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Ich mußte wohl Stunden wach gelegen und in die Finsternis gestarrt haben. Dann und wann mußte ich dann doch kurz für ein paar Minuten eingedöst sein, denn jemand rüttelte mich plötzlich wach. »Eden!« hörte ich Lt. Hachettes aufgeregte Stimme. »Eden! Sie haben ihn gefunden! Er lebt.«

Im Nu saß ich auf dem Bett. »Was?« fragte ich und konnte es kaum glauben.

»Ja, es ist wahr!« versicherte mir Hachette. »Ein Fischerboot hat ihn aufgepickt, drei Meilen vom Absetzpunkt entfernt. Gott weiß, wie er dahin gelangte. Aber er lebt!«

Ja, er lebte, aber mehr wußten wir noch nicht. Zum Frühstück gab es eine offizielle Ankündigung: »Kadett Eskow wurde von einem kleinen Bermuda-Fischerboot gerettet und in ein Zivilkrankenhaus gebracht. Es geht ihm ziemlich ordentlich, doch er muß noch einige Zeit zur Behandlung im Krankenhaus bleiben.«

Ein paar Tage später bekam ich von Bob aus dem Krankenhaus einen Brief. Sehr viel erfuhr ich auch daraus nicht. Es war ein sogenanntes Siebentagewunder in der Akademie: Wie war er dorthin gelangt? Was war geschehen? Wir hatten nur eine Menge Fragen und keine Antworten, und die Tage und Wochen vergingen. Bobs Name wurde immer seltener genannt.

Für mich war das auch eine schwere Zeit. Auf der Akademie war das Kameradschaftsprinzip sehr stark. Man arbeitete mit seinem Zimmerkameraden, war mehr oder weniger füreinander verantwortlich, wußte auch immer, wo der andere war. Wäre Bob Eskow aus den Listen der Akademie gestrichen worden, so hätte ich schon einen neuen Zimmerkameraden bekommen, jemanden, dessen ursprünglicher Kamerad schon ausgeschieden war, aber er hatte nur Krankenurlaub, und das Zimmer wurde für ihn reserviert.

Ich fühlte mich sehr einsam. Wir hatten sehr hart zu arbeiten und keine Zeit zum Brüten, so daß die Wochen nur so verflogen, und das half mir über die Einsamkeit ein wenig weg. Und dann bekam ich auch einige Briefe von meinem Onkel.

Wenn ich Onkel Stewarts Briefe las, befand ich mich immer auf der langen Reise zur Tiefe von Marinia. Durch seine Worte sah ich die Herrlichkeiten und Wunder der Tiefsee, die er bewohnte und die ich zu meinem Lebensinhalt zu machen hoffte. Fast konnte ich ihn vor mir sehen: groß, sonnenbraun zu dunkler Lederfarbe vom violetten Licht der Troyon-Röhren, das Kinn mit einem bronzefarbenen Bart eingefaßt. Fast hörte ich auch seine sanfte, leise Stimme, die mir von der auf mich wartenden neuen Welt erzählte.

Fast ebenso wirklich wie die sonnenbeschienenen AkademieGründe vor meinem Fenster waren die riesigen Tiefsee-Städte, von denen er schrieb: Thetis, Nereus, Seven Dome, Black Camp und die anderen, die sicher unter ihren Edenitkuppeln auf dem Boden des Pazifiks ruhten. Und dieses Edenit hatte er erfunden. Denn Onkel Stewart war ein Mann vieler Unternehmungen. In den Jahren, seit ich ihn gesehen hatte, erfuhr ich einiges über ihn; nicht aus seinen Briefen, denn er sprach immer nur davon, was ich in Marinia tun könnte, kaum einmal von sich selbst, sondern von den Büchern und Zeitungen, die ich verschlang, sobald der Name Eden darin auftauchte. Ich hörte zum Beispiel, daß er in zwei Meilen Tiefe neue Petroleumfelder erschloß; oder daß er Platinvorkommen gefunden hatte in einem Gebiet der Unterwasserberge, die Mountains of Darkness hießen, weil an den zerklüfteten Abhängen nicht jenes phosphoreszierende Leben herrschte wie an anderen Tiefseegebirgen. Immer suchte er den Boden des Pazifiks ab, in tausend verschiedenen Unternehmungen war er der Planer und Helfer.

Erst als Bob Eskow nicht mehr da war, wurde ich mir richtig klar darüber, wie wichtig er für mich war. Naturlich blieb ich mit dem Krankenhaus in Verbindung, aber es war doch eine große Überraschung, als mich einer meiner Klassenkameraden aufhielt, um mir zu sagen, Bob sei zurück.

Ich raste in die Fletcher Hall, in den Lift und grinste über das ganze Gesicht. Ich vergaß alles um mich herum, als ich den Knopf für mein Stockwerk drückte.

