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Die Tür ging auf. Drei junge Frauen starrten ihn mit entsetzten Gesichtern an, ganz offensichtlich hatten sie bereits mitbekommen, was passiert war.

»Polizei«, sagte Truls und hielt seine Marke hoch. »Ich habe ein paar Fragen. Hat jemand von Ihnen etwas gehört, also zwischen …«

»… ein paar Fragen, für deren Beantwortung wir auf Ihre Mithilfe hoffen«, sagte eine Stimme hinter ihm. Der Neue. Wyller. Truls sah das Entsetzen aus den Gesichtern der Frauen weichen, ihre Mienen entspannten sich sichtlich.

»Natürlich«, sagte diejenige, die die Tür geöffnet hatte. »Wissen Sie schon, wer … also wer das da … war

»Dazu können wir natürlich nichts sagen«, erwiderte Truls.

»Aber was wir sagen können«, übernahm Wyller, »ist, dass Sie sich keine Sorgen zu machen brauchen. Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie studieren und sich die Wohnung als WG teilen?«

»Ja«, sagten sie im Chor, als wollte jede die Erste sein.

»Dürfen wir kurz reinkommen?« Wyllers Lächeln war so strahlend wie das von Bellman, stellte Truls fest.

Die jungen Frauen gingen ins Wohnzimmer voraus. Zwei von ihnen räumten schnell ein paar Bierflaschen und Gläser vom Tisch und verließen damit den Raum.

»Wir hatten gestern eine Party«, sagte die dritte entschuldigend. »Das ist so schrecklich.«

Truls war sich nicht sicher, ob sie den Mord an der Nachbarin meinte oder dass er passiert war, während sie gefeiert hatten.

»Haben Sie gestern Abend zwischen zehn Uhr und Mitternacht irgendetwas gehört?«, fragte Truls.

Die junge Frau schüttelte den Kopf.

»Hatte Else …?«

»Elise«, korrigierte Wyller sie, der mittlerweile Block und Stift gezückt hatte. Truls dachte, dass er das vielleicht auch tun sollte.

Er räusperte sich. »Hatte Ihre Nachbarin einen Freund, der öfter mal hier war?«

»Weiß ich nicht«, antwortete die junge Frau.

»Danke, das war schon alles«, sagte Truls und drehte sich um, um zur Tür zu gehen, als die beiden anderen zurückkamen.

»Vielleicht sollten wir auch noch hören, was die anderen zu sagen haben«, meinte Wyller. »Ihre Freundin hat angegeben, dass sie gestern Abend nichts gehört hat und nicht weiß, ob es Personen gibt, mit denen Elise Hermansen in der letzten Zeit ­regelmäßig Kontakt hatte. Haben Sie da noch etwas hinzuzufügen?«

Die zwei sahen sich an, ehe sie sich wieder Wyller zuwandten und synchron ihre blonden Köpfe schüttelten. Truls entging nicht, dass sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf den jungen Ermittler richteten, aber das machte ihm nichts aus, er hatte weitreichend Erfahrung damit, übersehen zu werden. War den kleinen Stich in der Brust gewohnt, seit Ulla ihn damals in der weiterführenden Schule endlich einmal angesprochen hatte, nur um zu fragen, ob er wisse, wo Mikael sei. Und ob er ihm etwas ausrichten könne – schließlich gab es damals noch keine Handys. Einmal hatte Truls gesagt, dass das nicht einfach werden würde, da Mikael mit einer Freundin beim Zelten sei. Dabei war das mit dem Zelten gelogen, aber er wollte wenigstens einmal denselben Schmerz, seinen Schmerz, in ihrem Blick sehen.

»Wann haben Sie Elise zuletzt gesehen?«, fragte Wyller.

Die drei jungen Frauen sahen sich noch einmal an. »Wir haben sie nicht gesehen, aber …«

Die eine kicherte und hielt sich entsetzt die Hand vor den Mund, als ihr klarwurde, wie unpassend ihr Verhalten war. Die junge Frau, die ihnen die Tür geöffnet hatte, räusperte sich. »Enrique hat heute Morgen angerufen und erzählt, dass er und Alfa auf dem Weg nach Hause ins Treppenhaus gepinkelt haben.«

»Die sind echt asozial«, sagte die Größte von den dreien.

»Sie waren halt betrunken«, sagte die Dritte und kicherte wieder.

