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»… mir so ein Mistkerl von einem Rebellen vom Kopf geschossen«, sagte eine Stimme. Es war eine englische Stimme, jung, heiser vor unterdrücktem Schmerz und mit Wut versetzt. Davon abgesehen – war es Jamies Stimme, und Jamies Finger klammerten sich so eisern um meine Hand, dass sie sie fast zerquetscht hätten.

Wir befanden uns am Ende des Pfades, der vom Fluss her aufwärtsführte; noch zwei Schritte, und wir würden im Schutz der nebelverhangenen Bäume sicher sein. Doch anstatt diese beiden Schritte zu gehen, erstarrte Jamie einen Herzschlag lang, dann ließ er meine Hand los, machte auf dem Absatz kehrt, nahm sich den Hut vom Kopf, schritt zu Leutnant Ransom hinüber und drückte ihn dem jungen Mann in die Hände.

»Ich glaube, ich bin Euch einen Hut schuldig, Sir«, sagte er höflich und wandte sich sofort wieder ab. Der junge Mann blieb blinzelnd zurück, den abgenutzten Dreispitz in der Hand. Ich konnte nur kurz einen Blick auf das verdatterte Gesicht werfen, mit dem William Jamie nachsah, doch dann schob mich Jamie den Pfad entlang, als ob uns Indianer auf den Fersen wären, und innerhalb von Sekunden war der Leutnant hinter einer Gruppe von Fichtenschösslingen verschwunden.

Jamie vibrierte wie eine angezupfte Violinensaite, und er atmete sehr schnell.

»Hast du völlig den Verstand verloren?«, erkundigte ich mich im Konversationston.

»Sehr wahrscheinlich.«

»Was in aller Welt –«, begann ich, doch er schüttelte nur den Kopf und zog mich weiter, bis wir außer Sicht- und Hörweite der Hütte waren. Ein umgestürzter Baumstamm, der den Holzsammlern bis jetzt entgangen war, lag halb auf dem Weg, und Jamie setzte sich plötzlich darauf nieder und hielt sich seine zitternde Hand vor das Gesicht.

»Geht es dir gut? Was in aller Welt ist denn los?« Ich setzte mich neben ihn und legte ihm die Hand auf den Rücken. Allmählich machte er mir Sorgen.

»Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll, Sassenach«, sagte er. Er ließ die Hand von seinem Gesicht sinken, und ich sah, dass er tatsächlich beides zu tun schien. Seine Wimpern waren feucht, doch seine Mundwinkel zuckten.

»Ich habe in ein und demselben Moment einen Verwandten verloren und einen gefunden – und im nächsten Augenblick begreife ich, dass ich meinen Sohn zum zweiten Mal in seinem Leben um ein Haar erschossen hätte.« Er sah mich an und schüttelte den Kopf, hilflos hin- und hergerissen zwischen Gelächter und Bestürzung.

»Ich hätte es nicht tun sollen, das weiß ich. Es ist nur – ich habe auf einmal gedacht: Was, wenn ich ihn beim dritten Mal nicht verfehle? Und – und ich hatte das Gefühl, ich müsste einfach … mit ihm sprechen. Von Mann zu Mann. Falls es das einzige Mal bleiben sollte, aye?«

Oberst Grant blickte neugierig zum Pfad hinüber, wo der Rebell und seine Frau hinter einem wippenden Ast verschwunden waren, dann richtete er den Blick auf den Hut in Williams Händen.

»Was zum Teufel hatte das denn zu bedeuten?«

William räusperte sich. »Offenbar war Oberst Fraser der, ähm, Mistkerl von einem Rebellen, der mich gestern in der Schlacht um meinen Hut gebracht hat«, sagte er, um einen Tonfall trockener Gelassenheit bemüht. »Das war … seine Wiedergutmachung.«

Ein Hauch von Humor stahl sich über Grants erschöpftes Gesicht.

»Wirklich? Anständig von ihm.« Er warf einen skeptischen Blick auf den Gegenstand ihres Gesprächs. »Glaubt Ihr, er hat Läuse?«

Bei einem anderen Mann, zu einem anderen Zeitpunkt hätte man dies vielleicht als Verleumdung interpretieren können. Doch so gern Grant normalerweise über den Mut, die Fähigkeiten und die Einstellung der Kontinentalsoldaten herzog, diente seine Frage hier doch eindeutig nur der praktischen Feststellung einer Tatsache; die meisten englischen und hessischen Soldaten waren mit Läusen verseucht, und für die Offiziere galt dies ebenso.

William hielt den Hut schief und betrachtete ihn, so genau es ihm das schwache Licht ermöglichte. Er war warm in seiner Hand, doch es krabbelte nichts an seinen Kanten entlang.

