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»Nein, aber …«

»Jetzt spuck’s schon aus.«

»Sie hat gesagt, dass sie allergisch gegen Katzen ist, und ich habe ihr daraufhin mitgeteilt, dass ich eine Katze habe.«

»Na also, sie haben miteinander geredet! Und was noch?«

»Du kannst genauso gut die Quelle sein, Skarre.« Die tiefe, ruhige Stimme kam von ganz hinten. Alle drehten sich um. Niemand hatte ihn kommen hören. Der großgewachsene Mann lag förmlich in seinem Stuhl, der direkt an der Wand stand.

»Apropos Katze«, sagte Skarre. »Schon erstaunlich, was die ­alles mit anschleppen. Ich habe nicht mit der VG gesprochen, Hole.«

»Du und jeder andere hier im Raum kann ganz unbedarft mit einem Zeugen gesprochen und dabei etwas zu viel preisgegeben haben. Und der Betreffende kann dann bei der Zeitung angerufen und ausgeplaudert haben, was er gerade direkt von den Bullen erfahren hat. Deshalb eine Polizeiquelle. Das passiert immer wieder.«

»Sorry, aber das glaubt hier niemand, Hole«, schnaubte Skarre.

»Das solltet ihr aber«, sagte Harry. »Denn hier wird doch niemand beichten, dass er mit der VG geredet hat. Außerdem, wenn ihr bei den Ermittlungen die ganze Zeit denkt, dass ihr einen Maulwurf in euren Reihen habt, kommt ihr nicht weit.«

»Was macht der eigentlich hier?«, fragte Skarre an Katrine gewandt.

»Harry wird eine Projektgruppe bilden, die parallel zu uns arbeiten wird«, sagte sie.

»Und die vorläufig noch ein Ein-Mann-Team ist«, sagte Harry. »Außerdem bin ich hier, um etwas Material anfzufordern. Die neun Prozent, von denen wir nicht wissen, wo sie sich zum Zeitpunkt des Mordes befunden haben … Kann ich von denen eine Liste haben, sortiert nach der Länge ihres letzten Knastaufenthalts?«

»Das übernehm ich«, sagte Tord, erschrak über sich selbst und sah zu Katrine.

Sie nickte. »Noch mehr?«

»Eine Übersicht, welche Sexualstraftäter Elise Hermansen hinter Gitter gebracht hat. Das wäre alles.«

»Ist notiert«, sagte Katrine. »Und da du schon mal hier bist. Lässt du uns an deinen ersten Gedanken teilhaben?«

»Nun«, sagte Harry und sah sich um. »Ich weiß, dass die Rechtsmedizin Gleitmittel gefunden hat, das aller Voraussicht nach vom Täter stammt. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass das eigentliche Motiv Rache ist und der Sex nur on top war. Und dass der Täter schon in ihrer Wohnung war, als sie nach Hause gekommen ist, muss nicht heißen, dass sie ihn hereingelassen hat oder dass sie sich persönlich gekannt haben. Ich würde die Ermittlungen deshalb zu einem so frühen Zeitpunkt nicht einschränken. Aber ich gehe mal davon aus, dass ihr diese Dinge auch auf dem Schirm habt.«

Katrine verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. »Was auch immer. Es ist auf jeden Fall gut, dich wieder hier zu haben, Harry.«

Der vielleicht beste, vielleicht schlechteste, aber auf jeden Fall berüchtigtste Mordermittler der Osloer Polizei versuchte sich trotz seiner fast liegenden Stellung an einer Verbeugung. »Danke, Chef.«

»Du meintest das ernst«, sagte Katrine, als sie mit Harry im Fahrstuhl stand.

»Was meinte ich ernst?«

»Du hast mich Chef genannt.«

»Natürlich«, sagte Harry.

Sie stiegen in der Tiefgarage aus, und Katrine drückte auf den Autoschlüssel. Irgendwo im Dunkeln blinkte und piepte es. Harry hatte sie überzeugt, doch von dem Dienstwagen Gebrauch zu machen, der ihr während einer Mordermittlung wie dieser zustand. Und danach, dass sie ihn nach Hause fahren durfte – als Gegenleistung für einen Kaffee im Restaurant Schrøder.

»Was ist mit deinem Taxifahrer passiert?«, fragte Katrine.

»Øystein? Der ist rausgeflogen.«

»Bei dir?«

»Im Gegenteil. Bei seinem Taxiunternehmen. Es gab da so einen Zwischenfall.«

Katrine nickte und sah Øystein Eikeland vor sich: ein langhaariges Schmalhemd mit Junkiezähnen und einer Whiskytrinkerstimme. Er sah aus wie siebzig, war aber einer von Harrys Jugendfreunden. Einer von zweien, wie Harry immer betonte. Der andere hieß Holzschuh und war, wenn das überhaupt ging, eine noch bizarrere Figur. Ein übergewichtiger, ziemlich unangenehmer Büroangestellter, der nachts zu einem pokerspielenden Mr Hyde mutierte.

