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Aber es nützt nichts. Wie laut er auch brüllt, es nützt nichts. Er kommt nicht durch. Man kann nicht zurück, kann seinen eigenen Großvater nicht töten, kann Lee Harvey Oswald nicht erschießen, wie er dort im fünften Stock des Schulbuchlagers in Dallas am Fenster kniet, neben sich kalt werdendes Brathähnchen auf einem Pappteller, und sein bei einem Versandhaus bestelltes Gewehr in Händen, man kann sich selbst nicht davon abhalten, die Kreuzung Mass Avenue und Prospect Street zu überqueren, mit der Aktentasche in der Hand und einer Boston Phoenix - die man nie lesen wird -unter dem Arm. Entschuldigen Sie, Sir, irgendwo in Jeffer-son Tract sind die Leitungen gestört, es ist ein einziges Chaos da oben, Ihr Anruf kann nicht durchgestellt werden -

Und dann, o Gott, das ist neu - kommt die Botschaft doch durch! Als er an der Ecke ankommt, als er am Bordstein steht und eben den Zebrastreifen betreten will, kommt sie durch!

»Was?«, fragt er, und der Mann, der neben ihm stehen geblieben ist, der sich als Erster über ihn beugen wird - in einer Vergangenheit, die nun vielleicht glücklicherweise abgesagt wurde -, schaut ihn argwöhnisch an und sagt: »Ich habe nichts gesagt«, als wäre da irgendwo noch ein Dritter dabei. Jonesy hört ihn kaum, denn es ist durchaus ein Dritter da, da ist eine Stimme in seinem Kopf, die sich verdächtig nach seiner eigenen anhört, und sie schreit ihn an, er solle auf dem Bordstein stehen bleiben, solle nicht auf die Straße gehen -

Dann hört er jemanden weinen. Er schaut hinüber auf die andere Seite der Prospect Street, und, o Gott, da ist Duddits, Duddits Cavell, nackt bis auf die Unterhose, und er hat etwas Braunes rund um den Mund geschmiert. Es sieht wie Schokolade aus, aber Jonesy weiß es besser. Es ist Hundescheiße, dieses Schwein Richie hat ihn doch noch dazu zwingen können, sie zu essen, und die Leute da drüben gehen einfach weiter, als wäre Duddits gar nicht da.

»Duddits!«, ruft Jonesy. »Duddits, halt durch, Mann, ich komme!«

Und er eilt, ohne hinzuschauen, auf die Straße, und dem Passagier in ihm drin bleibt nichts übrig als mitzumachen, aber jetzt weiß er wenigstens, wie und warum der Unfall passiert ist - der alte Mann, ja, der alte Mann mit Alzheimer im Frühstadium, der überhaupt nicht mehr am Steuer eines Autos hätte sitzen dürfen, aber das war nur der eine Teil. Der andere Teil, der bisher in der Schwärze, die den Unfall bis dato umgeben hatte, verborgen geblieben war, war der: Er hatte Duddits gesehen und war einfach auf die Straße gerannt, ohne nach links und rechts zu schauen.

Und er sieht noch etwas ganz kurz: ein riesiges Muster, so etwas wie ein Traumfänger, der all die Jahre seit 1978, als sie Duddits Cavell kennen lernten, und auch die Zukunft zusammenhält.

Sonnenschein glitzert auf einer Windschutzscheibe; das sieht er im linken Augenwinkel. Ein Auto kommt und kommt zu schnell. Der Mann, der neben ihm am Bordstein stand, der gute alte Mr. /c^-Hab-Nichts-Gesagt, schreit: »Pass auf, Mann, pass auf!«, aber Jonesy hört ihn kaum. Denn dort steht ein Hirsch auf dem Bürgersteig hinter Duddits, ein schöner kapitaler Bock, fast so groß wie ein Mensch. Und dann, kurz bevor der Lincoln ihn erwischt, sieht Jonesy, dass der Hirsch tatsächlich ein Mensch ist, ein Mann mit orangefarbener Mütze und Warnweste. Auf der Schulter hat er wie ein abscheuliches Maskottchen ein beinloses Wieselwesen mit riesigen schwarzen Augen. Sein Schwanz - oder vielleicht ist es auch ein Fangarm - schlingt sich um den Hals des Mannes. Wie um Gottes willen konnte ich den für einen Hirsch hatten?, denkt Jonesy, und dann erwischt ihn der Lincoln, und er wird auf die Straße geschleudert. Er hört ein fieses, gedämpftes Knacken, als seine Hüfte bricht.

Diesmal also keine Dunkelheit; so oder so wird die Gedächtnisstraße jetzt von Bogenlampen erhellt. Doch der Film ist durcheinander, als hätte sich der Cutter zum Mittagessen ein paar Drinks zu viel gegönnt und vergessen, wie die Geschichte ursprünglich gedacht war. Teilweise hat es damit zu tun, dass die Zeit aus der Form geraten ist: Er scheint gleichzeitig in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu leben.

