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Katrine nahm ihr Handy und wählte die Nummer. Er meldete sich sofort.

»Habt ihr ihn?« Bjørn Holm klang kurzatmig.

»Nein«, sagte sie. »Aber hier liegt der Körper einer Frau.«

»Tot?«

»Jedenfalls nicht lebendig.«

»Verdammt! Marte Ruud? Warte … nee, Moment … was meinst du mit nicht lebendig?«

»Nicht tot, aber auch nicht lebendig.«

»Was?«

»Eine Sexpuppe.«

»Eine … was?«

»So eine Puppe, die man ficken kann. Sieht teuer aus, made in Japan. Sehr lebensecht, ich habe die wirklich erst für einen Menschen gehalten. Wie dem auch sei, Alexander Dreyer ist Valentin Gjertsen, das Eisengebiss ist hier. Wir müssen hier noch warten und sehen, ob er auftaucht. Habt ihr was von Harry gehört?«

»Nein.«

Katrines Blick fiel auf einen Kleiderbügel und eine Unterhose, die vor dem Schrank auf dem Boden lagen. »Mir gefällt das nicht, Bjørn, er war auch nicht im Krankenhaus.«

»Das gefällt keinem. Sollen wir eine Fahndung rausgeben?«

»Nach Harry? Wofür sollte das denn gut sein?«

»Du hast recht. Pass auf, dass du nicht so viel rumläufst, in der Wohnung könnten Spuren von Marte Ruud sein.«

»Okay, ich denke aber, dass er alle Spuren beseitigt hat. Was die Wohnung angeht, hat Harry recht. Valentin ist extrem reinlich.« Noch einmal fiel ihr Blick auf den Kleiderbügel und die Unterhose. »Das heißt …«

»Ja?«, fragte Bjørn nach einer Pause.

»Verdammt!«, sagte Katrine.

»Was ist?«

»Er hat in aller Eile ein paar Sachen in eine Tasche oder einen Koffer geworfen und seine Toilettensachen aus dem Bad mitgenommen. Valentin wusste, dass wir kommen …«

Valentin öffnete. Und sah, wessen Füße er direkt vor seiner Tür gehört hatte. Das Zimmermädchen beugte sich mit der Schlüsselkarte in der Hand zu seiner Tür vor.

»Oh, sorry«, sagte sie mit einem Lächeln. »I didn’t know the room was occupied …«

»I’ll take those«, sagte er und nahm ihr die Handtücher aus den Händen. »And could you please clean again?«

»Sorry?«

»I’m not happy with the cleaning. There are fingermarks on the window glass. Please clean the room again in, let’s say, one hour?«

Ihr verblüfftes Gesicht verschwand, als er die Tür schloss.

Er legte die Handtücher auf den Tisch, setzte sich auf den Sessel und öffnete seinen Koffer.

Die Sirenen waren verstummt. Vielleicht waren sie jetzt in seiner Wohnung, Luftlinie waren es nur ein paar Kilometer bis Sinsen.

Es war weniger als eine halbe Stunde her, dass der andere angerufen und ihn gewarnt hatte, dass die Polizei seinen Aufenthaltsort und den Namen kannte, den er nutzte. Er müsse verschwinden. Valentin hatte nur die wichtigsten Sachen gepackt und das Auto stehenlassen, da es auf seinen Decknamen angemeldet war.

Er nahm die Mappe aus der Tasche und schlug sie auf. Ließ den Blick über die Bilder schweifen, die Adressen. Zum ersten Mal seit langem wurde ihm bewusst, dass er keine Ahnung hatte, was er tun sollte.

In ihm hallte die Stimme des Psychologen nach.

»… nur ein armseliger Perverser, der derart außer Kontrolle ist, dass er bald einen großen Fehler begehen wird.«

Valentin Gjertsen stand auf und zog sich aus. Nahm die Handtücher und ging ins Bad. Drehte das warme Wasser in der ­Dusche auf. Stand vor dem Spiegel, wartete, bis das Wasser kochend heiß war und der Spiegel beschlug. Betrachtete sein Tattoo. Hörte, wie das Telefon zu klingeln begann, und wusste, dass er das war. Die Vernunft. Die Rettung. Mit neuen Instruktionen und Befehlen. Sollte er es einfach klingeln lassen? War es an der Zeit, sich abzunabeln, den Lebensfaden abzuschneiden? An der Zeit, sich ganz zu befreien?

Er füllte die Lungen. Und schrie.

