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Das entsprach nicht so ganz der Wahrheit - es entsprach eigentlich überhaupt nicht der Wahrheit -, aber niemand kämpfte so entschlossen wie ein verängstigter Soldat. Das wusste Kurtz aus Erfahrung.

»Jungs, unsere kleinen grauen Freunde können Gedanken lesen und scheinen diese Fähigkeit durch die Luft an uns weiterzugeben. Wir bekommen das ab, auch wenn wir den Pilz nicht abbekommen, und ihr mögt zwar denken, dass ein bisschen Gedankenlesen ganz spaßig sein könnte und ihr damit auf jeder Party groß rauskommt, aber ich kann euch sagen, was dann bald folgt: Schizophrenie, Paranoia, gestörtes Realitätsempfinden und insgesamt der unwiderrufliche, ich wiederhole: D El? UNWIDERRUFLICHE WAHNSINN. Die Experten, Gott segne sie, glauben, dass diese Telepathie nur ein vorübergehendes Phänomen ist, aber ich muss euch nicht sagen, was uns da blühen würde, wenn man den Grauen gestatten würde, sich hier niederzulassen und häuslich einzurichten. Ich möchte, dass ihr euch sehr aufmerksam anhört, was ich euch jetzt sage. Ich möchte, dass ihr zuhört, als hinge euer Leben davon ab, klar? Wenn die uns entführen, Jungs -ich wiederhole: Wenn die uns entführen - und ihr wisst alle, dass es Entführungen gegeben hat, die meisten Leute, die behaupten, von Außerirdischen entführt worden zu sein, lügen, dass sich sämtliche Balken biegen, aber nicht alle -, dann implantieren sie denen, die sie wieder freilassen, vorher oft etwas. Manchen weiter nichts als Werkzeuge -Sender vielleicht oder so eine Art Abhörgeräte -, aber einige bekamen auch Lebewesen implantiert, die ihren Wirt auffressen, sich an ihm mästen und ihn dann in Stücke reißen. Diese Implantate wurden von eben den Wesen eingepflanzt, die ihr da unten seht, wie sie alle ganz nackt und unschuldig da herumlaufen. Sie behaupten, nichts Ansteckendes zu haben, wissen aber, dass sie bis Oberkante Unterlippe voll davon sind. Ich sehe diese Viecher seit über fünfundzwanzig Jahren am Werk, und ich sage euch, das hier ist es, das ist die Invasion, das ist die Entscheidungsschlacht, und ihr Jungs seid unsere Verteidigung. Das sind keine wehrlosen kleinen ETs, die nur darauf warten, dass man ihnen eine Telefonkarte der New England Tel gibt, damit sie nach Hause telefonieren können, das ist eine Krankheit. Sie sind Krebs, gelobt sei der Herr, und Jungs, wir sind eine große, hoch dosierte, radioaktive Chemotherapie-Injektion. Hört ihr mich, Jungs?« Diesmal keine Bestätigung. Kein Roger, kein Verstanden, ehliges Hurrageschrei, nervös und neurotisch, bebend vor Übereifer. Kurtz' Kopfhörer dröhnte davon.

»Krebs, Jungs. Sie sind Krebs. Besser kann ich es nicht ausdrücken, und ihr wisst ja, ich bin kein großer Redner. Owen, haben Sie verstanden?«

»Verstanden, Boss.« Ganz nüchtern. Nüchtern und ruhig, der Scheißkerl. Na, sollte er doch cool sein. Sollte er doch cool sein, solange er noch konnte. Mit Owen Underhill war es sowieso zu Ende. Kurtz hob den Papierhut und betrachtete ihn bewundernd. Owen Underhill war erledigt.

»Was ist da unten, Owen? Was regt sich da rund ums Schiff? Was hat vergessen, sich Hosen und Schuhe anzuziehen, ehe es heute Morgen aus dem Haus gegangen ist?«

»Der Krebs, Boss.«

»Genau. Jetzt geben Sie den Befehl, und dann schlagen wir los. Ich will was hören, Owen.« Und da er wusste, dass die Männer in den Kampfhubschraubern ihn beobachteten (noch nie hatte er eine solche Predigt gehalten, noch nie, und kein Wort davon war vorformuliert, höchstens in seinen Träumen), drehte er ganz bewusst seine eigene Mütze nach hinten.

Owen sah, wie Tony Edwards seine Mets-Kappe umdrehte, sodass ihm der Schirm in den Nacken hing, und hörte Bry-son und Bertinelli die 50er durchladen, und da wurde ihm klar, dass es jetzt wirklich losging. Jetzt schlugen sie los. Entweder stieg er ins Auto ein und fuhr mit, oder er blieb auf der Straße stehen und wurde überfahren. Das war die einzige Wahl, die Kurtz ihm gelassen hatte.

