»Stellen Sie das weibische Geheule ab, Bursche, oder ich stelle es für Sie ab. Das sind Hohlspitzgeschosse, wie ja sicherlich selbst ein so dummer Amerikaner wie Sie weiß.«
Es gelang Melrose irgendwie, mit dem Schreien aufzuhören. Er ging zu leisen, gepressten Schluchzern über. Das schien Kurtz zufrieden zu stellen.
»Nur damit Sie mir zuhören können, Bursche. Und Sie müssen mir zuhören, denn Sie müssen die Botschaft verbreiten. Ich glaube, gelobt sei der Herr, Ihr Fuß oder was noch davon übrig ist, wird das grundlegende Konzept zum Ausdruck bringen, aber mit Ihrem eigenen geweihten Munde müssen Sie die Einzelheiten verkünden. Hören Sie mir also zu, Bursche? Hören Sie sich die Einzelheiten an?«
Immer noch schluchzend, gelang es Melrose zu nicken, wobei ihm die Augen wie blaue Glaskugeln aus dem Kopf traten.
Flink wie eine zuschnappende Schlange riss Kurtz den Kopf herum, und Perlmutter sah ganz deutlich sein Gesicht. Der Wahnsinn zeichnete sich auf seinen Zügen so deutlich ab wie eine Kriegsbemalung. In diesem Moment brach alles in sich zusammen, was Perlmutter je über seinen Vorgesetzten gedacht hatte.
»Was ist mit Ihnen, Bursche? Hören Sie zu? Denn Sie sind auch ein Bote. Wir sind alle Boten.«
Pearly nickte. Die Tür ging auf, und er sah mit unbeschreiblicher Erleichterung, dass Owen Underhill hereinkam. Kurtz' Blick flog ihm zu.
»Owen! Mein foiner Bursche! Ein weiterer Zeuge! Ein weiterer, gelobt sei der Herr, ein weiterer Bote! Hören Sie zu? Werden Sie die Botschaft von diesem trauten Heim aus verbreiten?«
Underhill nickte so ausdruckslos wie ein Pokerspieler bei hohem Einsatz.
»Gut! Gut!«
Kurtz wandte sich wieder an Melrose.
»Ich zitiere aus dem Handbuch der Streitkräfte, dritter Koch Melrose, Teil 16, Abschnitt 4, Absatz 3: >Der Gebrauch rassistischer, ethnischer oder geschlechtsbezogener Schimpfnamen unterminiert die Moral und verstößt gegen das Protokoll der Streitkräfte. Bei erwiesenem Gebrauch wird der Schuldige sofort durch ein Kriegsgericht oder im Felde von seinem Vorgesetzten bestraft^ Ende des Zitats. Der Vorgesetzte bin ich, der Schimpfwörter Gebrauchende sind Sie. Verstehen Sie, Melrose? Hat's jetzt geschnackelt?«
Melrose flennte und wollte etwas sagen, aber Kurtz schnitt ihm das Wort ab. Am Eingang stand Owen Underhill immer noch vollkommen still, während der Schnee auf seinen Schultern schmolz und ihm wie Schweiß über die transparente Hülle seiner Atemmaske lief. Sein Blick war starr auf Kurtz gerichtet.
»Also, dritter Koch Melrose, was ich Ihnen hier im Beisein dieser, gelobt sei der Herr, dieser Zeugen zitiert habe, nennt sich >Verhaltensregel < und bedeutet, dass wir hier nicht von Pedros, Judenbengeln, Krauts oder Rothäuten sprechen.
Es bedeutet auch, worauf es gegenwärtig vor allem ankommt, dass wir nicht von Weltraum-Niggern sprechen. Haben Sie das verstanden?«
Melrose versuchte zu nicken und geriet dabei ins Schwanken. Er war kurz davor, ohnmächtig zu werden. Perlmutter packte ihn an der Schulter, richtete ihn wieder auf und hoffte inständig, Melrose würde nicht umkippen, bevor das hier nicht vorbei war. Gott allein wusste, was Kurtz tun würde, sollte Melrose die Unverfrorenheit besitzen, den Geist aufzugeben, ehe Kurtz damit fertig war, ihm die Leviten zu lesen.
