Выбрать главу

Grant gab taktvollerweise vor zu glauben, dass William einfach nur pinkeln gegangen war, und stellte ihm keine Fragen.

»Ein eindrucksvoller Mann«, merkte er beiläufig an. »Dieser Verwandte des Generals, meine ich. Obwohl man ihnen ja nie angesehen hätte, dass sie verwandt waren, oder?«

Von ersterbender Hoffnung und Schmerz umfangen, hatte William Oberst Fraser kaum wahrgenommen, bis ihm der Mann so plötzlich den Hut gegeben hatte – und in diesem Moment war er viel zu verblüfft gewesen, um viel von ihm mitzubekommen. Doch er machte eine zustimmende Kopfbewegung, während er sich vage an eine hochgewachsene Gestalt erinnerte, die neben dem Bett kniete und deren Scheitel im Feuerschein rot aufgeleuchtet hatte.

»Sieht eher aus wie Ihr als wie der Brigadier«, fügte Grant nüchtern hinzu und lachte dann, ein schmerzhaftes Krächzen. »Sicher, dass Eure Familie keinen schottischen Zweig hat?«

»Nein, beide Seiten stammen bis zurück zur Eiszeit aus Yorkshire, bis auf eine französische Urgroßmutter«, erwiderte William, der für die kurzfristige Ablenkung dankbar war, die ihm dieses Gespräch bot. »Die Mutter meines Stiefvaters ist zur Hälfte Schottin – meint Ihr, das zählt?«

Was auch immer Grant hatte antworten wollen, ging unter, weil die Klage einer verdammten Seele durch das Zwielicht zu ihnen drang. Beide Männer lauschten erstarrt. Der Dudelsackspieler des Brigadiers war im Anmarsch, zusammen mit Balcarres und einigen seiner Waldläufer. Das Beerdigungskommando.

Die Sonne war zwar schon aufgegangen, doch hinter den Wolken und dem Blätterdach der Bäume war sie nicht zu sehen. Grants Gesicht hatte dieselbe Farbe wie der Nebel, bleich und mit Feuchtigkeit überzogen.

Der Klang schien aus großer Entfernung zu kommen und doch aus dem Wald selbst. Dann stimmten Klagelaute und trällernde Schreie in die Trauermelodie des Dudelsackspielers ein – Balcarres und seine Indianer. Trotz der markerschütternden Geräusche fühlte sich William ein wenig beruhigt; es würde doch kein hastiges Feldbegräbnis werden, das ohne Ehrerbietung und Respekt vonstattenging.

»Sie klingen wie heulende Wölfe, nicht wahr?«, murmelte Grant. Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und wischte sich die feuchte Handfläche dann gründlich am Oberschenkel ab.

»Ja, das stimmt«, antwortete William. Er nahm Haltung an und erwartete die Trauernden, in seinem Rücken die Hütte, deren Tür im Nebel schweigend offen stand.

Kapitel 67

Wenn es trieft vor Schmalz

Ich war immer davon ausgegangen, dass so eine Kapitulation eine relativ simple Sache war. Man übergab sein Schwert, reichte sich die Hände und marschierte davon – in die Freiheit, in den Kerker oder in die nächste Schlacht. Diesen törichten Gedanken trieb mir Dr. Rawlings aus, der tatsächlich zwei Tage später die gegnerischen Linien überquerte, um sich mit mir über seinen Bruder zu unterhalten. Ich hatte ihm alles erzählt, was ich konnte, und ihm vor allem geschildert, wie sehr ich am Notizbuch seines Bruders gehangen hatte, das mir das Gefühl vermittelt hatte, Daniel Rawlings gekannt zu haben. Der zweite Dr. Rawlings – sein Name war David, sagte er – war ein angenehmer Gesprächspartner und blieb noch eine Weile, während sich unser Gespräch anderen Themen zuwandte.

»Gott, nein«, sagte er, als ich meiner Überraschung Ausdruck verlieh, dass die Kapitualationszeremonie nicht auf der Stelle vollzogen worden war. »Zuerst müssen die Kapitulationsbedingungen ausgehandelt werden, wisst Ihr – und das ist eine heikle Angelegenheit.«

»Ausgehandelt?«, sagte ich. »Heißt das, General Burgoyne hat dabei mitzureden?«

Er schien das komisch zu finden.