Kapitel 28

Mittwochnachmittag

»Sexpuppen sind nichts Neues«, sagte Smith und warf einen Blick auf die Frau aus Plastik und Silikon, die auf dem Bett lag. »Als die Niederländer die sieben Weltmeere beherrschten, hatten die Seeleute die lederne Nachbildung einer Vagina dabei. Diese Dinger waren so verbreitet, dass die Chinesen sie als dutch wife bezeichnet haben.«

»Wirklich?«, fragte Katrine und betrachtete die weißgekleideten Engel der Spurensicherung, die das Schlafzimmer absuchten. »Haben die Englisch gesprochen?«

Smith lachte. »Erwischt. Die Artikel in den Fachzeitschriften sind auf Englisch. In Japan gibt es Bordelle nur mit Sexpuppen. Die teuersten sind mit Heizelementen ausgestattet, die sie immer auf Körpertemperatur halten, einem Skelett, damit Arme und Beine nur in natürliche Positionen geschoben werden können, und sie haben eine automatische Schmierung …«

»Danke, ich denke, das reicht«, sagte Katrine.

»Natürlich, tut mir leid.«

»Hat Bjørn gesagt, warum er im Heizungsraum geblieben ist?«

Smith schüttelte den Kopf.

»Er und Lien mussten noch etwas erledigen«, sagte Wyller.

»Berna Lien? Etwas erledigen?«

»Er hat nur gesagt, dass er die Wohnung auch anderen überlassen könne, schließlich sei das ja kein mutmaßlicher Tatort.«

»Erledigen«, murmelte Katrine, während sie, gefolgt von Wyller und Smith, aus dem Schlafzimmer ging. Dann aus der Wohnung und nach unten auf den Parkplatz. Sie gingen zu dem blauen Honda, dessen Kofferraum von zwei Kriminaltechnikern untersucht wurde. Die Autoschlüssel hatten sie in der Wohnung gefunden, und es war ihnen bestätigt worden, dass der Wagen auf ­Alexander Dreyer angemeldet war. Der Himmel war stahlgrau, und hinter der großen, hohen Wiese auf der anderen Straßenseite zerrte der Wind an den Bäumen. Laut letztem Wetterbericht war Emilia nur noch wenige Stunden entfernt.

»Klug von ihm, den Wagen stehenzulassen«, sagte Wyller.

»Richtig«, sagte Katrine.

»Wie meint ihr das?«, fragte Smith.

»Mautstationen, Parkhäuser, Kameras«, sagte Wyller. »Es gibt Programme, die in nur wenigen Sekunden eine Autonummer auf Videoaufzeichnungen erkennen.«

»Brave new world«, warf Katrine ein.

»O brave new world, that has such people in it«, sagte Smith.

Katrine drehte sich zu dem Psychologen um. »Haben Sie eine Idee, wohin jemand wie Valentin flüchten würde?«

»Nein.«

»Nein wie ›keine Ahnung‹?«

Smith schob sich die Brille etwas höher auf die Nase. »Nein im Sinne von ›Ich kann mir nicht vorstellen, dass er flieht‹.«

»Warum nicht?«

»Weil er wütend ist.«

Katrine lief ein Schauer über den Rücken. »Sie haben ihn in ­Ihrem Podcast mit Daa nicht gerade weniger wütend gemacht, sollte er den gehört haben.«

»Nein«, seufzte Smith. »Ich bin vielleicht zu weit gegangen. Und das zum wiederholten Male. Zum Glück haben wir gute Schlösser und Überwachungskameras, seit bei uns im Stall eingebrochen wurde. Aber vielleicht …«

»Vielleicht was?«

»Vielleicht würden wir uns sicherer fühlen, wenn ich eine Waffe hätte. Eine Pistole oder so.«

»Laut Vorschriften dürfen wir Ihnen ohne Lizenz und Kurs keine Polizeiwaffe überlassen.«

»Notbewaffnung«, sagte Wyller.

Katrine sah ihn nachdenklich an. Die Kriterien für eine Notbewaffnung waren möglicherweise tatsächlich erfüllt, vielleicht aber auch nicht. Andererseits sah sie die Schlagzeilen in den Zeitungen geradezu vor sich, sollte Smith erschossen werden und dann an die Öffentlichkeit geraten, dass er um Notbewaffnung gebeten hatte, ohne dass diesem Wunsch nachgekommen worden wäre. »Helfen Sie Smith dabei, dass er eine Waffe erhält?«