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Blick hinzugekommen, Jonesy, der verunglückt war und allzu bereit aussah, die ganz große Platter zu machen. Sie sagten, sein Zustand wäre stabil, aber Henry hatte eher »kritisch« im Blick seines alten Freundes abgelesen. Mitgefühl mit dem Teufel? Also bitte. Es gab keinen Gott, keinen Teufel, kein Mitgefühl. Und sobald einem das klar wurde, hatte man ein Problem. Dann waren die Tage als geschätzter, zahlender Kunde in diesem großen Vergnügungspark der US-Kultur gezählt.

Er hörte sich wieder singen - But what's puzzling you is the nature ofmy game - und zwang sich, damit aufzuhören. Aber was sonst? Irgendwas völlig Stumpfsinniges. Etwas Stumpfsinniges und Sinnloses, das einem aber nicht mehr aus dem Kopf ging, etwas, das förmlich vor USA troff. Wie wäre es mit diesem Song von den Pointer Sisters? Das wäre doch gut.

Er schaute auf die schlurfenden Skier und die wellige Spur des Schneemobils hinunter und fing an zu singen. Bald wiederholte er es immer wieder, mit tonlosem Flüstern, während er sich die Hemden durchschwitzte und ihm die Rotze aus der Nase lief und auf der Oberlippe gefror: »I know tue can make it, I know we can, ive can work it out, yes we cancan y es we can yes we can ...«

Besser. Schon viel besser. Das ewige Yes we can war ungefähr so amerikanisch wie ein Ford-Pickup auf dem Parkplatz vor einer Bowlingbahn, wie ein Unterwäsche-Ausverkauf bei J. C. Penney oder ein toter Rockstar in der Badewanne.

9

Und so kam er schließlich wieder zu dem Unterstand, an dem er Pete und die Frau zurückgelassen hatte. Pete war fort. Von ihm war nichts mehr zu sehen, rostige Wellblechdach war eingestürzt, aber Henry

hievte es hoch und schaute darunter wie unter eine metallene Bettdecke, um sicherzugehen, dass Pete nicht darunter lag. Er nicht, aber die Frau. Sie war dorthin gekrochen oder bewegt worden, von der Stelle weg, an der sie gelegen hatte, als Henry zur Hütte aufgebrochen war, und irgendwann war sie dann an einem schweren Fall von Tod gestorben. Ihre Kleidung und ihr Gesicht waren von dem rostfarbenen Schimmelpilz überzogen, der sich auch in ihrer Hütte breitgemacht hatte, und Henry fiel etwas Bemerkenswertes auf: Während der Pilz auf ihr gut gedieh (besonders in den Nasenlöchern und an dem einen sichtbaren Auge, wo er förmlich wucherte), ging es dem Pilz, der sich um sie herum ausgebreitet hatte und sie wie ein schartiges Sonnenrad umgab, nicht sonderlich gut. Der Pilz hinter ihr, auf der vom Feuer abgewandten Seite, war grau geworden und nicht weiter gewachsen. Dem Pilz vor ihr ging es ein wenig besser - er hatte Wärme abbekommen, und auf dem Boden, auf dem er wuchs, war der Schnee geschmolzen -, aber die Spitzen der Ranken nahmen die pulverig graue Farbe vulkanischer Asche an.

Henry war sich ziemlich sicher, dass er einging.

Und auch mit dem Tageslicht war es bald vorbei, daran bestand kein Zweifel. Henry ließ das rostige Wellblech auf Becky Shues Leichnam und die noch glühenden Reste des Feuers sinken. Dann betrachtete er wieder die Spur des Schneemobils und wünschte sich, wie schon in der Hütte, er hätte Natty Bumppo dabei, der ihm erklärt hätte, was er da sah. Oder vielleicht Jonesys guten alten Freund Hercule Poirot, den mit den kleinen grauen Zellen.

Die Spur bog zu dem eingestürzten Dach des Unterstands ab und führte dann weiter nach Nordwesten in Richtung Gosselin's. Im Schnee war eine Mulde, die fast nach dem Umriss eines Menschen aussah. Und beiderseits war der Schnee im Halbkreis aufgescharrt.

»Was meinst du, Hercule?«, fragte Henry. »Was bedeutet das, mon ami?« Aber Hercule schwieg.

Henry fing wieder an, monoton vor sich hin zu singen, und schaute sich eine dieser aufgescharrten Stellen etwas genauer an, wobei ihm gar nicht auffiel, dass er von den Pointer Sisters wieder zu den Rolling Stones gewechselt war.

Es war noch hell genug, um das Muster in den drei Vertiefungen links neben dem Menschenumriss zu sehen, und da fiel ihm der Flicken am rechten Ellbogen von Petes Dufflecoat ein. Pete hatte ihm mit merkwürdigem Stolz erzählt, seine Freundin hätte den angenäht und ihm gesagt, er könne doch wohl unmöglich mit einem zerrissenen Mantel auf die Jagd gehen. Henry wusste noch, dass er es gleichwohl traurig wie lustig gefunden hatte, wie Pete aus diesem einen Freundschaftsdienst die schwermütige Fantasie einer glücklichen Zukunft heraufbeschworen hatte ... einem Freundschaftsdienst, der letztlich wahrscheinlich mehr damit zu tun hatte, wie die entsprechende Dame erzogen war, als mit irgendwelchen Gefühlen, die sie für ihren ewig bierseligen Lover hegen mochte.

