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Ich trat einen Schritt zurück und warf mich ein wenig in die Brust. Wenn ich ehrlich war, war ich überrascht festzustellen, wie gut ich aussah. Während der langen Monate der Reise, der Flucht und der Schlachten hatte ich mich ganz auf das Wesentliche konzentriert: zu überleben und zu funktionieren. Mein Aussehen wäre mir auch dann völlig gleichgültig gewesen, wenn ich einen Spiegel gehabt hätte.

Eigentlich hatte ich unterbewusst damit gerechnet, eine Hexe im Spiegel zu sehen, eine abgehärmt aussehende Frau mit wildem grauem Haar und strenger Miene, der womöglich noch das eine oder andere lange Haar am Kinn spross.

Stattdessen … Nun, es sah immer noch erkennbar nach mir aus. Mein Haar – ohne Haube, dafür aber mit einem kleinen flachen Strohhut bedeckt, der mit einem kleinen Sträußchen künstlicher Gänseblümchen verziert war – war im Nacken hochgesteckt. Doch ein paar Strähnen ringelten sich schmeichelhaft um meine Schläfen, und meine Augen leuchteten bernsteinfarben hinter der Brille auf und funkelten mir mit einer überraschten Miene argloser Erwartungsfreude entgegen.

Natürlich wies ich die Fältchen und Furchen meines Alters auf, doch im Großen und Ganzen hatte sich mein Gesicht friedlich auf meinem Schädel niedergelassen, statt sich in schlaffen Lappen davonzumachen. Und der Busen, der diskrete Schatten, der meine Brüste andeutete, war auch recht ansehnlich. Die Königliche Marine hatte uns unterwegs großzügig beköstigt, und ich hatte einiges von dem Gewicht zurückgewonnen, das ich auf dem langen Rückzug aus Ticonderoga verloren hatte.

»Tja, eigentlich gar nicht so schlecht«, fasste ich zusammen, und es klang so verblüfft, dass Jamie gemeinsam mit Mr Lewis auflachte. Ich setzte die Brille mit beträchtlichem Bedauern ab. Jamie bekam eine einfache, in Stahl gefasste Lesebrille, die er sofort mitnehmen konnte, doch meine goldgeränderte Brille würde erst am folgenden Nachmittag fertig sein, wie uns Mr Lewis versprach. Und so verließen wir seine Werkstatt, um uns unserem nächsten Vorhaben zu widmen: Jamies Druckerpresse.

»Wo ist denn Ian heute Morgen?«, fragte ich auf dem Weg zur Princes Street. Als ich wach geworden war, war er spurlos verschwunden gewesen, ohne ein Wort über sein Ziel zu hinterlassen. »Du glaubst doch nicht, dass er beschlossen hat, lieber die Flucht zu ergreifen, als nach Hause zu gehen?«

»Wenn es so ist, werde ich ihn aufspüren und zu Pudding schlagen, das weiß er genau«, sagte Jamie geistesabwesend, während er den Blick über den Park hinweg zum Schloss auf dem großen Felsen hob und – vergeblich – seine Brille aufsetzte, um zu sehen, ob sich dadurch etwas veränderte. »Nein, ich glaube eher, dass er ins Bordell gegangen ist.«

»Um elf Uhr vormittags?«, entfuhr es mir.

»Nun, es gibt keine festgelegten Zeiten dafür«, informierte Jamie mich gelassen und setzte die Brille ab, um sie in sein Taschentuch zu wickeln und in seinen Sporran zu stecken. »Ich tue es hin und wieder ja auch am Morgen. Obwohl ich nicht glaube, dass er in diesem Moment auf fleischliche Gelüste aus ist«, fügte er hinzu. »Ich habe ihm aufgetragen, sich zu erkundigen, ob es immer noch Madame Jeanne gehört, denn wenn es so ist, kann ich von ihr mehr – und zwar schneller – erfahren als von jedem anderen in Edinburgh. Wenn sie dort ist, besuche ich sie heute Nachmittag.«

»Ah«, sagte ich. Die Vorstellung, dass er sich zu einem gemütlichen Stelldichein mit der eleganten Französin begab, die einmal seine Geschäftspartnerin beim Whiskyschmuggel gewesen war, gefiel mir zwar überhaupt nicht, doch ich musste zugeben, dass sein Plan ökonomisch sinnvoll war. »Und was glaubst du, wo sich Andy Bell um diese Tageszeit befindet?«

»Im Bett«, antwortete Jamie prompt. »Im Tiefschlaf«, fügte er grinsend hinzu, als er meinen Gesichtsausdruck sah. »Drucker sind im Allgemeinen gesellige Wesen, und sie finden sich abends in den Wirtshäusern zusammen. Ich habe noch nie einen Drucker gekannt, der gern mit den Lerchen aufsteht, es sei denn, seine Kinder haben die Kolik.«

»Und du willst ihn aus dem Bett holen?«, fragte ich und verlängerte meine Schritte, um nicht zurückzubleiben.

