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»Hab nur Spaß gemacht«, sagte Bjørn leise in seinem charakteristischen Dialekt.

Katrine schloss die Augen. Natürlich wusste er, dass Sperma bei einem Fall wie diesem das ultimative »Sesam, öffne dich!« war. Und natürlich versuchte er, die düstere Stimmung aufzuhellen, die seit ihrem Auszug vor drei Monaten zwischen ihnen herrschte. Auch sie versuchte das immer wieder, aber es wollte ihr einfach nicht gelingen.

Die Rechtsmedizinerin sah zu ihnen hoch. »Ich bin dann hier fertig«, sagte sie und rückte ihren Hidschab zurecht.

»Der Krankenwagen ist da. Meine Leute bringen den Leichnam dann runter«, sagte Bjørn. »Danke für deine Hilfe, Zahra.«

Die Rechtsmedizinerin nickte und beeilte sich, aus dem Zimmer zu kommen. Bestimmt spürte auch sie die angespannte Stimmung.

»Und?«, fragte Katrine und zwang sich, Bjørn anzusehen und seinen finsteren Blick, in dem mehr Trauer als Vorwurf lag, zu ignorieren.

»Da gibt es nicht viel zu sagen«, meinte er und kratzte sich den dichten roten Wangenbart unter der Rastamütze.

Katrine wartete, sie hoffte, dass sie noch immer über den Mord redeten.

»Sie war nicht gerade die Reinlichste, wir haben Haare von ­einer ganzen Reihe von Personen gefunden – hauptsächlich Männer. Und die werden vermutlich nicht alle gestern Abend hier gewesen sein.«

»Sie war Anwältin«, sagte Katrine. »Einer alleinstehenden Frau mit einem anspruchsvollen Job ist Sauberkeit vielleicht nicht so wichtig wie dir.«

Er lächelte kurz, ohne ihr zu widersprechen. Und Katrine spürte den Anflug eines schlechten Gewissens, das er ihr immer irgendwie machte. Sie hatten sich nie übers Putzen gestritten, Bjørn hatte immer klaglos gespült, die Treppe gewischt, Wäsche gewaschen oder gestaubsaugt. Wie auch alles andere. Nicht ein verfluchter Streit in dem ganzen Jahr, das sie zusammengewohnt hatten, dem wich er grundsätzlich aus. Und wenn sie mal nicht mehr gekonnt hatte, war er da gewesen, aufmerksam, fürsorglich, unermüdlich wie eine beschissene Maschine, so dass sie sich wie eine verwunschene Prinzessin gefühlt hatte. Je mehr er tat, desto schlimmer.

»Woher weißt du eigentlich, dass die Haare von Männern stammen?«, fragte sie seufzend.

»Eine alleinstehende Frau mit einem anspruchsvollen Job …«, sagte Bjørn, ohne sie anzusehen.

Katrine verschränkte die Arme. »Was willst du damit sagen, Bjørn?«

»Was?« Sein blasses Gesicht bekam eine leicht rötliche Färbung, und seine Augen traten noch deutlicher hervor.

»Dass ich rumvögel? Wenn du Details wissen willst …«

»Nein!« Bjørn hob beschwichtigend die Hände. »Sorry, so meinte ich das nicht. War nur ein schlechter Scherz.«

Katrine wusste, dass sie Verständnis haben sollte. Und manchmal hatte sie das auch. Aber nicht so, dass man jemanden tröstend in den Arm nehmen wollte. Sie empfand eher Verachtung, das Bedürfnis, auf ihn einzuschlagen und ihn zu demütigen. Und um genau das nicht erleben zu müssen, um Bjørn Holm, diesen feinen Mann, niemals gedemütigt zu sehen, hatte sie ihn verlassen. Katrine Bratt holte tief Luft.

»Männer also?«

»Die meisten Haare waren kurz«, sagte Bjørn. »Mal sehen, ob die Analysen meine Annahme bestätigen. Auf jeden Fall haben wir genug DNA, um die Rechtsmedizin für eine ganze Weile zu beschäftigen.«

»Okay«, sagte Katrine und drehte sich wieder zu der Toten um. »Irgendeine Idee, womit er sie erstochen haben könnte? Es sieht so aus, als hätte er auf sie eingehackt. Die Stiche liegen dicht beieinander.«

Bjørn schien erleichtert zu sein, dass sich ihr Gespräch wieder auf den Fall richtete.

Mann, bin ich müde, dachte Katrine.

