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»Und schau dir das an.«

Biber wies auf den Dielenboden, auf dem Blut zu sehen war, eine Spur größerer Tröpfchen, die von der offenen Tür zur geschlossenen verlief. Als hätte McCarthy Nasenbluten gehabt.

Nur dass Jonesy nicht glaubte, dass es seine Nase war, die da geblutet hatte.

Von all den Dingen in seinem Leben, gegen die er sich gesträubt hatte - seinen Bruder Mike anzurufen und ihm zu sagen, dass ihre Mutter an einem Herzinfarkt gestorben sei, Carla zu sagen, dass sie mit dem Schnaps und den ganzen Medikamenten Schluss machen müsse, sonst würde er sie verlassen, Big Lou, seinem Hüttenwart im Camp Agawam, zu gestehen, dass er ins Bett gemacht hatte -, fiel es ihm jetzt am schwersten, durch den großen Hauptraum ihrer Hütte zu der geschlossenen Badezimmertür zu gehen. Es war wie in einem Albtraum, in dem man immer mit der gleichen traumwandlerischen Unterwassergeschwindigkeit vorankam, ganz egal, wie schnell man die Beine bewegte.

In bösen Träumen kam man nie dort an, wohin man wollte, aber sie schafften es, den Raum zu durchqueren, und daher ging Jonesy davon aus, dass es wohl doch kein Traum war. Sie standen da und betrachteten die Blutspritzer. Sie waren nicht sehr groß, der größte wie eine kleine Münze.

»kr hat wohl noch einen Zahn verloren«, sagte Jonesy, immer noch flüsternd. »Das ist es wahrscheinlich.«

Der Biber sah ihn an und hob eine Augenbraue. Dann ging er zum Schlafzimmer und schaute hinein. Einen Moment später drehte er sich zu Jonesy um und winkte ihn herbei. Jonesy ging hinüber und ließ dabei die Badezimmertür nicht aus dem Blick.

Im Schlafzimmer lag die Bettdecke am Boden, als wäre McCarthy ganz plötzlich und in aller Eile aufgestanden. Sein Kopfabdruck war noch auf dem Kissen zu sehen, und der Umriss seines Körpers zeichnete sich auf dem Laken ab. Und etwa in der Mitte des Eakens war ein großer Blutfleck. Auf dem blauen Tuch sah er lila aus.

»Dem fallen die Zähne aber an komischen Stellen aus«, flüsterte Biber. Er biss auf den Zahnstocher, den er im Mund hatte, und die vordere Hälfte fiel auf die Türschwelle. »Vielleicht hofft er, von der Arschfee einen Vierteldollar zu kriegen.«

Jonesy erwiderte nichts. Vielmehr zeigte er nach links. Neben der Tür lagen in einem Knäuel McCarthys lange Unterhose und der Jockey-Slip, den er darunter getragen hatte. Beide waren mit Blut verkrustet. Den Slip hatte es am schlimmsten erwischt; vom Bund und dem oberen Rand des Eingriffs abgesehen, hätte man meinen können, er wäre von Hause aus knallrot, ein Slip, wie ihn ein Anhänger des Penthouse-Forums anziehen würde, dem für den Abend noch Großes vorschwebte.

»Guck mal im Nachttopf nach«, flüsterte Biber.

»Wieso klopfen wir nicht einfach an der Badtür an und fragen ihn, wie's ihm geht?«

»Weil ich, verdammt noch mal, wissen will, womit ich da zu rechnen habe«, antwortete Biber energisch flüsternd. Er klopfte sich auf die Brust und spuckte dann die faserigen Reste des Zahnstochers aus. »Mann, mir geht vielleicht die Düse.«

Jonesy hatte auch Herzklopfen, und er spürte, wie ihm Schweiß übers Gesicht lief. Trotzdem betrat er das Zimmer.

Die kalte, frische Luft, die von der Hintertür kam, hatte den Hauptraum ordentlich durchgelüftet, aber hier drinnen stank es immer noch widerlich - nach Scheiße und Grubengas und Äther. Jonesy spürte, wie ihm das bisschen Essen, das er zu sich genommen hatte, hochkam, und zwang sich, nicht zu kotzen. Er ging zum Nachttopf und brachte es zunächst nicht über sich hineinzuschauen. Ein halbes Dutzend Horrorfilmbilder dessen, was ihn möglicherweise darin erwartete, wirbelten ihm durch den Kopf. Eingeweide in Blutsuppe. Zahne. Ein abgetrennter Kopf.

»Mach schon!«, flüsterte Biber.

Jonesy kniff die Augen zu, neigte den Kopf, hielt den Atem an und schlug dann wieder die Augen auf. Nur sauberes Porzellan schimmerte im Licht der Deckenlampe. Der Nachttopf war leer. Jonesy stieß durch zusammengebissene Zähne Luft aus und ging dann zurück zum Biber, wobei er den Blutspritzern auf dem Boden auswich.

