Выбрать главу

Sie schob das Bild nach rechts. In die Rubrik »Auf dich bin ich neugierig«.

Und hörte das fröhliche Klingeln, das ihr ein weiteres Match verkündete.

Geir atmete heftig durch die Nase.

Er zog die Hose hoch und drehte sich langsam mit seinem Stuhl herum.

Der PC-Bildschirm war das einzige Licht im Zimmer, es fiel auf den Oberkörper der Person, die hinter ihm stand. Das Gesicht konnte er nicht erkennen, nur die weißen Hände, die ihm etwas entgegenstreckten. Es war ein Lederriemen mit einer Schlaufe am Ende.

Die Person trat einen Schritt näher, und Geir wich automatisch zurück.

»Weißt du, was mich noch mehr ankotzt als du?«, flüsterte die Stimme im Dunkeln, während die Hände den Lederriemen strafften.

Geir schluckte.

»Dein Köter«, sagte die Stimme. »Dein Scheißköter, für den du alles tun wolltest. Und der auf den Küchenboden kackt, weil du nicht mit ihm rausgehst.«

Geir räusperte sich. »Aber, Kari …«

»Los, raus! Und rühr mich nicht an, wenn du dann ins Bett kommst!«

Geir nahm das Lederband, und die Tür wurde zugeworfen.

Er blieb im Dunkeln sitzen und kniff die Augen zusammen.

Neun, dachte er. Zwei Männer und eine Frau, ein Mord. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Frau ermordet wird, beträgt eins zu neun, nicht eins zu acht.

Mehmet fuhr mit dem alten BMW langsam aus dem Zentrum in Richtung Kjelsås. Villen, Fjordblick, frischere Luft. Er bog in seine stille, schlafende Straße ein. Sah einen schwarzen Audi R8 neben der Garage vor seinem Haus stehen. Mehmet bremste langsam ab, überlegte einen Augenblick, Gas zu geben und weiterzufahren, wusste aber ganz genau, dass er die Sache damit nur aufschob. Andererseits war Aufschub genau das, was er brauchte. Aber Banks würde ihn überall finden, und vielleicht war der Zeitpunkt jetzt ja ganz passend. Es war dunkel und still. Keine Zeugen. Mehmet parkte am Straßenrand. Öffnete das Handschuhfach. Starrte auf das, was er seit Tagen dort liegen hatte, weil er wusste, dass dieser Moment irgendwann kommen würde. Er nahm es heraus, steckte es in die Jackentasche und ­atmete tief durch. Dann stieg er aus dem Auto und ging auf das Haus zu.

Die Tür des Audis öffnete sich, und Danial Banks stieg aus. Als Mehmet ihn im Pearl of India getroffen hatte, wusste er, dass der pakistanische Vor- und der englische Nachname vermutlich ebenso falsch waren wie die Unterschrift auf dem sogenannten Dokument, das sie unterzeichnet hatten. Aber das Geld, das er ihm über den Tisch geschoben hatte, war echt gewesen.

Der Kies vor dem Haus knirschte unter Mehmets Schuhen.

»Schönes Haus«, sagte Danial Banks, der jetzt mit verschränkten Armen an seinem Auto lehnte. »Und das hat deine Bank als Sicherheit nicht akzeptiert?«

»Ich wohne hier nur zur Miete«, sagte Mehmet. »In der Kellerwohnung.«

»Dumm für mich«, sagte Banks. Er war viel kleiner als Mehmet, trotzdem wirkte er größer, so wie er dastand und seinen Bizeps unter der Anzugjacke massierte. »Dann nützt es uns nichts, die Bude einfach abzufackeln, damit die Versicherung deine Schulden zahlt, oder?«

»Nein, das tut es wohl nicht.«

»Das ist dann wiederum dumm für dich, denn dann muss ich zu den Mitteln greifen, die weh tun. Willst du Details?«

»Willst du nicht erst wissen, ob ich bezahlen kann?«

Banks schüttelte den Kopf und zog einen Gegenstand aus der Tasche. »Deine Rate ist seit drei Tagen fällig, und ich habe dir gesagt, dass Pünktlichkeit das A und O ist. Damit ihr endlich kapiert, dass so etwas nicht toleriert wird, muss ich reagieren, keine Ausnahmen, weder bei dir noch bei anderen Schuldnern.« Er hielt den Gegenstand ins Licht der Garagenlampe. Mehmet schnappte nach Luft.