»Es ist nicht leicht zu erkennen, aber die Stiche bilden ein Muster«, sagte er. »Genauer gesagt, zwei Muster.«

»Ja?«

Bjørn trat dicht an die Leiche heran und zeigte unter den kurzen blonden Haaren auf ihren Hals. »Siehst du nicht, dass die Stiche wie zwei etwas abgerundete Vierecke angeordnet sind, die sich ein wenig überschneiden? Hier und hier?«

Katrine neigte den Kopf zur Seite. »Jetzt, wo du es sagst …«

»Wie zwei Bisse.«

»Verdammt«, rutschte es Katrine heraus. »Ein Tier?«

»Wer weiß. Stell dir mal vor, wie die Haut zusammengequetscht wird, wenn sich Ober- und Unterkiefer schließen. Das ergibt so einen Abdruck wie hier.« Bjørn Holm zog ein Stück transparentes Papier aus der Tasche, das Katrine als das Butterbrotpapier erkannte, in das er immer seine Brote einschlug, bevor er zur Arbeit ging. Die Abdrücke hatten die gleiche Form. Er hielt das Papier dicht über die Einstiche im Hals. »Ziemlich viel Ähnlichkeit mit dem Biss von einem Landei wie mir, wenn du mich fragst.«

»Aber Menschenzähne können doch so etwas nicht anrichten.«

»Stimmt, trotzdem sieht der Abdruck aus wie von einem Menschen.«

Katrine befeuchtete sich die Lippen. »Es gibt Menschen, die ihre Zähne spitz feilen lassen.«

»Wenn das Zähne waren, finden wir vielleicht Speichel in der Wunde. Wie auch immer, wenn er im Flur war, als er sie gebissen hat, muss er hinter ihr gestanden haben und größer als sie sein.«

»Die Rechtsmedizinerin hat unter den Nägeln der Toten nichts gefunden, ich nehme an, er hat sie festgehalten«, sagte Katrine. »Ein kräftiger, mittelgroßer bis großer Mann mit Raubtierzähnen.«

Schweigend betrachteten sie den Leichnam. Wie ein junges Paar in einer Kunstausstellung, das überlegt, mit welchen Gedanken der andere zu beeindrucken wäre, dachte Katrine. Nur mit dem Unterschied, dass Bjørn es nie darauf anlegte, andere zu beeindrucken. Das war eher ihr Ding.

Katrine hörte Schritte im Flur. »Ich will hier nicht noch mehr Leute haben!«, rief sie.

»Wollte nur sagen, dass im angegebenen Zeitraum nur in zwei Wohnungen jemand war und dass keiner von denen etwas gehört oder gesehen hat.« Wyllers helle Stimme. »Und ich habe gerade mit zwei jungen Männern gesprochen, die Elise Hermansen gesehen haben, als sie nach Hause gekommen ist. Sie sagen, sie wäre allein gewesen.«

»Und diese jungen Männer sind …«

»… nicht vorbestraft, haben eine Taxiquittung, aus der hervorgeht, dass sie hier gegen halb zwölf den Abflug gemacht haben. Sie sagen, dass Elise Hermansen sie überrascht habe, als sie unten in den Hausflur gepinkelt haben. Soll ich sie einbestellen?«

»Das sind sicher nicht die Täter, aber lad sie trotzdem vor.«

»Okay.«

Wyllers Schritte entfernten sich.

»Sie ist allein gekommen, und es gibt keine Anzeichen für einen Einbruch«, sagte Bjørn. »Glaubst du, sie hat ihn freiwillig reingelassen?«

»Nur, wenn sie ihn gut kannte.«

»Was?«

»Elise war Anwältin, sie wusste, was passieren konnte. Und die Kette an der Tür sieht noch ganz neu aus. Ich glaube, sie war ein vorsichtiges Mädchen.« Katrine hockte sich noch einmal neben die Tote und musterte den Splitter, der aus Elises Mittelfinger ragte. Und die Hautabschürfung auf ihrem Unterarm.

»Anwältin?«, fragte Bjørn. »Wo?«

»Hollumsen & Skiri. Sie haben die Polizei alarmiert, weil Hermansen einen Gerichtstermin nicht wahrgenommen hat und auch nicht ans Telefon gegangen ist. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Anwälte, die sich für Vergewaltigungsopfer einsetzen, von Sexualstraftätern bedroht werden.«

»Glaubst du, dass ein …?«

»Nein, ich glaube, wie gesagt, nicht, dass sie jemanden reingelassen hat. Aber …« Katrine zog die Stirn in Falten. »Was würdest du sagen, welche Farbe dieser Splitter da hat?«

Bjørn beugte sich über die Tote. »Weiß ist er jedenfalls nicht.«

»Rosa«, sagte Katrine und stand auf. »Komm!«

Katrine öffnete die Wohnungstür und zeigte auf den abgesplitterten Rahmen auf der Außenseite. »Rosa.«

»Wenn du das sagst«, brummte Bjørn.

»Siehst du das nicht?«, fragte sie ungläubig.

»Die Forschung hat längst nachgewiesen, dass Frauen generell mehr Farbnuancen sehen als Männer.«