»Nichts«, sagte er. »Also los! Kein Rumgekasper mehr!«

Sie gingen am Wandschrank vorbei und standen dann vor der geschlossenen Badezimmertür aus Kiefernholz. Biber sah Jonesy an. Jonesy schüttelte den Kopf. »Du bist dran«, sagte er. »Ich hab in den Pisspott geguckt.«

»Du hast ihn hergebracht«, entgegnete Biber flüsternd und blieb hartnäckig. »Du machst das.«

Jetzt hörte Jonesy noch etwas anderes - hörte es, ohne genau hinzuhören, zum Teil, weil ihm dieses Geräusch vertraut war, aber größtenteils, weil er so auf McCarthy fixiert war, auf den Mann, den er um ein Haar erschossen hatte. Ein Wupp-wupp-wupp, leise noch, aber es wurde lauter und kam näher.

»Ach, Scheiße, was soll's«, sagte Jonesy, und obwohl er m ganz normalem Tonfall sprach, war es doch laut genug, dass sie beide zusammenzuckten. Er klopfte an die Tür. »Mr. McCarthy! Rick! Alles in Ordnung mit Ihnen?«

& wird nicht antworten, dachte Jonesy. Er wird nicht antworten, denn er ist tot. Er ist tot und sitzt auf dem Thron, genau wie Elvis.

Doch McCarthy war nicht tot. Er stöhnte und sagte: »Ich bin ein bisschen krank, Jungs. Mir fehlt ein anständiger Stuhlgang. Wenn ich Stuhlgang gehabt habe, geht es mir gleich —« Dann stöhnte er wieder, und dann hörte man einen Furz. Diesmal nicht so laut, und es hörte sich fast flüssig an. Jonesy verzog das Gesicht. »- geht es mir gleich viel besser«, schloss McCarthy. Für Jonesy hörte es sich nicht so an, als würde es dem Mann jemals wieder besser gehen. Er hörte sich an, als bekäme er kaum Luft und litte Schmerzen. Wie um das zu unterstreichen, stöhnte McCarthy noch einmal, diesmal lauter. Es folgte wieder dieses flüssig klingende Reißen, und dann schrie McCarthy auf.

»McCarthy!« Biber rüttelte am Türknauf, aber der ließ sich nicht bewegen. McCarthy, ihr kleines Mitbringsel aus dem Wald, hatte von innen abgeschlossen. »Rick!« Der Biber rüttelte am Türknauf. »Mach auf, Mann!« Biber gab sich Mühe, unbeschwert zu klingen, so als wäre die ganze Sache nur ein Scherz, ein Ulk unter Freunden, aber dadurch klang er nur noch verängstigter.

»Mir geht's gut«, sagte McCarthy. Jetzt keuchte er. »Ich muss ... Jungs, ich muss bloß ein bisschen Platz schaffen.« Man hörte weitere Blähungen. Es wäre lächerlich gewesen, was sie da hörten mit »einen fahren lassen« oder »Wind streichen lassen« zu umschreiben - das waren vage gehaltene Redewendungen, leicht und luftig wie Baiser. Die Geräusche, die durch die verschlossene Tür drangen, klangen brutal, nach reißendem Fleisch.

»McCarthy!«, sagte Jonesy. Er klopfte. »Lassen Sie uns rein!« Aber wollte er da rein? Nein, wollte er nicht. Er wünschte, McCarthy würde immer noch durch den Wald irren oder wäre von jemand anderem gefunden worden. Ja, schlimmer noch: Die Amygdala in seinem Stammhirn, dieses gewissenlose Reptil, wünschte, er hätte McCarthy gleich auf der Stelle erschossen. »Je einfacher, desto besser«, wie sie in Carlas Seminaren bei Narcotics Anonymous immer sagten. »McCarthy!«

»Haut ab!«, rief McCarthy schwach, aber bestimmt. »Können Sie nicht Weggehen und einen Mann ... sein Geschäft machen lassen? Manno!«

Wupp-wupp-ivupp - jetzt lauter und näher.

»Rick!« Das war wieder der Biber. Er hielt fast verzweifelt an diesem unbeschwerten Ton fest, klang wie ein Bergsteiger in schwieriger Lage an seinem Seil. »Woraus blutest du denn, Mann?«

»Bluten?« McCarthy klang aufrichtig verblüfft. »Ich blute nicht.«

Jonesy und Biber schauten einander verängstigt an.

WUPP- WUPP- WUPP!

Jetzt errang das Geräusch endlich Jonesys ungeteilte Aufmerksamkeit, und er verspürte eine immense Erleichterung. »Das ist ein Hubschrauber«, sagte er. »Die suchen bestimmt nach ihm.«

»Meinst du?« Bibers Gesichtsausdruck besagte: Das wäre zu schön, um wahr zu sein.