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Und die suchen alle nach dir, Arschloch, spie er, als das Schneemobil weiterfuhr. Der Schneevorhang um sie her fiel wieder und schnitt ihnen den Blick auf die LKWs ab, aber Jonesy wusste, dass Mr. Gray den Highway problemlos finden würde. Pete hatte ihn in einen Teil der Quarantäne-Zone gebracht, in der sie, dachte Jonesy, wohl nicht groß mit Schwierigkeiten rechneten. Für die restliche Strecke verließ er sich auf Jonesy, denn Jonesy war anders. Zum einen hatte er keinen Byrus. Der Byrus mochte ihn aus irgendeinem Grunde nicht.

Du kommst hier nie raus, sagte Jonesy.

Und ob, sagte Mr. Gray. Wir sterben immer, und wir überleben immer. Wir verlieren immer, und wir siegen immer. Ob es dir nun passt oder nicht, Jonesy: Wir sind die Zukunft.

Wenn das stimmt, dann ist es das beste Argument für ein Leben in der Vergangenheit, das ich je gehört habe, entgeg-nete Jonesy. Mr. Gray sagte nichts darauf. Mr. Gray als Wesen, als Bewusstsein, war verschwunden, hatte sich wieder in der Wolke aufgelöst. Es war eben noch genug von ihm übrig, um Jonesys motorische Fähigkeiten zu steuern und das Schneemobil weiter in Richtung Highway zu lenken. Und Jonesy, wehrlos mitgeschleppt zu welchem Ziel auch immer, fand bescheidenen Trost in zwei Umständen. Dass Mr. Gray erstens nicht wusste, wie er zu seinem Innersten Vordringen konnte, zu diesem kleinen Teil von ihm, der in seiner Erinnerung an das Büro der Gebrüder Tracker noch existierte. Und zweitens, dass Mr. Gray nichts von Duddits wusste, von kein Prall, kein Spiel.

Und Jonesy wollte dafür sorgen, dass Mr. Gray auch nichts davon erfuhr.

Zumindest noch nicht.

Bei Gosselin's

Für Archie Perlmutter, den Redner der High-School-Ab-schlussfeier (Thema der Ansprache: »Die Freuden und Pflichten der Demokratie«), den ehemaligen Pfadfinder, den gläubigen Presbyterianer und West-Point-Absolventen, sah Gosselin's Country Market nicht mehr real aus. Mittlerweile mit einer Lichtstärke ausgeleuchtet, die für eine Kleinstadt gereicht hätte, sah es aus wie ein Filmset. Und nicht wie irgendein Filmset, sondern wie der zu einem Ausstattungsfilm ä la James Cameron, bei dem allein die Cateringkosten reichen würden, ganz Haiti zwei Jahre lang zu ernähren. Auch der beständig zunehmende Schneefall dämpfte das grelle Licht nicht nennenswert und änderte nichts an der Illusion, dass alles an dem Gebäude, von der morschen Flolzverschalung der Mauern, über die beiden Ofenrohre, die schräg aus dem Dach ragten, bis zu der rostigen Zapfsäule vorm Flaus, schlicht nur Kulisse war.

Das wäre dann Akt eins, dachte Pearly, während er flott dahinschritt, sein Klemmbrett unterm Arm (Archie Perlmutter hatte sich immer für einen künstlerisch ... und auch kommerziell sehr begabten Menschen gehalten). Ein abgelegener Dorfladen wird eingeblendet. Die alten Leute sitzen um den Holzofen -nicht um den kleinen in Gosselins Büro, sondern um den großen im Verkaufsraum -, und draußen schneit es kräftig. Sie reden über Lichter am Himmel ... vermisste Jä-Ser ... graue Männchen, die gesehen wurden, wie sie im wald herumschlichen. Der Ladeninhaber - nennen wir ihn den alten Rossiter - schnaubt verächtlich: »Potz Stockfisch und Makrele, ihr seid ja wie die 'Waschweiber'.«, und genau in diesem Moment wird der ganze Laden von strahlend hellen Lichtern erleuchtet (man denke an Unheimliche Begegnung der Dritten Art,), als davor ein UFO landet! Blutgierige Außerirdische drängen sich heraus und schießen mit ihren Todesstrahlen um sich! Es ist wie in Independence Day, nur eben, und jetzt kommt's: mitten im Wald!