»Ich weiß, dass das nicht sonderlich originell ist«, sagte Banks, legte den Kopf schief und musterte den Seitenschneider. »Aber effektiv.«

»Aber …«

»Du darfst dir den Finger aussuchen. Die meisten entscheiden sich für den kleinen Finger der linken Hand.«

Mehmet spürte sie in sich aufsteigen. Die Wut. Seine Brust hob sich, als er seine Lungen mit Luft füllte. »Ich habe eine bessere Lösung, Banks.«

»Ach ja?«

»Ich weiß, dass sie nicht sonderlich originell ist«, sagte Mehmet und steckte die Hand in die Tasche. Holte es heraus. Richtete es auf Banks. Legte auch die zweite Hand darum. »Aber effektiv.«

Banks starrte ihn überrascht an. Nickte langsam.

»Da hast du recht«, sagte Banks, nahm das Geldbündel, das Mehmet ihm hinstreckte, und zog die Banderole ab.

»Das deckt die fällige Rate samt Zinsen«, sagte Mehmet. »Du darfst gerne nachzählen.«

Pling.

Ein Tinder-Match.

Der triumphale Handyton, wenn jemand, den du bereits nach rechts verschoben hast, dein Bild ebenfalls nach rechts schiebt.

Elise schwirrte der Kopf, ihr Herz galoppierte.

Sie kannte den Tinder-Effekt und wusste, dass der Aufregung eine erhöhte Herzfrequenz folgte. Und dass eine ganze Reihe von Glückshormonen freigesetzt wurde, von denen man, wie sie jetzt wusste, abhängig werden konnte. Aber nicht deshalb galoppierte ihr Herz so wild.

Denn das Pling war nicht von ihrem Telefon gekommen. Es war nur exakt in dem Moment zu hören gewesen, als sie das Bild nach rechts geschoben hatte. Das Foto der Person, die sich laut Tinder weniger als einen Kilometer entfernt befand.

Sie starrte auf die geschlossene Schlafzimmertür. Schluckte.

Das Geräusch musste aus der Nachbarwohnung gekommen sein. Im Haus wohnten viele Singles, viele potentielle Tinder-Nutzer. Und es war mittlerweile vollkommen still, sogar in der Wohnung unter ihr, in der die Mädels eine Party gefeiert hatten, als sie zu ihrem Date gegangen war. Sie wusste, dass es nur eine wirksame Methode gab, um eingebildete Monster loszuwerden. Man musste sich ihnen stellen.

Elise stand vom Sofa auf und ging die vier Schritte zur Schlafzimmertür. Zögerte. Ein paar Vergewaltigungsfälle, an denen sie gearbeitet hatte, gingen ihr durch den Kopf.

Sie riss sich zusammen und öffnete die Tür.

Blieb auf der Schwelle stehen und rang nach Luft. Weil keine da war, auf jeden Fall keine, die sie einatmen konnte.

Das Licht am Bett brannte, und das Erste, was sie sah, waren die Sohlen der Cowboystiefel, die aus dem Bett herausragten. Jeans und ein paar lange, übereinandergeschlagene Beine. Der Mann, der dort lag, war wie auf dem Foto halb im Dunkeln, unscharf. Er hatte sein Hemd aufgeknöpft und die Brust entblößt. Das Gesicht, das darauf tätowiert war, bannte sie. Der stumme Schrei. Als hinge es irgendwie fest und versuchte rauszukommen. Auch Elises Schrei blieb stumm.

»So sehen wir uns also wieder, Elise«, flüsterte er.

Aufgrund der Stimme wusste sie, warum ihr das Profilbild so bekannt vorgekommen war. Die Haarfarbe war verändert, das Gesicht schien operiert worden zu sein, sie sah noch die Narben.

Er hob die Hand und schob sich etwas in den Mund.

Elise starrte ihn entgeistert an und wich langsam zurück. Dann drehte sie sich um, bekam Luft in die Lungen und wusste, dass sie diese Luft zum Laufen verwenden sollte, nicht zum Schreien. Es waren fünf, höchstens sechs Schritte bis zur Wohnungstür. Sie hörte das Bett knarren, aber sein Weg war länger. Wenn sie es ins Treppenhaus schaffte, konnte sie schreien, dann würde man ihr helfen. Sie drückte die Klinke nach unten und versuchte, die Tür aufzureißen, aber sie ging nicht auf. Die Sicherheitskette. Sie schloss die Tür ein wenig und versuchte, die Kette zu lösen, aber das alles ging viel zu langsam. Wie in einem Alptraum. Viel zu langsam. Etwas legte sich ihr über den Mund, und sie wurde nach hinten gezogen. Verzweifelt schob sie den Arm über der Kette durch den Türspalt und bekam den Türrahmen zu fassen. Sie versuchte zu schreien, aber die große, nach Nikotin stinkende Hand lag zu fest auf ihrem Mund. Er riss sie nach hinten und drückte die Tür zu. Er flüsterte ihr ins Ohr: »Gefalle ich dir nicht? Du siehst auch nicht so gut aus wie auf deinem Profilbild, Baby. Wir sollten uns ein bisschen besser kennenlernen, damals hatten wir ja nicht genug Z-Zeit.«