»Nein, wir werden ihn zur Essenszeit bei Moubray’s antreffen«, sagte er. »Er fertigt Stiche an – etwas Licht braucht er zum Arbeiten, also steht er um die Mittagszeit auf. Und an den meisten Tagen isst er bei Moubray’s. Ich möchte mich nur vergewissern, dass seine Werkstatt nicht abgebrannt ist. Und sehen, ob der kleine Schuft vielleicht meine Druckerpresse benutzt hat.«

»So, wie du das sagst, klingt es, als hätte er deine Frau benutzt«, sagte ich, weil mich der grimmige Ton seiner letzten Worte amüsierte.

Er stieß ein leises schottisches Geräusch aus, mit dem er zwar den Humor meiner Bemerkung zur Kenntnis nahm, sich aber weigerte, ihn zu teilen. Mir war gar nicht klar gewesen, dass er solche Leidenschaft für seine Druckerpresse empfand, doch er war schließlich zwölf Jahre lang von ihr getrennt gewesen. Kein Wunder, wenn sein liebeskrankes Herz bei der Vorstellung, sie endlich wiederzusehen, schneller zu schlagen begann, dachte ich, insgeheim immer noch belustigt.

Vielleicht hatte er aber auch wirklich Angst, dass Andy Bells Werkstatt abgebrannt war. Es war schließlich keine unbegründete Angst. Seine eigene Druckerei war vor zwölf Jahren abgebrannt; solche Etablissements waren besonders brandgefährdet, da sie über einen kleinen offenen Brennofen zum Einschmelzen und Neugießen der Typen verfügten und gleichzeitig große Mengen von Papier, Tinte und anderen leicht entflammbaren Substanzen dort lagerten.

Mein Magen knurrte leise bei dem Gedanken an ein Mittagessen bei Moubray’s; ich erinnerte mich noch gern an unseren letzten – und einzigen – Besuch dort, bei dem es unter anderen Genüssen ein exzellentes Austerngericht und einen noch besseren gekühlten Weißwein gegeben hatte.

Doch bis zum Essen würde es noch eine Weile dauern; die Arbeiter mochten ihre mitgebrachten Töpfchen ja um zwölf öffnen, doch das modische Edinburgh speiste zu einer gesitteten Uhrzeit, nämlich um drei. Wahrscheinlich würden wir uns ja vorher bei einem Straßenhändler ein Pastetchen kaufen, dachte ich und eilte Jamie nach. Nur für den hohlen Zahn.

Andrew Bells Druckerei stand glücklicherweise noch. Die Tür war geschlossen, damit es nicht zog, doch ein darüber angebrachtes Glöckchen bimmelte, um unser Eintreten zu verkünden, und ein Herr in den mittleren Jahren, der in Hemdsärmeln war und eine Schürze trug, blickte von einem Korb mit Rohlingen auf.

»Einen wunderschönen guten Morgen, Sir, Madam«, begrüßte er uns freundlich und nickte uns zu, und ich merkte sogleich, dass er kein Schotte war. Oder dass er zumindest nicht in Schottland zur Welt gekommen war, denn er hatte den sanften, leicht gedehnten Akzent der südlichen Kolonien. Jamie hörte es auch und lächelte.

»Mr Richard Bell?«, fragte er.

»Das bin ich«, sagte der Mann in einem höchst überraschten Ton.

»James Fraser, Euer Diener, Sir«, sagte Jamie höflich und verneigte sich. »Und ich darf Euch meine Frau Claire vorstellen.«

»Euer Diener, Sir.« Mr Bell verneigte sich ebenfalls. Sein Gesichtsausdruck spiegelte nach wie vor große Verblüffung wider, doch er wahrte die guten Manieren.

Jamie griff in die Brusttasche seines Rockes und zog ein kleines Bündel von Briefen hervor, die mit einem rosa Bändchen zusammengebunden waren.

»Ich überbringe Euch Nachrichten von Eurer Frau und Euren Töchtern«, sagte er schlicht und reichte dem Mann die Briefe. »Und ich bin hier, um dafür zu sorgen, dass Ihr zu ihnen zurückkehrt.«

Mr Bells Gesicht verlor jeden Ausdruck, und dann wich ihm alles Blut aus den Wangen. Im ersten Moment dachte ich, er würde in Ohnmacht fallen, doch er stützte sich nur auf den Rand der Ladentheke.

»Ihr – Ihr … nach Hause?«, keuchte er. Er hielt die Briefe an seine Brust geklammert, und jetzt ließ er das Bündelchen sinken und sah es an, während ihm die Tränen in die Augen stiegen. »Wie – wie hat sie … Meine Frau! Geht es ihr gut?«, stotterte er und riss den Kopf hoch, um Jamie plötzlich angstvoll anzusehen. »Geht es ihnen gut?«