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Das heißt, klar wurde ich mir erst darüber, als alles vorüber war.

4. Ein Mann fehlt

Noch im ersten Monat gingen wir tatsächlich unter die Wasseroberfläche.

Weit ging's natürlich nicht, aber eine Gruppe nach der anderen faßte Taucherausrüstung — Aqualungen, Gesichtsmasken, pneumatische Pistolen und Schwimmflossen —, und dann machten wir uns auf unsere erste Unterwasserexpedition.

Ich war, zusammen mit zwanzig anderen, in Gruppe Fünf unter Kadett Lieutenant Hachette. Als wir unsere Ausrüstung hatten, bestiegen wir ein Walboot und fuhren hinaus auf See. Wir blieben in Küstennähe; Bermuda war eine tief über dem Horizont liegende Linie, als Lt. Hachette Befehl gab, die Maschinen zu stoppen. Wir trieben nun also und schaukelten sanft auf der karibischen Dünung, bis wir auf Befehl des Lieutenants einer nach dem anderen über Bord gingen.

Hier war das Wasser nicht tief, nicht mehr als zwanzig Fuß, und kristallklar. Wir trugen die vorschriftsmäßig beschwerten Taucherschuhe, die für jeden auf sein eigenes Körpergewicht abgestimmt waren, und auch das Volumen des Körpers spielte eine Rolle. Hatten wir sie an, so glichen wir genau das Gewicht des von uns verdrängten Wassers aus. Man kam sich vor, als hänge man in der Luft wie Mohammeds Sarg. Wenn wir nur leise mit einem Fuß traten, so stiegen wir, holten wir mit den Armen aus, so sanken wir.

Wir sammelten uns in Reihen auf dem gerippelten sandigen Boden und warteten auf Befehle.

Reden konnten wir natürlich nicht. Wir standen da und schaukelten vor und zurück wie eine Rauchsäule an einem windstillen Tag. Mir kam besonders die absolute Stille zu Bewußtsein. Das einzige wispernde Geräusch kam von den Luftblasen, die aus meiner Atemmaske aufstiegen. Später kam ich darauf, daß dies ungewöhnlich ist, denn der Meeresgrund kann ein sehr geräuschvoller Ort sein. Fische sind durchaus nicht die stummen Tiere, für die man sie hält.

Lt. Hachette überprüfte uns noch einmal, um sicher zu sein, daß alles in Ordnung war, dann mußte jeder selbst noch einmal die ganze Ausrüstung nach Undichtigkeiten oder Funktionsfehlern absuchen. Danach erst ging's weiter. Zwei und zwei nebeneinander marschierten wir über den Meeresboden. Es ging sehr langsam und kam uns anfangs außerordentlich merkwürdig vor. Natürlich marschierten wir ohne Tritt, und der unebene Boden erleichterte es nicht gerade, wenigstens die Andeutung einer Formation einzuhalten. Wir stolperten über Sandhügel und abgebrochene Korallenäste, machten einen vorsichtigen Bogen um die Seeanemonen, die wie Chrysanthemen aussehen und wie Hornissen stechen, und müssen für die neugierigen Fischchen, die in Schwärmen über uns wegschwänzelten, einen recht lächerlichen Anblick geboten haben. Ich glaube, wir wirkten eher wie Ballettänzer denn als Marschierende. Die meiste Zeit war mein rechter Fuß schon wieder über dem Grund, bevor noch mein linker vor mir aufgesetzt hatte.

Wir hatten bei dieser ersten Tauchübung Luft für nur dreißig Minuten und marschierten an tausend Meter alles in allem, erst hundert Meter in eine Richtung, dann nach einer scharfen Wendung rechts wieder hundert Meter. Am Ende der dreißig Minuten waren wir wieder an unserem Ausgangspunkt. Lt. Hachette gab uns das Signal, und wir glitten, je zwei und zwei, nach oben zum Walboot.

Vielleicht klingt das ziemlich langweilig.

Das war es aber absolut nicht. Jede Sekunde dieser ersten halben Stunde war reines Abenteuer. Es war ein Zauberland, durch das wir wanderten, bewohnt von langzähnigen Sternfischen und langsam schwimmenden Seegurken, von pulsenden Schwämmen und grell-farbenen, fingerlangen Fischen.

Zweimal tauchten wir dann noch an diesem Tag, dann kehrte das Walboot zurück. Zwei Wochen würde es dauern, bis wir wieder an der Reihe waren, aber schon jetzt machte ich für das nächste Mal Pläne. Ich war ja auf dem Meeresboden gewesen. Das war fast so etwas wie eine Heimkehr nach einer unvorstellbar langen Zeit.

Cadet Captain Sperry bellte im Rührungswalboot: »Achtung alle Boote! Fertigmachen zum Tauchen!«

Die ganze Klasse war in Walbooten draußen. Es war unser erstes nächtliches Unterwasserunternehmen und zugleich eine Massenangelegenheit. Vierzehn Walboote folgten Sperrys Führungsboot.