»Was ist passiert?«, fragte Katrine.

»Hm. Willst du das wirklich wissen?«

»Nein, aber sag schon.«

»Øystein reagiert auf Panflöten allergisch.«

»Wer tut das nicht?«

»Er hatte eine Langstreckenfahrt nach Trondheim mit einem Typen, der nur Taxi fahren konnte, wegen Flug- und Zugangst. Aber das war nicht sein einziges Problem, denn unterwegs wollte er unbedingt eine CD mit Panflötenversionen von alten Pop-Hits hören, um dabei seine Atemübungen zu machen, ohne die er nicht leben könne. Na ja, und dann kam es, wie es kommen musste. Als die Panflötenversion von ›Careless Whisper‹ mitten in der Nacht oben auf dem Dovrefjell zum siebten Mal lief, hat Øystein die CD aus der Anlage genommen, das Fenster heruntergelassen und sie rausgeschmissen. Dann gab es ein Handgemenge.«

»Handgemenge ist ein schönes Wort. Und dieser Song ist schon bei George Michael ziemlich unerträglich.«

»Schließlich ist es Øystein gelungen, den Typ rauszusetzen.«

»Während der Fahrt?«

»Nein, aber nachts, mitten im Dovrefjell, etwa zwanzig Kilometer vom nächsten Haus entfernt. Øystein hat zu seiner Verteidigung angeführt, dass es Juli war, heiter bis wolkig, und der Typ ja unmöglich auch Laufangst haben könne.«

Katrine lachte. »Und jetzt ist er arbeitslos? Du solltest ihn als Privatfahrer anstellen.«

»Ich versuche ja, ihm einen Job zu beschaffen, aber Øystein ist – um ihn selbst zu zitieren – schwer vermittelbar und wie geschaffen für die Arbeitslosigkeit.«

Das Restaurant Schrøder ist dem Namen zum Trotz eine ein­fache Kneipe. Das nachmittägliche Stammpublikum war da und nickte Harry wohlwollend zu, keiner sprach ein Wort.

Über das Gesicht der Bedienung hingegen ging ein Strahlen, als wäre der verlorene Sohn zurückgekehrt. Sie servierte ihnen einen Kaffee, der definitiv nicht der Grund dafür sein konnte, dass immer mehr Touristen Oslo als eine der besten Kaffeestädte bezeichneten.

»Schade, dass das mit Bjørn und dir nicht geklappt hat«, sagte Harry.

»Ja.« Katrine wusste nicht, ob er sich wünschte, dass sie etwas mehr ins Detail ging, oder ob das ihr Wunsch war, weshalb sie nur mit den Schultern zuckte.

»Nun«, sagte Harry und führte die Kaffeetasse an die Lippen. »Wie ist dein Leben als frischgebackener Single?«

»Neugierig auf ein Singleleben?«

Er lachte. Und ihr wurde bewusst, dass sie dieses Lachen vermisst hatte. Dass sie es vermisst hatte, ihn zum Lachen zu bringen. Es war jedes Mal wie eine Belohnung.

»Das Singleleben ist okay«, sagte sie. »Ich treffe Männer.« Sie wartete auf eine Reaktion. Hoffte auf eine Reaktion?

»Dann hoffe ich mal, dass Bjørn auch Frauen trifft. Hoffe es für ihn.«

Sie nickte. Dabei war der Gedanke eigentlich neu für sie. Aber trotzdem. Wie ein ironisches Apropos ertönte plötzlich das ­alberne Klingeln eines Tinder-Matches, und Katrine sah eine feuer­rot gekleidete Frau zum Ausgang laufen.

»Warum bist du wieder da, Harry? Das Letzte, was du zu mir gesagt hast, war, dass du nie wieder an einem Mord arbeiten willst.«

Harry drehte die Kaffeetasse in der Hand. »Bellman droht damit, Oleg aus der Polizeihochschule zu werfen.«

Katrine schüttelte den Kopf. »Bellman ist wirklich das größte Arschloch unter Gottes Himmel. Er will, dass ich die Presse anlüge und behaupte, dass dieser Fall eigentlich unlösbar ist. Damit er in einem besseren Licht dasteht, wenn wir ihn doch lösen.«

Harry sah auf die Uhr. »Nun, vielleicht hat Bellman recht. Einem Mörder, der mit Eisenzähnen zubeißt und einen halben Liter Blut von seinem Opfer trinkt, geht es vermutlich mehr um den Mord an sich als um das Opfer. Und damit ist der Fall gleich um Längen komplizierter.«