»Wir werden diese Scheiß-Invasoren ausradieren, mein Freund, und sollten sie je wieder nach Terra Firma kommen, dann reißen wir ihnen die grauen Köpfe ab und scheißen ihnen in die grauen Hälse. Und wenn sie dann immer noch keine Ruhe geben, werden wir ihre eigene Technologie, die wir schon sehr weitgehend beherrschen, gegen sie einsetzen, mit ihren eigenen Schiffen oder ähnlichen, die von General Electric und Du Pont und, gelobt sei der Herr, Microsoft gebaut sein werden, zu ihren Heimatplaneten fliegen und dort ihre Städte oder Bienenstöcke oder gottverdammten Ameisenhaufen, wo auch immer sie leben, niederbrennen, werden ihre Kornkammern mit Napalm versehren und die Pracht ihrer Gebirge mit H-Bomben planieren, gelobt sei der Herr, Allah akbar, wir werden die feurige Pisse Amerikas auf ihre Seen und Ozeane regnen lassen ... aber wir werden das auf anständige und angemessene Weise tun, ohne uns dabei um Rasse oder Geschlecht oder ethnische Abstammung oder religiöse Vorlieben zu scheren. Wir werden es tun, weil sie in die falsche Gegend gekommen sind und dann an die falsche Tür geklopft haben. Wir sind hier nicht 1938 in Deutschland und auch nicht 1963 in Oxford, Mississippi. Also, Mr. Melrose, meinen Sie, Sie können diese Botschaft verbreiten?«
Melrose hatte die Augen so verdreht, dass man fast nur noch das Weiße sah. Seine Knie ließen ihn im Stich. Perlmutter packte ihn wieder an der Schulter, um ihn aufrecht zu halten, aber diesmal reichte das nicht. Melrose ging zu Boden.
»Pearly«, flüsterte Kurtz, und als der brennende Blick dieser blauen Augen ihn berührte, dachte Perlmutter, er habe nie im Leben solche Angst ausgestanden. Seine Blase war ein heißer, schwerer Beutel, der nichts lieber wollte, als seinen Inhalt in den Overall zu ergießen. Und hätte Kurtz in seiner gegenwärtigen Stimmung im Schritt seines Adjutanten einen sich ausbreitenden dunklen Fleck entdeckt, das schwante Perlmutter, dann hätte er ihn auf der Stelle erschossen ... Aber das machte es anscheinend auch nicht einfacher. Nein, es machte alles nur noch schlimmer.
»Ja, S... Boss?«
»Wird er die Botschaft verbreiten? Wird er ein guter Bote sein? Meinen Sie, er hat genug davon mitbekommen, oder war er zu beschäftigt mit seinem blöden Fuß?«
»Ich ... ich ...« Pearly sah, wie Underhill ihm kaum wahrnehmbar zunickte, und da fasste er sich ein Herz. »Ja, Boss. Ich glaube, er hat Sie klar und deutlich verstanden.«
Kurtz schien erst überrascht von Perlmutters Vehemenz, dann aber dankbar dafür. Er wandte sich an Underhill. »Und Sie, Owen? Meinen Sie, er wird die Botschaft verbreiten?«
»Mmmh«, sagte Underhill. »Wenn Sie ihn auf die Krankenstation bringen lassen, bevor er hier auf Ihrem Teppich verblutet.«
Kurtz' Mundwinkel hoben sich, und er brüllte: »Kümmern Sie sich drum, Pearly, ja?«
»Sofort«, sagte Perlmutter und ging zur Tür. Sobald er an Kurtz vorbei war, warf er Underhill einen sehr dankbaren Blick zu, den Underhill entweder übersah oder lieber nicht gesehen haben wollte.
»Im Laufschritt, Mr. Perlmutter. Owen, ich möchte mit Ihnen mano a mano sprechen, wie die Iren sagen.« Er stieg über Melrose, ohne zu ihm hinunterzusehen, und eilte in die kleine Küche. »Kaffee? Den hat Freddy gemacht, ich kann also schwören, dass er trinkbar ist ... nein, schwören kann ich das nicht, aber...«
»Kaffee wäre nett«, sagte Underhill. »Schenken Sie schon mal ein. Ich versuche, bei ihm hier die Blutung zu stillen.«
Kurtz stand am Küchentresen vor der Kaffeemaschine und warf Underhill einen dunkel funkelnden, zweifelnden Blick zu. »Meinen Sie wirklich, dass das nötig ist?«
In diesem Moment schloss Perlmutter die Tür hinter sich. Nie zuvor war er mit solcher Bereitwilligkeit in einen Sturm hinausgegangen.
Henry stand am Zaun (ohne den Draht zu berühren; er hatte gesehen, was passierte, wenn man das tat) und wartete darauf, dass Underhill - so hieß er, na klar - wieder aus dem Kommandoposten zum Vorschein kam. Als aber die Tür aufging, kam einer der anderen Typen, die er hatte hineingehen sehen, herausgeeilt. Sobald er die Treppe hinunter war, fing der Typ an zu rennen. Er war groß gewachsen und hatte eines dieser ernsten Gesichter, die Henry immer mit mittlerem Management in Verbindung brachte. Jetzt sah dieses Gesicht entsetzt aus, und der Mann wäre fast hingefallen, ehe er so richtig loslief. Henry hätte es ihm gegönnt.
Dem mittleren Manager gelang es, das Gleichgewicht zu wahren, nachdem er ins Schlittern geraten war, aber auf halber Strecke zu zwei Caravans, die man zusammengeschoben hatte, rutschte er aus und landete auf dem Hintern. Das Klemmbrett, das er in der Hand gehalten hatte, flitzte los wie ein Rodelschlitten für Zwerge.