liebe Christi willen, haltet zu-«

Die Hintertür sprang mit solcher Wucht aus den Angeln, dass sie buchstäblich quer durch den Raum flog und dabei die ersten Männer abschirmte, die brüllend dahinter ins Zimmer stürzten. Cambry duckte sich und hielt sich die Hände über den Kopf, und die Tür landete schräg auf dem Schreibtisch, unter dem er hockte.

Der Lärm der auf automatisches Feuer gestellten Gewehre war in dem engen Raum ohrenbetäubend und übertönte sogar noch die Schreie der Verwundeten, doch trotzdem bekam Cambry mit, dass sie nicht alle feuerten. Trezewski, Udall und O'Brian schössen, aber Coleman, Everett und Ray Parsons standen nur dumm glotzend da, die Gewehre im Anschlag.

Von seiner unverhofften Zufluchtsstätte aus sah Gene Cambry die Internierten in den Raum stürmen und die ersten Männer, von Kugeln getroffen, wie Vogelscheuchen umkippen; er sah ihr Blut an die Wände und auf die Bohnenessen-Ankündigungen und Arbeitsschutzrichtlinien spritzen. Er sah George Udall sein Gewehr zwei massigen jungen Männern in Orange entgegenschleudern, dann herumwirbeln und zu einem der Fenster stürzen. George wäre fast entkommen und wurde dann zurückgerissen; ein Mann, der auf der Wange einen muttermalförmigen Ripleyfleck hatte, schlug seine Zähne in Georges Wade, als wäre sie ein Putenschenkel; und ein anderer Mann stellte den kreischenden Kopf an Georges anderem Ende ruhig, indem er ihn einmal kurz nach links riss. Die Luft war zwar blau vor Pulverdampf, aber Cambry sah, wie AI Coleman sein Gewehr wegwarf und in den Sprechchor einstimmte — »Los! Los! Los!« Und er sah, wie Ray Parsons, normalerweise eine Seele von Mensch, sein Gewehr auf Danny O'Brian richtete und ihm das Hirn rauspustete.

Jetzt war alles ganz einfach. Jetzt hieß es nur noch: Infizierte gegen Immune.

Der Schreibtisch wurde an die Wand gerammt. Die Tür fiel auf Cambry, und ehe er aufstehen konnte, liefen Menschen darüber und quetschten ihn ein. Er kam sich wie ein Cowboy vor, der vom Pferd zwischen fliehende Rinder gefallen war. Ihr zerquetscht mich, dachte er, und dann war die mörderische Last für einen Moment von ihm genommen. Er kämpfte sich unter Einsatz aller Kräfte auf die Knie, die Tür rutschte nach links von ihm herunter, und er bekam zum guten Schluss noch einen sehr schmerzhaften Hüftstoß mit dem Türknauf ab. Jemand verpasste ihm im Vorbeigehen einen Tritt in die Rippen, ein Stiefel schrammte an seinem rechten Ohr entlang, und dann stand er. Die Luft im Zimmer war voller Rauch und Geschrei. Vier oder fünf stämmige Jäger wurden auf den Holzofen geschleudert, der von seinem Ofenrohr riss, krachend umstürzte und dabei brennende Ahornscheite auf den Boden warf. Geldscheine und Spielkarten fingen Feuer. Der Gestank schmelzender Plastik-Pokerchips breitete sich aus. Das waren Rays, fiel Cambry ein. Die hatte er auch am Golf mit dabei. Und in Bosnien.

Niemand beachtete ihn in dem Tohuwabohu. Die ausbrechenden Internierten mussten nicht durch die Tür zwischen Büro und Laden; sie hatten die ganze dünne Wand dazwi-sehen eingerissen. Und deren Bruchstücke entflammten sich enfalls am umgekippten Ofen.

»Los«, murmelte Gene Cambry. »Los.« Er sah Ray Par-sons mit den anderen zur Front des Ladens laufen, und Howie Everett folgte ebenfalls. Er schnappte sich eine Tüte Brot, als er durch den Mittelflur zum Haupteingang lief.

Ein dürrer Alter, der eine mit Troddeln verzierte Mütze und einen dicken Mantel trug, wurde bäuchlings auf den umgestürzten Ofen gestoßen und dann platt getrampelt. Cambry hörte seine kreischenden Schreie, als sein Gesicht auf dem Metall auftraf und zu schmoren begann.