»Oh«, sagte ich kleinlaut. »Ja, natürlich.« Ich trank Tee, ohne ihn zu schmecken. Wie hatte ich nur so dumm sein können? Ich hatte nicht einen Gedanken daran verschwendet; natürlich würde eine Druckerpresse in Fraser’s Ridge nutzlos sein. Zum Teil hatte ich wahrscheinlich gar nicht daran geglaubt, dass er seine Presse tatsächlich zurückbekommen würde, ganz zu schweigen davon, dass ich über die logischen Konsequenzen nachgedacht hätte, falls es wirklich geschah.
Doch jetzt hatte er seine Bonnie wieder, und die Zukunft hatte plötzlich eine unangenehm konkrete Gestalt angenommen. Nicht dass das Stadtleben nicht auch beträchtliche Vorteile hatte, redete ich mir beharrlich ein. Ich konnte mich endlich wieder mit ordentlichen medizinischen Instrumenten ausstatten, meine Arzneivorräte auffüllen – nun, ich konnte sogar wieder Penizillin und Äther herstellen! Mit etwas mehr Appetit griff ich nach einem Schottenei.
»Wo wir gerade von Schmugglern reden«, sagte Jamie zu Ian, »was hast du denn da in deinem Rock? Ein Geschenk für eine der Damen bei Madame Jeanne?«
Ian warf seinem Onkel einen kalten Blick zu und zog das kleine Päckchen hervor.
»Ein bisschen französische Spitze. Für meine Mum.«
»Guter Junge«, lobte Jamie beifällig.
»Was für eine liebe Idee, Ian«, sagte ich. »Hast du – ich meine, war Madame Jeanne noch in situ?«
Er nickte und schob das Päckchen in seinen Rock zurück.
»Ja. Und sie freut sich sehr darauf, ihre Bekanntschaft mit dir zu erneuern, Onkel Jamie«, fügte er mit einem boshaften Grinsen hinzu. »Sie hat gefragt, ob du heute Abend kommen möchtest, um dich ein wenig unterhalten zu lassen.«
Jamies Nase zuckte, und er sah mich an.
»Oh, lieber nicht, Ian. Ich schicke ihr eine Note und sage, dass wir sie morgen Vormittag um elf besuchen. Obwohl du die Einladung natürlich gern annehmen kannst.« Es war zwar klar, dass dies ein Scherz war, doch Ian schüttelte den Kopf.
»Nein, ich gehe zu keiner Hure. Nicht, solange es zwischen mir und Rachel nicht entschieden ist«, sagte er ernst. »So oder so. Aber ich gehe erst mit einer anderen Frau ins Bett, wenn sie mir sagt, dass ich es muss.«
Wir sahen ihn beide überrascht über unsere Teetassen hinweg an.
»Du meinst es also wirklich ernst«, staunte ich laut. »Du fühlst dich … äh … ihr versprochen?«
»Aber natürlich tut er das«, sagte Jamie und griff nach einer neuen Scheibe Toast. »Er hat ihr schließlich seinen Hund dagelassen.«
Am nächsten Morgen stand ich spät auf und zog mich in aller Seelenruhe an. Da Jamie und Ian gewiss eine Weile brauchen würden, wollte ich einkaufen gehen. Da Edinburgh eine Handelsstadt war, hatte Jamie unseren Goldvorrat – von dem immer noch einiges übrig war – in Bankpapiere und Bargeld einwechseln können. Gleichzeitig hatte er die Deponierung der Briefe arrangiert, die wir seit Fort Ticonderoga gesammelt hatten. Mir hatte er eine prall gefüllte Börse dagelassen, und ich nahm mir vor, den Tag mit allerlei Besorgungen zuzubringen und gleichzeitig meine neue Brille abzuholen.
Diese hatte ich stolz auf der Nase sitzen, als ich mit einem Beutel der besten Kräuter und Arzneien aus Haughs Apotheke mit großem Appetit zur Teestunde in Howard’s Hotel zurückkehrte.
Dieser Appetit erlebte jedoch einen empfindlichen Dämpfer, als der Majordomus des Hotels mit leicht schmerzerfülltem Gesichtsausdruck aus seinem Heiligtum trat und fragte, ob ich wohl kurz Zeit hätte, Madam?
