Als sie wieder ins Zelt ging, war er halb unter das Bett gekrochen und brummte.
»Was?«, wollte sie wissen, und er kam wieder zum Vorschein und brachte die kleine Kiste mit, die ihre Verpflegung enthielt – nur dass sie es nicht mehr tat. Es lagen nur noch ein paar frische Eicheln und ein von Mäusen angenagter Apfel darin.
»Was?«, wiederholte sie erschrocken. »Was ist mit dem Essen passiert?«
Denny war rot geworden; er war sichtlich wütend, und er rieb sich fest über die Lippen, bevor er antwortete.
»Irgendein missgeborener Sohn einer – des Belial … hat das Zelt aufgeschlitzt und es gestohlen.«
Die Wut, die sie bei diesen Worten überkam, war ihr beinahe willkommen, weil sie ihr Ablenkung bot.
»Aber das – das …«
»Gewiss«, sagte Denny, der tief Luft holte, um sich wieder in den Griff zu bekommen, »hatte er Hunger. Arme Seele«, fügte er hinzu, und sein Mangel an aufrichtiger Nächstenliebe war nicht zu überhören.
»Wenn das so war, hätte er doch um etwas zu essen bitten können«, sagte sie aufgebracht. »Er ist ein gemeiner Dieb, sonst nichts.« Sie stampfte wütend mit dem Fuß auf. »Nun. Dann werde ich uns jetzt selbst etwas Essbares erbetteln. Pass auf den Kaffee auf.«
»Für mich brauchst du nicht zu gehen«, wandte er ein, doch der Protest war nur halbherzig; sie wusste, dass er seit dem Morgen nichts mehr gegessen hatte und halb verhungert war, und das machte sie ihm mit einem vielsagenden Blick klar.
»Die Wölfe …«, sagte er, doch sie legte sich bereits den Umhang um und griff nach ihrer Haube.
»Ich nehme eine Fackel mit«, beruhigte sie ihn. »Und den Wolf, der mir in dieser Stimmung in die Quere kommt, kann ich nur bedauern, das versichere ich dir!« Sie ergriff ihre Vorratstasche und ging schnell hinaus, bevor er sie fragen konnte, wohin sie gehen wollte.
Sie hätte ein Dutzend Zelte in ihrer Nähe aufsuchen können. Verwunderung und Argwohn bezüglich der Hunters waren seit Dennys Abenteuern als Deserteur verflogen, und Rachel verstand sich bestens mit einigen der Milizionärsfrauen, die ihre Lagerplätze neben ihnen hatten.
Sie hätte sich einreden können, dass sie diese tüchtigen Frauen so spät nicht mehr stören wollte. Oder dass sie gern die jüngsten Neuigkeiten über die Kapitulation erfahren wollte – Freund Jamie war bei den Verhandlungen stets zugegen und erzählte ihr, was er konnte. Oder dass sie gern Claire Frasers Rat in Bezug auf eine kleine, aber schmerzhafte Warze an ihrem großen Zeh hören wollte und dies praktischerweise auch gleich mit der Bitte um etwas Essbares verbinden konnte.
Doch sie war eine aufrichtige Frau, und so redete sie sich nichts dergleichen ein. Sie schritt auf das Lager der Frasers zu wie von einem Magneten angezogen, und der Name dieses Magneten war Ian Murray. Das sah sie eindeutig ein, fand ihr eigenes Verhalten verrückt – und konnte genauso wenig etwas anderes tun, wie sie ihre Augenfarbe ändern konnte.
Was sie zu tun, zu sagen oder auch nur zu denken vorhatte, wenn sie ihn sah, konnte sie sich nicht vorstellen. Doch sie ging unbeirrt weiter, gleichmäßigen Schrittes, als sei sie auf dem Weg zum Markt, der Schein ihrer Fackel ein Leuchtfeuer auf dem festgetretenen Erdweg – gefolgt von ihrem Schatten, der sich lang und fremd auf das helle Segeltuch der Zelte legte, an denen sie vorüberging.
Kapitel 68
Störenfried
Ich kümmerte mich gerade um das Feuer, als ich langsame Schritte näher kommen hörte. Während ich mich umdrehte, sah ich, wie sich ein gewaltiger Umriss vor den Mond schob und rasch auf mich zukam. Ich versuchte noch davonzulaufen, doch ich konnte meine Beine nicht dazu bewegen, mir zu gehorchen. Wie in den besten Albträumen versuchte ich zu schreien, doch jeder Laut blieb mir in der Kehle stecken. Ich würgte, und er kam als leises, ersticktes Iiep! heraus.