»Ich glaube nicht.«

»Nun, dann setzt ihn auf, Hauptmann Ransom. Wir müssen den Männern schließlich mit gutem Beispiel vorangehen.«

William hatte sich den Hut schon aufgesetzt, dessen Wärme sich auf seinem Kopf merkwürdig anfühlte, bevor er richtig hörte, was Grant gesagt hatte.

»Hauptmann …?«, sagte er schwach.

»Herzlichen Glückwunsch«, sagte Grant, und der Hauch eines Lächelns erhellte seine abgehärmten Züge. »Der Brigadier …« Er blickte zu der stickigen, stillen Hütte zurück, und das Lächeln verblasste wieder. »Er wollte Euch schon nach Ticonderoga zum Hauptmann befördern – es hätte damals geschehen sollen, aber … nun ja.« Er presste die Lippen aufeinander, lockerte sie dann aber wieder. »General Burgoyne hat die Order gestern Abend unterzeichnet, nachdem er mehrere Beschreibungen der Schlacht vernommen hatte. Wie ich höre, habt Ihr Euch hervorgetan.«

William senkte verlegen den Kopf. Er hatte einen Kloß im Hals, und seine Augen brannten. Er wusste nicht mehr, was er getan hatte – nur, dass es ihm nicht gelungen war, den Brigadier zu retten.

»Danke«, brachte er heraus und musste sich einfach noch einmal umsehen. Sie hatten die Tür offen gelassen. »Wisst Ihr – hat er – nein, es spielt keine Rolle.«

»Ob er es gewusst hat?«, sagte Grant sanft. »Ich habe es ihm gesagt. Ich habe ihm die Order mitgebracht.«

Unfähig, etwas zu sagen, neigte William den Kopf. Der Hut, der ihm wundersamerweise passte, blieb, wo er war.

»Gott, ist das kalt«, sagte Grant leise. Er zog seinen Rock enger um sich und warf einen Blick auf die triefenden Bäume und den dichten Nebel, der dazwischenhing. Die anderen hatten sich wieder auf ihre Posten begeben und sie allein gelassen. »Was für ein trostloser Ort. Und was für eine schreckliche Tageszeit.«

»Ja.« William erlebte einen Moment der Erleichterung darüber, sich zu seiner eigenen Trostlosigkeit bekennen zu können – obwohl der Ort und die Tageszeit wenig damit zu tun hatten. Er schluckte und sah sich erneut nach der Hütte um. Er machte sich Gedanken, weil die Tür offen stand; der Nebel lag zwar so schwer wie ein Federbett über dem Wald, doch rings um die Hütte stieg er auf und umwehte die Fenster, und ihm kam der beklemmende Gedanke, dass er es irgendwie … auf den Brigadier abgesehen hatte.

»Ich schließe nur kurz … die Tür, ja?« Er steuerte auf die Hütte zu, doch Grant hielt ihn mit einer Geste auf.

»Nein, lieber nicht.«

William sah ihn überrascht an, und der Hauptmann zuckte mit den Achseln und versuchte, es auf die leichte Schulter zu nehmen.

»Der Spender Eures Hutes hat gesagt, wir müssen sie offen lassen. Irgend so ein Highlandbrauch – hat etwas damit zu tun, dass die, ähm, Seele einen Ausgang sucht«, fügte er diplomatisch hinzu. »Wenigstens ist es zu kalt für die verdammten Fliegen«, fügte er – diesmal ohne jedes Fingerspitzengefühl – hinzu.

Williams geplagter Magen verkrampfte sich, und er schluckte den bitteren Geschmack herunter, der ihm bei der Vorstellung umherkriechender Maden in die Kehle stieg.

»Aber wir können ihn doch nicht … Wie lange noch?«, wollte er wissen.

»Nicht mehr lange«, versicherte ihm Grant. »Wir warten nur auf ein Beerdigungskommando.«

William erstickte den Protest, der ihm schon auf der Zunge lag. Natürlich. Was hätten sie auch sonst tun sollen? Dennoch, bei der Erinnerung an die Gräben, die sie vor Bemis Heights geschaufelt hatten, an die Erde, die in Flecken auf die kalten runden Wangen seines Korporals fiel … Nach den vergangenen zehn Tagen hätte er gedacht, so etwas könnte ihn nicht mehr erschüttern. Doch die Laute der Wölfe, die herbeikamen, um die Toten und die Sterbenden zu fressen, hallten ihm unvermittelt in der hohlen Magengrube wider.

Mit einer leisen Entschuldigung trat er in das feuchte Gebüsch und übergab sich, so leise er konnte. Weinte ein wenig, lautlos, dann wischte er sich mit einer Handvoll feuchter Blätter das Gesicht ab und kehrte zurück.