»Oh, natürlich hat er das«, versicherte er mir. »Ich habe zufälligerweise die Entwürfe gesehen, die Major Kingston heute Morgen für General Gates überbracht hat. Sie beginnen mit der entschlossenen Feststellung, dass General Burgoyne nach zwei Zusammenstößen mit Gates durchaus darauf vorbereitet ist, auch ein drittes Mal gegen ihn zu kämpfen. Natürlich stimmt das nicht«, fügte der Doktor hinzu, »doch so ist es ihm möglich, das Gesicht zu wahren, indem er im Folgenden anmerkt, dass ihm selbstverständlich die zahlenmäßige Überlegenheit der Rebellen nicht entgangen ist und er es daher für gerechtfertigt hält zu kapitulieren, um das Leben tapferer Männer unter ehrenvollen Bedingungen zu verschonen. Übrigens ist die Schlacht offiziell noch gar nicht vorüber«, fügte er mit einem etwas entschuldigenden Unterton hinzu. »General Burgoyne schlägt vor, die Feindseligkeiten auf jeden Fall für die Dauer der Verhandlungen einzustellen.«

»Ach, wirklich«, sagte ich belustigt. »Ich frage mich, ob General Gates das alles für bare Münze nimmt.«

»Natürlich nicht«, sagte eine trockene schottische Stimme, und Jamie trat geduckt in das Zelt, gefolgt von seinem Vetter Hamish. »Er hat Burgoynes Vorschläge gelesen, dann hat er in seine Tasche gegriffen und seine eigenen hervorgezogen. Er fordert die bedingungslose Kapitulation und verlangt, dass deutsche wie englische Soldaten ihre Waffen im Lager zurücklassen und als Gefangene hinausmarschieren. Der Waffenstillstand dauert bis Sonnenuntergang; bis dahin muss Burgoyne antworten. Ich habe gedacht, Major Kingston würde auf der Stelle einen Schlaganfall bekommen.«

»Glaubst du, er blufft?«, fragte ich. Jamie stieß einen leisen schottischen Kehllaut aus und richtete den Blick auf Dr. Rawlings, um anzudeuten, dass er dies in Gegenwart des Feindes für ein ungeeignetes Thema hielt. Angesichts der Tatsache, dass Rawlings offensichtlich Zugang zum britischen Oberkommando hatte, mochte er damit recht haben.

David Rawlings wechselte taktvoll das Thema und öffnete den Deckel der kleinen Truhe, die er mitgebracht hatte.

»Ist das die gleiche, die Ihr auch hattet, Mrs Fraser?«

»Ja, so ist es.« Ich hatte die Truhe sofort bemerkt, hatte sie aber nicht anstarren wollen. Sie sah um einiges mitgenommener aus, als es meine Truhe gewesen war, und sie war mit einem Namensschildchen aus Messing versehen, doch ansonsten war sie genau gleich.

»Nun, eigentlich hatte ich ohnehin keinen Zweifel mehr, was das Schicksal meines Bruders betrifft«, sagte er mit einem kleinen Seufzer, »aber damit ist die Angelegenheit endgültig erledigt. Unser Vater, der selbst Arzt war, hat uns die Truhen geschenkt, als wir zu praktizieren begonnen haben.«

Ich musterte ihn verblüfft.

»Ihr wollt mir doch nicht sagen – wart Ihr etwa Zwillinge?«

»Das waren wir, ja.« Er schien überrascht zu sein, dass ich das nicht gewusst hatte.

»Eineiig?«

Er lächelte.

»Unsere Mutter konnte uns immer auseinanderhalten, sonst jedoch kaum jemand.«

Ich starrte ihn an und empfand ein ungewöhnliches Gefühl der Wärme – das mich beinahe verlegen machte. Ich hatte mir natürlich im Geiste ein Bild von Daniel Rawlings gemacht, während ich seine Notizbucheinträge las. Ihm plötzlich quasi von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen, versetzte mir einen kleinen Schock.

Jamie zog die Augenbrauen hoch und starrte mich verwundert an. Ich hustete und wurde rot, und er schüttelte sacht den Kopf, stieß noch ein schottisches Geräusch aus, griff nach dem Kartenspiel, das er holen wollte, und ging mit Hamish hinaus.

»Braucht Ihr vielleicht noch irgendetwas in medizinischer Hinsicht?«, fragte Daniel Rawlings, der jetzt ebenfalls errötete. »Mir werden zwar die Arzneien knapp, aber ich habe einige Instrumente doppelt – und eine gute Skalpellsammlung. Es wäre mir eine Ehre, Euch …«

»Oh.« Das war ein großzügiges Angebot, und meine Verlegenheit ging spontan in einer Woge der Habgier unter. »Habt Ihr vielleicht eine Pinzette? Eine kleine Zange, meine ich?«

»Oh, ja, natürlich.« Er zog die untere Schublade auf und schob auf der Suche nach der Pinzette ein Durcheinander kleiner Instrumente beiseite. Dabei fiel mir etwas Ungewöhnliches ins Auge, und ich zeigte darauf.