Выбрать главу

Mehmet und Sølle betrachteten das Bild genau. Dann schüttelten beide den Kopf.

»Ach, und übrigens, vergiss dieses Bier«, sagte Sølle. »Mir ist gerade eingefallen, dass ich nach Hause muss.«

»Wie du siehst, ist es bereits eingeschenkt«, sagte Mehmet.

»Der Hund muss raus. Gib es dem Polizisten, er sieht aus, als hätte er Durst.«

»Hm. Wenn Sie mir eine letzte Frage beantworten, Sølle. Im Protokoll der Zeugenvernehmung steht, dass Elise Hermansen Ihnen von einem Stalker erzählt hat, der sie verfolgt und bedroht hat, als sie mit anderen Männern zusammen war. Hatten Sie den Eindruck, dass das stimmte?«

»Stimmte?«

»Dass sie das nicht nur gesagt hat, um Sie auf Distanz zu halten.«

»Tja, schwer zu sagen. Sie hatte wohl ihre Methoden, um lästige Frösche loszuwerden.« Geir Sølles Versuch zu lächeln geriet zu einer Grimasse. »Wie mich.«

»Hm. Glauben Sie, dass sie viele Frösche geküsst hat?«

»Wissen Sie, Tinder kann ganz schön enttäuschend sein, aber man gibt die Hoffnung nicht auf.«

»Dieser Stalker, hatten Sie den Eindruck, dass das irgendein zufälliger Unbekannter war oder ein Mann, mit dem sie mal etwas hatte?«

»Kann ich nicht sagen.« Geir Sølle zog den Reißverschluss ­seiner Weste bis oben, obwohl es draußen mild war. »Ich gehe jetzt.«

Als die Tür hinter dem Mann zufiel, legte Harry einen Hunderter auf den Tresen.

»Ein Mann, mit dem sie mal etwas hatte?«, fragte der Barkeeper und gab Harry das Wechselgeld zurück. »Ich dachte, bei diesen Morden ginge es nur um das Trinken von Blut? Und um Sex.«

»Möglich«, sagte Harry. »In der Regel hat es aber was mit Eifersucht zu tun.«

»Und wenn nicht?«

»Dann geht es vielleicht um das, was Sie meinten.«

»Um Blut und Sex?«

»Ums Gewinnen.« Harry starrte in das Glas. Bier hatte ihn schon immer satt und müde gemacht. Die ersten Schlucke mochte er, danach schmeckte es immer trauriger. »Apropos gewinnen. Sieht aus, als würde Galatasaray verlieren. Haben Sie was dagegen, wenn wir umschalten und uns das Sonntagsmagazin auf NRK 1 ansehen?«

»Und wenn ich jetzt Bes¸iktas¸-Fan wäre?«

Harry nickte in Richtung der verspiegelten Regale hinter dem Tresen. »Dann stünde da hinten hinter der Jim-Beam-Flasche kein Galatasaray-Wimpel, Mehmet.«

Der Barkeeper sah Harry an, schüttelte grinsend den Kopf und drückte auf die Fernbedienung.

»Wir können nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass derjenige, der gestern die Frau in Hovseter angegriffen hat, auch der Mörder von Elise Hermansen und Ewa Dolmen ist«, sagte Katrine und bemerkte, wie still es im Studio war, als würden ihr wirklich alle zuhören. »Was ich aber sagen kann, ist, dass wir physische Spuren haben und eine Zeugenaussage, die eine ganz konkrete Person mit dem gestrigen Angriff in Verbindung bringt. Und da der Verdächtige überdies ein in Zusammenhang mit anderen Taten gesuchter Sexualverbrecher ist, haben wir uns entschieden, mit seinem Namen an die Öffentlichkeit zu gehen.«

»Und das tun Sie zum ersten Mal hier bei uns im Sonntags­magazin

»Das stimmt. Sein richtiger Name lautet Valentin Gjertsen, vermutlich nutzt er aktuell aber einen anderen Namen.«

Sie sah, dass der Moderator etwas enttäuscht darüber war, dass sie den Namen so ohne weiteres ausgeplaudert hatte. Er schien sich vorher Trommelwirbel und Fanfaren gewünscht zu haben.

»Ich habe auch ein sogenanntes Phantombild, das aber nur zeigt, wie er vor drei Jahren ausgesehen hat«, sagte sie. »Vermutlich hat er umfangreiche plastische Operationen machen lassen, trotzdem sollte das Bild ausreichen, um einen Anhaltspunkt zu geben.« Katrine hielt die Zeichnung in Richtung der kleinen Tribüne, auf der gut fünfzig Zuschauer saßen, die der Sendung, wie der Moderator betont hatte, das besondere Flair verliehen. Katrine sah die rote Lampe an der Kamera angehen und wartete, damit die Zeichnung auch die Zuschauer an den Bildschirmen erreichte. Der Moderator sah sie mit seligem Blick an.