Die junge Frau, die die Tür geöffnet hatte, warf den beiden anderen einen tadelnden Blick zu. »Auf jeden Fall ist eine Frau ins Haus gekommen, als sie da standen, und sie haben angerufen, um sich für ihr Verhalten zu entschuldigen, falls wir wegen ihnen Ärger kriegen.«

»Wie rücksichtsvoll von den beiden«, sagte Wyller. »Und sie glauben, diese Frau war …«

»Sie sind sicher. Die beiden haben im Internet gelesen, dass eine Dreißigjährige ermordet wurde, das Haus war auf Fotos zu sehen. Sie haben weiter gegoogelt und in einer Netzzeitung ein Bild von ihr gefunden.«

Truls grunzte. Er hasste Journalisten. Das waren alles verfluchte Aasgeier. Er trat ans Fenster und sah nach draußen auf die Straße. Und da standen sie, nur zurückgehalten vom Absperrband der Polizei, mit ihren langen Teleobjektiven wie Schnäbel vor den Gesichtern, um, sobald sich die kleinste Chance bot, ein Foto zu schießen, sich ein Stückchen der Toten zu sichern, wenn sie aus dem Haus getragen wurde. Neben dem wartenden Krankenwagen stand ein Typ mit grün-gelb-rot gestreifter Rastamütze und sprach mit den weißgekleideten Kollegen von der Spurensicherung. Bjørn Holm von der Kriminaltechnik. Holm nickte den Kollegen zu und verschwand wieder im Haus. Er ging gekrümmt, zusammengesunken, als hätte er Magenschmerzen, und Truls fragte sich, ob das etwas damit zu tun hatte, dass der Tölpel mit dem runden Gesicht und den Dorschaugen gerade von Katrine Bratt abserviert worden war. Gut. Dann wussten wenigstens auch noch andere, wie es war, gedemütigt zu werden. Wyllers helle Stimme plätscherte im Hintergrund. »Die heißen also Enrique und …?«

»Nein, nein!« Die jungen Frauen lachten. »Henrik. Und Alf.«

Truls schaute Wyller an und nickte in Richtung Tür.

»Danke, meine Damen, das war schon alles«, sagte Wyller. »Das heißt, ach ja, kann ich noch ihre Telefonnummern bekommen?«

Die Frauen starrten ihn mit so etwas wie freudigem Entsetzen an.

»Die von Henrik und Alf«, fügte er grinsend hinzu.

Katrine stand hinter der Rechtsmedizinerin, die neben dem Bett im Schlafzimmer in die Hocke gegangen war. Elise Hermansen lag auf dem Rücken, die Decke unter sich. So, wie das Blut auf ­ihrer weißen Bluse verteilt war, musste sie gestanden haben, als ihr die Verletzungen zugefügt worden waren. Vermutlich vor dem Spiegel. Der Teppich davor war derart mit Blut getränkt, dass er am Parkett festklebte. Die Blutspuren zwischen Flur und Schlafzimmer und die geringe Menge Blut im Bett zeigten zudem, dass das Herz von Elise Hermansen wohl schon im Flur zu schlagen aufgehört hatte. Ausgehend von der Körpertemperatur und dem rigor mortis, nahm die Rechtsmedizinerin an, dass der Tod irgendwann zwischen dreiundzwanzig Uhr und ein Uhr nachts eingetreten war. Die Todesursache war vermutlich der Blutverlust, nachdem die Halsschlagader durch einen oder mehrere Stiche seitlich am Hals und über der linken Schulter punktiert worden war.

Die Hose und der Slip waren ihr heruntergezogen worden.

»Ich habe ihre Nägel gesäubert und geschnitten, kann mit bloßem Auge aber keine Hautreste sehen«, sagte die Rechtsmedizinerin.

»Seit wann machen Sie die Arbeit der Kriminaltechnik?«, fragte Katrine.

»Seit Bjørn uns darum gebeten hat«, antwortete sie. »Er kann so nett fragen.«

»Ach ja? Gibt es noch andere Wunden?«

»Sie hat eine Hautabschürfung am linken Unterarm und einen Splitter im Mittelfinger der linken Hand.«

»Ist sie vergewaltigt worden?«

»Es gibt keine sichtbaren Spuren für Gewalt im Genitalbereich, aber das hier …« Sie hielt eine Lupe über den Bauch des Opfers. Katrine sah hindurch und erkannte einen dünnen weißen Streifen. »… könnte Speichel von ihr oder jemand anderem sein, sieht aber eher nach Präejakulat oder Sperma aus.«

»Wollen wir das mal hoffen«, sagte Katrine.

»Hoffen, dass sie vergewaltigt wurde?« Bjørn Holm war ins Zimmer getreten und hatte sich hinter sie gestellt.

»Wenn es eine Vergewaltigung war, deutet alles darauf hin, dass sie post mortem stattgefunden hat«, sagte Katrine, ohne sich umzudrehen. »Dann hat sie das eh nicht mehr mitbekommen. Und ich würde schon gerne etwas Sperma haben.«