Und da war noch etwas, eine unangenehme Erinnerung aus der Zeit, als er - wie alt? Acht? Sieben? Vielleicht sogar noch jünger gewesen war. Er war draußen auf dem Rasen ihres Hauses gewesen, dem Haus in Paducah, und sein Vater war noch bei der Arbeit und seine Mutter auch irgendwo, wahrscheinlich in der Grace Baptist, wo sie einen der unzähligen Kirchenbasare vorbereitete (und im Gegensatz zu Kurtz meinte Randi Underhill es auch so, wenn sie »gelobt sei der Herr« sagte), und nebenan bei den Rapeloews war ein Krankenwagen vorgefahren. Ohne Sirenen, aber mit jeder Menge Blaulicht. Zwei Männer in Overalls, ganz ähnlich wie der, den Owen jetzt trug, waren die Einfahrt der Rapeloews hochgelaufen und hatten dabei, ohne aus dem Schritt zu kommen, eine schimmernde Bahre ausgeklappt. Es war wie ein Zaubertrick.

Keine zehn Minuten später kamen sie mit Mrs. Rapeloew auf der Bahre wieder raus. Sie hatte die Augen geschlossen. Mr. Rapeloew folgte ihnen und vergaß ganz, hinter sich die Haustür zu schließen. Mr. Rapeloew, der ungefähr so alt war wie Owens Daddy, sah mit einem Mal so alt aus wie ein Opa. Das war noch so ein Zaubertrick. Mr. Rapeloew schaute nach rechts, als die Männer seine Frau in den Krankenwagen luden, und sah Owen, der da in kurzer Hose auf dem Rasen kniete und mit seinem Ball spielte. Sie sagen, es war ein Schlag!, rief Mr. Rapeloew. St. Mary's Memorial! Sag das deiner Mutter, Owen! Und dann stieg er hinten in den Krankenwagen, und der Krankenwagen fuhr davon. Vielleicht fünf Minuten lang spielte Owen weiter mit seinem Ball, warf ihn hoch und fing ihn auf, und zwischendurch schaute er immer mal wieder zu der Tür hinüber, die Mr. Rapeloew hatte offen stehen lassen, und dachte, er sollte sie zumachen. Sie zu schließen, wäre das gewesen, was seine Mutter immer einen Akt christlicher Nächstenliebe nannte.

Schließlich stand er auf und ging hinüber in den Garten der Rapeloews. Die Rapeloews waren immer gut zu ihm gewesen. Nichts Besonderes (»Nichts weswegen man mitten in der Nacht aufstehen und einen Brief nach Hause schreiben würde«, wie seine Mutter gesagt hätte) aber Mrs. Rapeloew buk immer viele Kekse und vergaß nie, ihm welche aufzuheben; und viele, viele Schalen Zuckerguss und Keksteig hatte er m der Küche der pummeligen, immer gut gelaunten Mrs.

Rapeloew schon ausgekratzt. Und Mr. Rapeloew hatte ihm beigebracht, Papierflieger zu falten, die tatsächlich flogen. Sogar drei unterschiedliche Modelle. Also hatten die Rape-loews Nächstenliebe, christliche Nächstenliebe verdient, aber als er durch die offen stehende Tür ihr Haus betrat, wusste er nur zu gut, dass er nicht aus christlicher Nächstenliebe dort war. Von christlicher Nächstenliebe kriegte man keinen steifen Schniedel.

Fünf Minuten lang - oder vielleicht war es auch eine Vierteloder eine halbe Stunde gewesen, die Zeit verging wie im Traum - war Owen einfach nur durch das Haus der Rape-loews gewandert, ohne weiter irgendwas zu tun, und die ganze Zeit über war sein Schniedel hart wie Stein gewesen, so hart, dass er wie ein zweiter Herzschlag pochte, und er hätte gedacht, dass so etwas wehtut, aber das hatte es nicht, nein, es hatte sich schön angefühlt, und viele Jahre später erkannte er in diesem schweigenden Umherwandern das, was es in Wirklichkeit gewesen war: Vorspiel. Dass er nichts gegen die Rapeloews hatte, dass er die Rapeloews eigentlich sogar mochte, machte es irgendwie nur noch schöner. Hätte man ihn dabei erwischt (dazu kam es nicht) und gefragt, warum er das getan hatte, dann hätte er ganz ehrlich sagen können: Ich weiß es nicht.