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»Gut. Willst du deinen Jim Beam nicht trinken?«

Anders Wyller starrte in das Glas. Holte tief Luft. Schüttelte den Kopf. »Ich mag eigentlich gar keinen Whisky. Ich denke, ich bestelle den, um dich zu kopieren.«

»Und?«

»Es ist wohl an der Zeit, mir meinen eigenen Drink zu suchen. Kipp ihn weg, bitte.«

Harry nahm das Glas und schüttete den Inhalt hinter sich ins Spülbecken. Fragte sich, ob er Anders einen Drink aus der Flasche anbieten sollte, die Ståle Aune als verspätetes Geschenk zur Neueröffnung der Bar mitgebracht hatte. Ein orangefarbener Kräuter­likör mit Namen Stumbras 999 Raudonos Devynerios. Sie hatten diesen Likör früher in ihrer Studentenbar gehabt, und der Name hatte den Barchef auf die Idee mit dem Safecode gebracht, der Hallstein Smith schließlich in die Affenfalle hatte tappen lassen. Harry drehte sich um, um Anders das zu erzählen, als er jemanden in die Kneipe kommen sah. Ihre Blicke begegneten sich.

»Entschuldigung«, sagte Harry. »Wir haben hohen Besuch.«

Er musterte sie, während sie durch das volle Lokal schritt, als wäre sie vollkommen allein im Raum. Sie bewegte sich noch immer so wie bei ihrer ersten Begegnung, als sie vor dem Haus auf ihn zugekommen war. Wie eine Ballerina.

Rakel blieb am Tresen stehen und lächelte ihn an.

»Ja«, sagte sie.

»Ja?«

»Du hast mein Jawort. Ich will.«

Harry lächelte breit und legte seine Hand auf ihre. »Ich liebe dich, Frau.«

»Gut zu wissen. Denn wir richten eine Aktiengesellschaft ein, deren Vorstandsvorsitzende ich bin. Ich kriege dreißig Prozent der Aktien, eine 25-Prozent-Stelle, und wir spielen mindestens ­einen PJ-Harvey-Song pro Abend.«

»Abgemacht. Hast du gehört, Øystein?«

»Wenn sie angestellt ist, sieh zu, dass sie hinter den Tresen kommt, aber dalli!«, fauchte Øystein.

Anders zog den Reißverschluss seiner Jacke hoch. »Mona hat eine Kinokarte für mich, also, schönen Abend.«

Rakel ging zu Øystein, und Anders verschwand durch die Tür.

Harry griff zum Telefon und wählte eine Nummer.

»Hagen«, kam als Antwort.

»Hallo, Chef, hier ist Harry.«

»Das sehe ich. Bin ich jetzt wieder dein Chef?«

»Biete Wyller den Job noch einmal an. Besteh darauf, dass er ja sagt.«

»Warum?«

»Weil ich mich geirrt habe. Er ist so weit.«

»Aber …«

»Als Assistenz der Ermittlungsleitung kann er so viel ja auch nicht falsch machen, dafür aber eine Menge lernen.«

»Ja, aber …«

»Und jetzt ist der perfekte Zeitpunkt, in der Stille nach dem Sturm.«

»Du weißt schon, dass das …«

»Ja.«

Harry legte auf. Versuchte den Gedanken zu verdrängen. Was Smith im Auto gesagt hatte. Über das, was kommen würde. Er hatte es Katrine gegenüber erwähnt, und sie hatte Smiths Korrespondenz überprüft, aber nichts gefunden, was auf die Rekrutierung weiterer Vampiristen hindeutete. Sie konnten also nicht viel tun. Außerdem war das vielleicht ja auch nur das Wunschdenken eines total verrückten Mannes. Harry drehte The Jayhawks noch zwei Stufen lauter. So, ja.

Svein »Verlobter« Finne stieg aus der Dusche und trat nackt vor den Spiegel in der leeren Garderobe des Gain-Trainingscenters. Er mochte den Ort, die Aussicht über den Park, das Gefühl von Weite und Freiheit, das ihm gar nicht so zu schaffen machte, wie es ihm prophezeit worden war. Er ließ das Wasser an sich herunterlaufen, die restliche Feuchtigkeit verdampfte auf der Haut. Es war eine lange Trainingseinheit gewesen. Er kannte das aus dem Gefängnis, Stunde um Stunde mit Atmen, Schweiß und Gewichten. Sein Körper spielte mit. Musste mitspielen, er hatte ­einen langen Job vor sich. Er wusste nicht, wer der Mann war, der Kontakt mit ihm aufgenommen hatte, und hatte jetzt auch schon eine ganze Weile nichts mehr von ihm gehört. Aber das Angebot hatte er ganz einfach nicht ablehnen können. Wohnung. Neue Identität. Frauen.

Er fuhr sich mit der Hand über das Tattoo auf seiner Brust.

Dann drehte er sich um und trat an den Schrank in der Umkleide, an dem das Vorhängeschloss mit dem rosa Punkt hing. Er stellte die Zahlenkombination ein, die ihm geschickt worden war. 0999. Mochten die Götter wissen, ob die Ziffern irgend­etwas bedeuteten, aber sie öffneten das Schloss. Er zog die Schranktür auf. Drinnen lag ein Umschlag. Er riss ihn auf und hielt ihn mit der Öffnung nach unten. Ein weißer Plastikschlüssel fiel ihm in die Hand, und ein Zettel mit einer Adresse. Am Holmenkollen.

Und da war noch etwas, das sich im Futter des Umschlags verhakt hatte.

Er löste es und starrte darauf. Schwarz. Und schön, in all seiner banalen Grausamkeit. Dann steckte er es sich in den Mund und biss die Zähne zusammen. Es schmeckte nach Salz und bitterem Eisen.

Er spürte den Brand. Den Durst.

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Der Sohn

Kriminalroman.

Aus dem Norwegischen von Günther Frauenlob.

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Der neue große Roman von Bestsellerautor Jo Nesbø

Sonny Lofthus sitzt im modernen Hochsicherheitsgefängnis Staten in Oslo. Seine kriminelle Karriere begann, als sein Vater Ab sich das Leben nahm. Ab Lofthus war Polizist. Kurz vor seinem Tod gestand er, korrupt gewesen zu sein. Dieser Verrat zerstörte Sonnys Leben.

Jetzt, viele Jahre später, hört er von einem Mitgefangenen, dass alles ganz anders gewesen ist. Sonny will ­Rache. Er flieht aus dem Gefängnis, denn die Verantwortlichen sollen für ihre Verbrechen büßen.

»Ein raffiniert gebauter Roman, der den großen Fragen auf den Grund geht: Sünde, Erlösung, Liebe, das Böse, Menschsein. Einer von Nesbøs besten Romanen, tiefgründig und vielschichtig.«

Kirkus Reviews

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