»Mister Landratte!« schrie plötzlich eine mir sehr vertraute Stimme, und unwillkürlich stand ich stramm. Natürlich war es Cadet Captain Brand Sperry, der mit vor der Brust verschränkten Armen vor dem Lift stand. Die Tür begann sich gerade zuzuschieben, und ich drückte hastig auf den Halt-Knopf. Sperrys Peitschenstimme schnappte: »Mister Landratte, strammstehen!«

»Ja, Sir«, sagte ich.

»Tagesbefehl, Mr. Eden«, fuhr er mich an. »Hatten Sie eine Gelegenheit, ihn zu lesen?«

»Ja, Sir.« Ich wußte, was jetzt kommen würde.

»Oh?« Es gelang ihm, erstaunt dreinzuschauen. Er schüttelte den Kopf. »Ich verstehe das nicht, Mr. Eden. Auf dem Schwarzen Brett ist das sehr groß angeschlagen. Ich kann es von hier aus sehen. Von heute 6 Uhr an bis auf weiteres werden keine Lifte benutzt. Das ist ein allgemeiner Befehl, Mr. Eden, von einer höheren Autorität erlassen, um Energie einzusparen. Oder wußten Sie nicht, daß es Stromkürzungen gibt? Mr. Eden, es wird zu wenig Uran geliefert, und ohne Uran muß Energie gespart werden. Verstehen Sie das?«

»Ja, Sir.« Von da an ging es noch weiter und endete mit dem Befehl, am kommenden Tag die halbe Stunde Freizeit vor dem Abendessen vor dem Schwarzen Brett strammzustehen und den Tagesbefehl auswendig zu lernen. Das war schon zu ertragen, doch was mich kränkte, war, daß Cadet Captain Sperry gut in Hörweite war, als mein Klassenkamerad mir zurief, Eskow sei wieder zurück und in unserem Zimmer. Er wußte, weshalb ich es so eilig hatte und warum ich nicht an den Tagesbefehl dachte.

Er wußte es, und trotzdem schikanierte er mich nach dieser wirklich kleinen und verständlichen Übertretung. Ich fand es allmählich immer schwieriger, unter Cadet Captain Brand Sperry leben zu müssen.

Aber fünf Minuten später entschädigte mich Bob Eskow für sehr vieles.

Ich schüttelte ihm die Hand in einem Sturm herzlicher Gefühle. »Bob!« sagte ich und stotterte vor lauter Begeisterung. »Ich hab' schon fast nicht mehr damit gerechnet, dich wiederzusehen!«

Sein breites Grinsen verlor seinen Glanz. »Du wirst mich vielleicht nicht mehr sehr lange sehen. Ich bin auf Probezeit gesetzt.«

»Aber Probezeit. . . Wieso . . .«

Er zuckte die Schultern. »Gewissermaßen haben sie ja recht. Warte nur eine Minute, dann will ich dir alles erzählen, was geschehen ist. Beim Nachtmanöver ging ich hinter dir nach unten, und wir machten uns auf den Weg zur Verteidigungslinie. Ich erinnere mich noch genau, daß ich meine Kopflampe ausgeschaltet habe. Und dann erinnere ich mich, daß ich überlegte, wie in aller Welt ich sagen könnte, ob ich nun auf- oder abwärts oder seitlich und welcher Richtung schwimme oder was sonst. Dann . . .« Er zögerte und schüttelte den Kopf. »Dann geschah etwas, Jim. Ehrlich, ich kann nicht sagen, was. Der Arzt sagte etwas über abnormale Druckempfindlichkeit und ein Blackout — na, ich weiß nicht. Mir ist nur in Erinnerung, daß plötzlich alles um mich herum wie ein Nebel war. Ich schien keinen Atem mehr zu bekommen, alles wurde schwarz, obwohl doch vorher schon alles so schwarz war, daß man nicht gut sagen kann, es sei noch schwärzer geworden, aber so war es.« Er breitete die Hände aus. »Und dann war ich auf dem Deck einer kleinen Fischerketsch, sie hatten mich nämlich in den Netzen heraufgezogen.«

»Aber Bob . ..«, begann ich.

»Ich weiß. Ich war lange Zeit im Wasser, und sie sagten mir, ich hätte keinen Sauerstoffvorrat mehr gehabt. Aber ich lebte. Sie hatten kein Radio in der Ketsch, und sie sahen auch nicht ein, weshalb sie mich zum Akademiedock bringen sollten, also brachten sie mich in ihren Heimathafen. Von dort aus riefen sie die Akademie an, und ein Arztoffizier von der Tiefsee-Basis kam und holte mich. Und dann war ich im Krankenhaus.«

»Aber was hat dich ausgehen lassen?«

Er schaute mich düster an. »Der Arzt hat mir darüber eine ganze Menge ziemlich blöder Fragen gestellt. Erst dachte er, das Atemgerät habe vielleicht nicht richtig funktioniert, aber dann bekam er einen Materialbericht, der diesen Punkt verneinte. Er strich mir also nur über den Kopf und erzählte mir, es gebe Leute, die seien eher solchen Dingen ausgeliefert als andere, und schließlich könnte ich ja auch als Landratte ein recht gutes Leben haben .. .«