So reisen wir, sagt eine Stimme, und Jonesy wird klar, dass es die Stimme ist, die er um Marcy, um eine Spritze hat wimmern hören. Ab einer bestimmten Beschleunigung wird alles Reisen zu Zeitreisen. Das Gedächtnis ist die Grundlage jeder Reise.

Der Mann von der Ecke, der alte Mr. 7c/?-Hab-Nichts-Gesagt, beugt sich über ihn, fragt, ob alles mit ihm in Ordnung sei, sieht, dass nichts mit ihm in Ordnung ist, schaut dann hoch und fragt: »Wer hat ein Handy? Der Mann hier braucht einen Krankenwagen.« Als er den Kopf hebt, sieht Jonesy, dass er einen kleinen Schnitt unterm Kinn hat, den sich der alte Mr. 7c^-Hab-Nichts-Gesagt heute Morgen wahrscheinlich zugefügt hat, ohne es auch nur zu merken. Das ist süß, denkt Jonesy, und dann springt der Film, und hier haben wir einen alten Knacker in einem dunkelbraunen Mantel und mit einem Fedorahut auf - nennen wir das ältliche Sackgesicht den alten Mr. Was-Habe-Ich-Gemacht. Er läuft herum und stellt den Leuten diese Frage. Er sagt, er hätte einen Moment lang weggeschaut und dann einen Aufprall gespürt - was habe ich gemacht? Er sagt, eigentlich hätte er nie so einen großen Wagen haben wollen - was habe ich gemacht? Er sagt, er könne sich nicht an den Namen des Versicherungsunternehmens erinnern, nur dass sie gesagt hätten »bei uns sind Sie in guten Händen« - was habe ich gemacht? Er hat einen Fleck im Schritt seiner Hose, und während Jonesy da so auf der Straße liegt, kommt er nicht umhin, Mitleid mit dem alten Sack zu haben - und wünscht sich, er könnte zu ihm sagen: Wenn Sie wissen wollen, was Sie gemacht haben, dann schauen Sie sich mai Ihre Hose an. Sie haben sich eingemacht, das haben Sie.

Der Film springt wieder. Jetzt haben sich noch mehr Leute um ihn her eingefunden. Sie sehen sehr groß aus, und Jonesy kommt sich vor, als ob er bei einer Beerdigung den Blickwinkel aus dem Sarg hat. Das erinnert ihn an eine Geschichte von Ray Bradbury, Die Menge heißt sie, glaubt er, in der die Leute, die sich an Unfallschauplätzen einfinden -es sind immer dieselben Leute - durch das, was sie sagen, das Schicksal des Opfers bestimmen. Wenn sie um einen herumstehen und murmeln, es sei ja nicht so schlimm gewesen und man hätte noch Glück, dass das Auto im letzten Augenblick noch einen Schlenker gemacht hätte, dann kommt man durch. Wenn die Leute aber Sachen sagen wie Er sieht nicht gut aus oder Ich glaube nicht, dass er durchkommt, dann muss man sterben. Immer dieselben Leute. Immer dieselben ausdruckslosen, dabei eifrig interessierten Gesichter. Die Schaulustigen, die unbedingt Blut sehen und das Stöhnen der Verletzten hören wollen.

In der Menschenmenge um ihn her sieht Jonesy, gleich hinter dem alten Mr. Jc^-Habe-Nichts-Gesagt, Duddits Cavell, jetzt vollständig bekleidet und normal aussehend - also ohne Hundekackebart. McCarthy ist auch da. Nenn ihn den alten Mr. Siehe-ich-stehe-vor-der-Tür-und-klopfe-an, denkt

Jonesy. Und da ist noch jemand. Ein grauer Mann. Nur dass er kein Mann und kein Mensch ist; er ist der Außerirdische, der hinter ihm stand, als Jonesy mit der Badezimmertür beschäftigt war. Riesige schwarze Augen beherrschen ein Gesicht, das ansonsten kaum Gesichtszüge aufweist. Die schlaffe, durchhängende Elefantenhaut ist jetzt noch straffer; der alte Mr. ET-Nach-Hause-Telefonieren ist noch nicht dabei, den Umweltbedingungen zu erliegen. Das wird er aber. Letztlich wird ihn diese Welt auflösen wie Säure.

Ihr Kopf ist geplatzt, versucht Jonesy dem grauen Mann zu sagen, bekommt aber kein Wort heraus; nicht einmal sein Mund öffnet sich. Und doch scheint ihn der alte Mr. ET-Nach-Hause-Telefonieren zu hören, denn er neigt leicht den grauen Kopf.

Er wird ohnmächtig, sagt jemand, und ehe der Film erneut springt, hört er den alten Mr. Was-Habe-Ich-Gemacht, den Typ, der ihn angefahren und seine Hüfte zerschmettert hat wie einen Porzellanteller an einer Schießbude, zu jemandem sagen: Die Leute haben immer gesagt, ich sehe aus wie Lawrence Welk.