Nicht dass das noch eine Rolle spielte. Viel wichtiger war, dass Henry glaubte, endlich eine triftige Schlussfolgerung ziehen zu können. Pete war unter dem eingestürzten Dach hervorgekrochen. Jonesy - oder was auch immer Jonesy jetzt lenkte, die Wolke - war vorbeigekommen, zu den Resten des Unterstands abgebogen und hatte Pete eingesammelt.

Und warum?

Henry hatte keinen Schimmer.

Nicht alle Flecken im Schneeabdruck seines um sich schlagenden Freunds, der mit den Ellenbogen unter dem Blechdach hervorgekrochen war, gehörten zu diesem Schimmelpilz. Einiges davon war auch getrocknetes Blut. Pete war verletzt gewesen. Hatte er sich geschnitten, als das Dach eingestürzt war? War das alles?

Henry entdeckte eine sich windende wurmförmige Spur, die von der Schneemulde wegführte, in der Pete gelegen hatte. An ihrem Ende lag etwas, das er zunächst für einen verkohlten Stock gehalten hatte. Bei näherer Betrachtung stellte es sich als ein weiteres dieser Wieselwesen heraus, das verbrannt und tot war und grau wurde, wo es nicht versengt war. Henry schnippte es mit der Stiefelspitze beiseite. Darunter war ein kleiner gefrorener Haufen. Weitere Eier. Es musste sie noch im Sterben gelegt haben.

Henry schob mit dem Fuß erschaudernd Schnee über die Eier und den kleinen Monsterkadaver. Er löste den improvisierten Verband, um sich die Wunde an seinem Bein noch einmal anzusehn, und in diesem Moment wurde ihm bewusst, welchen Song er da die ganze Zeit schon sang. Er hörte auf zu singen. Neuer Schnee, nur ein paar zarte Flocken, trudelte herab.

»Wieso singe ich das immer wieder?«, fragte er. »Wieso kriege ich diesen Scheiß-Song nicht aus dem Kopf?«

Er erwartete keine Antwort; solche Fragen stellte man vor allem deshalb laut, weil es schön war, die eigene Stimme zu hören (das war hier eine Todesstätte, vielleicht spukte es hier sogar), doch trotzdem erhielt er eine Antwort.

»Weil es unser Song ist. Das ist die Kommando-Hymne. Die spielen wir, wenn wir losschlagen. Wir sind die Cruise-Jungs.« Cruise? Hatte er richtig gehört? Cruise? Wie Tom Cruise? Na, vielleicht doch eher nicht.

Die Schüsse im Osten waren fast verklungen. Das Abschlachten der Tiere war fast beendet. Aber da waren Männer, eine lange Gefechtsreihe von Jägern, die grün oder schwarz und nicht orangefarben gekleidet waren, und die hörten sich diesen Song immer wieder an, während sie ihrer Arbeit nachgingen und die Beträge auf einer unglaublichen Schlachterrechnung in die Höhe trieben: / rode a tank, held a general's rank, when the blitzkrieg raged and the bodies stank... Pleased to meetyou, hope y ou guess my na me.

Was ging denn hier vor? Nicht in der wilden, wundervollen, wahnsinnigen Außenwelt, sondern in seinem eigenen Kopf? Er hatte sein ganzes Leben lang - zumindest seit er

Duddits kannte - blitzartige Einsichten gehabt, so etwas aber hatte er noch nie erlebt. Was war das? War es mal an der Zeit, sich näher mit dieser neuen, effektiven Methode, die Linie zu sehen, zu beschäftigen?

Nein. Nein, nein, nein.

Und wie um ihn zu verspotten, dazu der Song in seinem Kopf: General's rank, bodies stank.

»Duddits'.«, rief er hinein in den immer grauer werdenden Spätnachmittag; und Schneeflocken segelten wie Federn aus einem geplatzten Kissen hernieder. Ein Gedanke kämpfte darum, geboren zu werden, aber er war zu groß, viel zu groß.

»Duddits!«, schrie er noch mal mit seiner anfeuernden Eiermannstimme, und eines verstand er jetzt durchaus: Der Luxus des Selbstmords war ihm nun verwehrt. Und das war das Allerschrecklichste daran, denn diese seltsamen Gedanken - / shouted out who killed the Kennedys - rissen ihn fast entzwei. Verwirrt und verängstigt und ganz allein im Wald, fing er wieder an zu weinen. Bis auf Jonesy waren seine Freunde alle tot, und Jonesy war im Krankenhaus. War ein Filmstar im Krankenhaus bei Mr. Gray.