Der monströse Umriss – menschenähnlich, aber kopflos und gebückt – kam grunzend vor mir zum Stehen; etwas rauschte zu Boden, um dann mit einem dumpfen Aufprall zu landen, der mir die kalte Luft unter die Röcke fahren ließ.
»Ich habe dir ein Geschenk mitgebracht, Sassenach«, sagte Jamie und wischte sich grinsend den Schweiß vom Kinn.
»Ein … Geschenk«, sagte ich schwach und richtete den Blick auf den gewaltigen Berg aus … was? …, den er zu meinen Füßen fallen gelassen hatte. Dann stieg mir der Geruch in die Nase.
»Ein Büffelfell!«, rief ich aus. »Oh, Jamie! Ein echtes Büffelfell?«
Daran gab es keinen Zweifel. Das Fell war – Gott sei Dank – nicht frisch, doch der Geruch seines Vorbesitzers war trotz der Kälte noch wahrnehmbar. Ich sank auf die Knie und fuhr mit den Händen darüber. Das Fell war gut gegerbt, weich und relativ sauber, die Wolle zwar grob, aber frei von Schmutz, Kletten, Dungklümpchen und anderen Dingen, die lebenden Büffeln nun einmal anhafteten. Es war riesig. Und warm. Herrlich warm.
Ich vergrub meine kalten Hände in seinen Tiefen, in denen noch Jamies Körperwärme hing.
»Oh«, hauchte ich. »Du hast es gewonnen?«
»Ja«, sagte er stolz. »Von einem der britischen Offiziere. Kein schlechter Kartenspieler«, fügte er fairerweise hinzu, »aber er hatte nichts als Pech.«
»Du hast mit britischen Offizieren gespielt?« Ich warf beklommen einen Blick in Richtung des britischen Lagers, auch wenn es von hier aus nicht zu sehen war.
»Nur mit einem. Einem gewissen Hauptmann Mansel. Er hat Burgoynes jüngste Antwort überbracht und war dann gezwungen zu warten, während Granny sie durchkaut. Er kann von Glück sagen, wenn er nicht bis aufs Hemd ausgenommen wird, bevor er zurückgeht«, fügte er gleichgültig hinzu. »Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so viel Pech beim Kartenspiel hat.«
Ich beachtete ihn nicht, so sehr war ich in die Betrachtung des Fells vertieft. »Das ist herrlich, Jamie! Und wie groß es ist!«
Das war es. Das Fell war gute zwei Meter vierzig lang und so breit, dass zwei Menschen geborgen in seiner Wärme liegen konnten – wenn sie nichts dagegen hatten, eng aneinandergeschmiegt zu schlafen. Die Vorstellung, gemütlich in diese kuschelige Zuflucht zu kriechen, nachdem ich so viele Nächte lang unter fadenscheinigen Decken gefroren hatte …
Jamies Gedanken schienen eine ähnliche Richtung eingeschlagen zu haben.
»Groß genug für uns beide«, sagte er und fasste mir ganz sacht an die Brust.
»Ach, wirklich?«
Er beugte sich dichter zu mir hinüber, und durch den Wildgeruch des Büffelfells stieg mir sein eigener Geruch in die Nase – trockenes Laub und das bittere Aroma des Eichelkaffees, der mit süßem Brandy versetzt war, Kopfnoten zum kräftigen Männergeruch seiner Haut.
»Ich könnte dich in einem abgedunkelten Raum unter einem Dutzend Männern ausmachen«, sagte ich. Ich schloss die Augen und atmete genüsslich ein.
»Das kann ich mir vorstellen; ich habe seit einer Woche nicht mehr gebadet.« Er legte mir die Hände auf die Schultern und senkte den Kopf, bis er mich mit der Stirn berührte.
»Ich würde dir gern den Kragen deines Hemdes öffnen«, flüsterte er, »und an deinen Brüsten saugen, bis du dich wie eine Krabbe zusammenkrümmst und mir die Knie in die Hoden drückst. Dich dann nehmen, schnell und hart, und mit dem Kopf auf deinen nackten Brüsten einschlafen. Wirklich«, fügte er hinzu und richtete sich auf.
»Oh«, sagte ich. »Was für eine gute Idee.«
Zwar befürwortete ich die vorgeschlagene Programmabfolge außerordentlich, doch ich konnte sehen, dass Jamie der Nahrung bedurfte, bevor er sich auf weitere Anstrengungen einließ; ich konnte seinen Magen aus einem Meter Entfernung knurren hören.
»Kartenspielen ist wohl wirklich kräftezehrend, wie?«, merkte ich an, während ich zusah, wie er drei Äpfel mit sechs Bissen vernichtete.