Neben ihm hatte Melrose, der dritte Koch (was schon so ziemlich die offiziellste Einstufung bei diesem kleinen Abenteuer war), Schwierigkeiten, mit ihm Schritt zu halten. Er trug Turnschuhe und keine Stiefel - Perlmutter hatte ihn aus dem Spago's geschleift, so nannten die Männer die Feldküche - und rutschte immer wieder aus. Überall um sie her liefen Männer (und auch einige wenige Frauen) herum, meist im Laufschritt. Viele sprachen in Ansteckmikrofone oder Walkie-Talkies. Der Eindruck, dass es sich hier um ein Filmset und nicht um die Wirklichkeit handelte, wurde noch durch die Wohnmobile und -Container verstärkt, durch die mit laufenden Turbinen dastehenden Hubschrauber (das schlechter werdende Wetter hatte sie alle nach Hause getrieben) und durch das unaufhörliche, sich gegenseitig übertönende Dröhnen der Motoren und Generatoren.

»Wieso will er mich sehen?«, fragte Melrose noch einmal. Atemloser und jämmerlicher denn je. Jetzt kamen sie an der Koppel und dem Pferch neben Gosselins Stall vorbei. Der alte, brüchige Zaun (es war über zehn Jahre her, dass sich mal ein Pferd im Pferch aufgehalten oder auf der Koppel bewegt hatte) war mit mehreren Lagen Draht und Stacheldraht verstärkt worden. Der Draht war elektrisch geladen. Die Spannung war wahrscheinlich nicht tödlich, reichte aber, um einen mit einem Schlag umzuhauen ... und ließ sich auf tödliches Maß hochdrehen, falls die Einheimischen unruhig werden sollten. Hinter diesem Zaun schauten ihnen zwanzig oder dreißig Männer zu, darunter auch der alte Gosselin (bei

James Cameron würde Gosselin von einem kantigen Alten wie Bruce Dem gespielt). Kurz zuvor hätten ihnen die Männer hinterm Zaun noch zugebrüllt, hätten Drohungen und zornige Forderungen gerufen, aber seit sie gesehen hatten, was mit dem Banker aus Massachusetts passiert war, der versucht hatte zu fliehen, ging ihnen ziemlich der Arsch auf Grundeis, den armen Kerlen. Mitanzusehen, wie jemand einen Kopfschuss abbekam, nahm einem schon etwas die Renitenz. Und dann kam noch hinzu, dass alle Einsatzkräfte jetzt Atemmasken trugen. Das hatte ihnen den noch übrigen Widerspruchsgeist geraubt.

»Boss?« Das Beinahe-Winseln war in ein richtiges Winseln übergegangen. Der Anblick US-amerikanischer Staatsbürger hinter Stacheldraht hatte Melroses Beklommenheit anscheinend noch gesteigert. »Boss, sagen Sie schon. Wieso will mich der große Mann sehen? Der große Mann sollte eigentlich gar nicht wissen, dass es überhaupt einen dritten Koch gibt.«

»Ich weiß es nicht«, antwortete Pearly. Und das entsprach der Wahrheit.

Vor ihnen, am Anfang dessen, was hier »Heli-Bahn« genannt wurde, stand Owen Underhill mit einem Typ von der Instandhaltungstruppe. Der musste Underhill förmlich ins Ohr brüllen, um sich bei diesem Hubschrauberlärm verständlich zu machen. Sie würden die Hubschrauber bestimmt bald abschalten, dachte Perlmutter; bei diesem Scheißwetter, einem für die Jahreszeit frühen Schneesturm, den Kurtz als »Gottesgeschenk« bezeichnet hatte, würde niemand aufsteigen. Wenn Kurtz so etwas sagte, wusste man nie, ob er es ernst oder ironisch meinte. Es klang immer, als meinte er es wirklich so ... aber dann lachte er manchmal auf. Es war ein Lachen, das Archie Perlmutter nervös machte. Im Film würde Kurtz von James Woods gespielt. Oder vielleicht von Christopher Walken. Keiner von beiden sah aus wie Kurtz, aber hatte George C. Scott etwa wie General Patton ausgesehen? Na also.

Perlmutter schwenkte abrupt zu Underhill um. Melrose wollte ihm folgen und landete dabei fluchend auf dem Hintern. Perlmutter tippte Underhill auf die Schulter, und als er sich umdrehte, hoffte Perlmutter, die Atemmaske würde seinen verblüfften Gesichtsausdruck zumindest teilweise verbergen. Owen Underhill sah aus, als wäre er um zehn Jahre gealtert, seit er dem Schulbus entstiegen war.

Sich vorbeugend, brüllte Pearly gegen den Wind an: »Kurtz in fünfzehn! Nicht vergessen!«

Underhill machte eine ungeduldige Handbewegung, um anzudeuten, dass er schon daran denken würde, und wandte sich dann wieder dem Typ von der Instandhaltungstruppe zu. Perlmutter hatte ihn jetzt erkannt. Er hieß Brodsky. Die Männer nannten ihn Dawg.