Die Sonne war schon untergegangen, aber am westlichen Himmel glühte noch immer ein dünner Rand. Die Luft wurde kalt. Schweigend legten wir unsere Ausrüstung an, dann saßen wir bequem während Captain Sperry und seine CrewHäuptlinge die Einzelheiten ihrer Pläne absprachen.

Die Sterne über uns waren groß und klar. Die Milchstraße sah aus wie ein breiter Pinselstrich mit einer Leuchtfarbe. Der Orion lag nahezu am Horizont, und über uns blinkte rot der Mars. Das Sternenlicht schien sich im Wasser gefangen zu haben, doch es war nicht reflektiertes Licht, von dem die Wellen glänzten und funkelten, sondern das eigene Leuchten. Eskow wisperte: »Glaubst du, daß es unten auch so hell ist?« Ich schüttelte den Kopf. Sicher wußte ich es natürlich nicht, aber mir schien, ich hätte einmal gehört, das Leuchten sei nur eine Oberflächenerscheinung.

»Achtung an alle Boote!« kam der Ruf über das Wasser. »Ausrüstung überprüfen! Luftventile — alle abzählen!« Jeder von uns tat einen Atemzug durch die Aqualungen, und das klang wie ein richtiges Schnarchen. »Lichter!« Ein paar hundert Glühwürmchen flackerten über dem Wasser, als wir unsere Kopflampen einschalteten. »Gesichtsmasken!« Wir alle zogen die Masken über den Kopf, und ich fuhr mit den Fingern die Linie nach, wo der Gummirand mit dem Fleisch abschloß.

Alles war in Ordnung. Es kam eine kurze Pause, dann Sper-rys Stimme: »Bootskommandanten, Crew nach unten schik-ken!«

Wir schlüpften über den Bootsrand.

Unter uns war nichts als absolute Schwärze.

Kaum hatte sich das Wasser über meinem Kopf geschlossen, waren die Sterne verschwunden. Ihr Licht war hell gewesen, aber die Wasseroberfläche durchdrang es nicht. Ganz klar konnte ich die Kopflampen der vierzehn Bootsmannschaften sehen; mir kamen sie vor wie eine Tagung von Glühwürmchen. Außer den Lichtern vermochte ich jedoch nichts zu sehen, keine Gestalt, keinen Gegenstand. Dann paßten sich meine Augen allmählich der absoluten Dunkelheit an, und nun sah ich schattenhafte Gestalten, die sich unter den Glühwürmchenlichtern neben mir bewegten.

Wir versammelten uns, wie üblich, am Meeresboden, aber marschiert wurde jetzt nicht. Das war ein Manöverproblem, um uns vertraut zu machen mit dem Mann-zu-Mann-Kampf unter Wasser, falls wir einmal in eine solche Lage kommen sollten. Sechs Bootsbesatzungen hatten die Eindringlinge zu spielen, die anderen acht die Verteidiger. Wir, die Eindringlinge, mußten die Abwehrlinie der Verteidiger durchbrechen. Wurden wir daran gehindert, so waren wir »tot«. Erfolg oder Mißerfolg einer jeden Gruppe wurde nach der Zahl der Eindringlinge bewertet, die durch die Verteidigungslinie kamen.

Die Verteidiger stellten sich in etwa hundert Metern Entfernung auf. Auf ein Signal hin schalteten sie ihre Lichter ab und verschwanden nun völlig in der Finsternis, soweit einer von uns sehen konnte. Unser Crewoffizier signalisierte mit seinem Licht, und unsere Crew stieß sich vom Meeresboden ab und schwamm zum Angriff. Wir mußten, dem Plan entsprechend, erst ein Stück schwimmen, ehe wir unsere eigenen Lichter alle gleichzeitig löschten. Das war Lt. Hachettes Idee gewesen. Die Verteidiger sollten die Annäherung sehen, und wenn die Lichter aus waren, wollten wir in eine andere Richtung vorstoßen.

Unsere Crew war die letzte, die ihre Lichter abschaltete; danach war jeder für sich ganz allein.

Nun erschien mir die Übung doch recht ernst zu sein. Erst war sie mir wie ein Kinderspiel vorgekommen, als der Lieutenant sie uns in der Vorlesungshalle erklärte. Ein Unterwasserhaschen — nichts für erwachsene Männer! Aber in der Dunkelheit und allein und in einer tintenschwarzen Finsternis dem Nichts entgegenschwimmen — da ging mir auf, wie schwierig diese Übung doch war. Erst war da natürlich das Element der Gefahr. Die großen Raubfische wie Haie, Mantas und Barraku-das griffen selten einmal einen Menschen an, aber wußten sie denn in dieser Finsternis, was wir waren? Richtig, das führende Walboot war mit einem Mikrosonar-Suchgerät ausgestattet, und wenn etwas von der Größe eines Haies auch nur auf eine Viertelmeile in unsere Nähe käme, würde uns ein Unterwasseralarm sofort zurückholen, und die Übung mußte dann eben abgebrochen werden. Was aber dann, wenn ein Alarm zu spät gegeben wurde? Oder gar nicht?