»Wir sind uns der Ehre der … Anwesenheit General Frasers bewusst«, sagte er entschuldigend, während er mich zu einer kleinen, beengten Treppe geleitete, die in den Keller führte. »Ein großer Mann und ein famoser Soldat, und natürlich sind wir uns der heldenhaften Umstände seines … äh … Todes bewusst. Es ist nur so, dass … Nun, ich spreche es nur ungern an, Madam, doch ein Kohlenmann hat heute Morgen einen … Geruch erwähnt.«
Dieses letzte Wort kam so diskret, dass es mir mehr oder minder ins Ohr gezischt wurde, während er mich die Treppe hinunter in den Kohlenkeller des Howard’s führte, wo der General in Absprache mit der Direktion in Würde ruhte, bis wir in die Highlands aufbrachen. Der Geruch selbst war schon weniger diskret, und ich riss ein Taschentuch hervor und hielt es mir vor die Nase. Eine der Wände hatte hoch oben ein Fenster, durch das gedämpftes Licht in den Keller fiel. Unter diesem Fenster befand sich eine breite Schütte, und darunter wiederum ein kleiner Kohleberg.
In Einsamkeit und Würde stand der in Segeltuch gehüllte Sarg des Generals ein wenig abseits, feierlich angestrahlt vom Lichtstrahl des kleinen Fensters. Ein Lichtstrahl, der die kleine Pfütze unter dem Sarg erglänzen ließ. Der General lief aus.
»›Und sah den Schädel unterhalb der Haut‹«, zitierte ich und band mir einen terpentingetränkten Lappen unter die Nase, »›und fleischlos’ Wesen unterm Boden grinsen, dass mir graut.‹«
»Passt«, sagte Andy Bell und warf mir einen Seitenblick zu. »Stammt das von Euch?«
»Nein, von einem Herrn namens Eliot«, sagte ich zu ihm. »Doch wie Ihr schon sagt – es passt.«
Angesichts der Nervosität des Hotelpersonals hielt ich es für besser, etwas zu unternehmen, ohne Jamies und Ians Rückkehr abzuwarten, und nach kurzer Überlegung hatte ich den Schuhputzerjungen losgeschickt, damit er nachfragte, ob Mr Bell wohl herüberkommen und an einer interessanten medizinischen Beobachtung teilhaben wollte.
»Das Licht ist schlecht«, sagte Bell, der sich auf die Zehenspitzen gestellt hatte, um einen Blick in den Sarg zu werfen.
»Ich habe schon um ein paar Laternen gebeten«, versicherte ich ihm. »Und Eimer.«
»Aye, Eimer«, sagte er ebenso zustimmend wie nachdenklich. »Doch was habt Ihr Euch für die sogenannte längerfristige Zukunft vorgestellt? Es wird ein paar Tage dauern, ihn in die Highlands zu schaffen – um diese Jahreszeit womöglich sogar Wochen.«
»Wir könnten zunächst ein wenig Ordnung schaffen, dachte ich, Ihr kennt vielleicht einen ordentlichen Schmied, der die Verkleidung flicken könnte?« Ein Saum zwischen den Bleifolienschichten im Inneren des Sarges war aufgerissen – vielleicht hatte der Sarg einen Stoß abbekommen, als er von Bord des Schiffes geholt wurde –, doch eigentlich sah es nach einer relativ simplen Reparatur aus, vorausgesetzt, der Schmied hatte einen guten Magen und war nicht allzu abergläubisch in Bezug auf Leichen.
»Mmm.« Er hatte einen Skizzenblock hervorgeholt und fertigte trotz des fehlenden Lichtes einige rudimentäre Zeichnungen an. Er kratzte sich mit dem Ende seines Silberbleistifts an der Knollennase und überlegte. »Das könnte man tun, aye. Aber es gibt noch andere Möglichkeiten.«
»Nun, wir könnten ihn natürlich auskochen, bis nur noch die Knochen übrig sind«, sagte ich ein wenig gereizt. »Obwohl ich nicht gern daran denke, was das Hotel wohl sagen würde, wenn ich darum bitte, mir einen Waschkessel ausleihen zu dürfen.«
Er musste lachen, zum unverhohlenen Entsetzen des Dienstboten, der gerade mit zwei Laternen auf der Treppe erschienen war.
»Ach, nur keine Sorge, Söhnchen«, sagte Andy Bell zu ihm, als er ihm die Laternen abnahm. »Keiner hier außer uns Leichenfledderern.«
Er grinste breit, als der Dienstbote davonstürzte und dabei drei Stufen auf einmal nahm, wandte sich dann aber um und warf mir einen spekulativen Blick zu.
»Das wäre eine Möglichkeit, aye? Ich könnte ihn aber auch in meine Werkstatt mitnehmen. Dann seid Ihr ihn los, und niemand würde etwas ahnen, so schwer, wie der Sarg ohnehin ist. Schließlich wird ja wohl niemand einen Blick auf das Gesicht des geliebten Verstorbenen werfen wollen, wenn Ihr Euer Ziel erreicht, oder?«
Ich stieß mich zwar nicht an diesem Vorschlag, schüttelte aber dennoch den Kopf.
»Ganz abgesehen davon, dass man uns beide als Leichenräuber verhaften könnte, ist der arme Kerl ein Verwandter meines Mannes. Und er wollte ohnehin nie hierher.«