»Wer etwas über diese Person weiß, wird gebeten, sich bei der Polizei zu melden. Wir haben ein Infotelefon eingerichtet«, sagte Katrine. »Das Phantombild, der Name und die bislang bekannten Decknamen sind samt der Nummer unseres Infotelefons auf der Website der Osloer Polizei zu finden.«

»Und es ist natürlich Eile geboten«, sagte der Moderator in Richtung Kamera. »Zweifelsohne besteht das Risiko, dass er schon heute Abend wieder zuschlägt.« Er drehte sich zu Katrine. »Möglicherweise schon jetzt, in diesem Augenblick, nicht wahr?«

Katrine sah, dass er ihre Unterstützung wollte, damit auch noch der Letzte sich vorstellen konnte, wie der Vampirist irgendwo frisches, körperwarmes Blut trank.

»Wir wollen das nicht ausschließen«, sagte sie. Genau diese Formulierung hatte Bellman ihr eingehämmert. Wort für Wort. Und ihr erklärt, dass der Unterschied zwischen »Wir können das nicht ausschließen« und »Wir wollen das nicht ausschließen« eben darin bestand, dass man mit Letzterem den Eindruck vermittelte, genug Überblick zu haben, um eine ganze Menge ausschließen zu können, es aber trotzdem ganz bewusst nicht tat. »Ich habe aber auch Informationen, die darauf hindeuten, dass es Valentin Gjertsen gelungen sein könnte, zwischen dem letzten Überfall und der Feststellung seiner Identität das Land zu verlassen. Es ist wahrscheinlich, dass er einen Rückzugsort ­außerhalb Norwegens hat. Vermutlich hat er sich dort auch aufgehalten, als hier nach ihm gefahndet wurde.«

Bellman hatte ihr diese Wortwahl nicht erklären müssen. Sie lernte schnell. »Ich habe Informationen« ließ die Leute gleich an Fahnder denken, an geheime Informanten und gründliche Polizeiarbeit. Dass sie dabei nur an leicht zugängliche Fahrpläne von Flug, Zug oder Fähre dachte, wusste niemand, aber so sagte sie wenigstens die Wahrheit. Für die Behauptung, dass er sich wahrscheinlich im Ausland aufgehalten hatte, gab es Rücken­deckung von oben, solange nicht das Gegenteil bewiesen war. Außerdem konnte sie so auf höchst elegante Weise die Verantwortung dafür, dass Valentin Gjertsen in all diesen Jahren noch nicht gefasst worden war, auf das »Ausland« abwälzen.

»Und wie findet man so einen Vampiristen?«, fragte der Moderator und wandte sich dem zweiten Gast zu. »Wir haben Hallstein Smith eingeladen, Professor der Psychologie und Autor einer ganzen Reihe von Artikeln über Vampirismus. Können Sie uns darauf eine Antwort geben, Professor Smith?«

Katrine sah zu Smith, der inzwischen auf dem dritten Sessel Platz genommen hatte. Er trug eine große Brille und eine mehrfarbige Anzugjacke, die wie selbstgenäht aussah. Er bildete einen deutlichen Kontrast zu Katrines Erscheinung mit strenger, engsitzender schwarzer Lederhose, der körpernah geschnittenen schwarzen Latexjacke und den glatt nach hinten gekämmten Haaren. Sie wusste, dass sie gut aussah und Kommentare und Angebote auf ihrer Website finden würde, wenn sie diese später am Abend checkte. Aber das war ihr egal. Über ihre Kleidung hatte Bellman nichts gesagt. Sie hoffte nur, dass diese blöde Lien zusah.

»Äh«, sagte Smith und lächelte etwas verwirrt.

Katrine sah, dass der Moderator besorgt war, ob der Psychologe den Faden verloren haben könnte und er eingreifen müsste.

»Nun, zum einen bin ich kein Professor – ich arbeite noch an meiner Doktorarbeit –, werde Sie aber informieren, wenn ich bestanden habe.«

Die Zuschauer lachten.

»Zum anderen wurden die Artikel, die ich geschrieben habe, nicht in Fachzeitschriften, sondern nur in etwas zweifelhaften Magazinen veröffentlicht, die sich den eher obskuren Randphänomenen der Psychologie widmen. Eines der Magazine heißt Psycho, wie der gleichnamige Film. Das war, um ehrlich zu sein, der Tiefpunkt meiner akademischen Karriere.«

Erneutes Lachen.

»Aber ich bin Psychologe«, sagte er zum Publikum gewandt. »Mit einem überdurchschnittlichen Abschluss an der Mykolasomeris-Universität in Vilnius. Und ich habe auch so ein Sofa, auf das man sich legen und für fünfzehnhundert Kronen an die Decke schauen kann, während ich so tue, als würde ich mir Notizen machen.«