»Nun, wer will das schon?«, sagte Bell und blinzelte. »Doch so ist es nun einmal. Der Schädel unterhalb der Haut, wie es Euer Mr Eliot so bewegend formuliert hat.«
»Ich meinte Edinburgh, nicht den Sarg«, stellte ich klar. Glücklicherweise befand sich unter meinen Einkäufen bei Haugh eine große Flasche Brennspiritus, die ich in den Keller geholt hatte, nachdem ich sie vorsichtshalber in die vom Majordomus geliehene Schürze eines Dienstmädchens gewickelt hatte. »Ich bin überzeugt, dass er in Amerika begraben liegen wollte.«
»Ist das so«, murmelte Bell. »Ich kann mir gar nicht vorstellen, warum. Nun ja. Dann fallen mir zweierlei Dinge ein. Flickt den Sarg, und gießt ein oder zwei Gallonen billigen Gin hinein – das ist zumindest billiger als das, was Ihr da habt«, sagte er, als er meine Miene sah. »Oder … was glaubt Ihr, wie lange Ihr wohl in Edinburgh bleiben könnt?«
»Wir hatten eigentlich nicht vorgehabt, länger als eine Woche zu bleiben – aber wir können unseren Aufenthalt vielleicht um ein oder zwei Tage verlängern«, sagte ich vorsichtig und wickelte das Schürzenbündel auseinander. »Warum?«
Er nickte gemächlich, während er die Riegel an dem Sarg öffnete und die Überreste darin im Laternenschein betrachtete. Ein zutreffendes Wort, »Überreste«.
»Maden«, sagte er einfach nur. »Sie machen saubere Arbeit, aber es dauert ein bisschen. Dennoch, wenn wir das Gewebe schon zum Großteil ablösen könnten – hmm. Habt Ihr so etwas wie ein Messer?«
Ich nickte und griff in meine Tasche. Schließlich hatte mir Jamie das Messer gegeben, weil er glaubte, dass ich es brauchen würde.
»Habt Ihr denn Maden?«, fragte ich.
Ich ließ die verformte Bleikugel auf eine Untertasse fallen, wo sie leise klirrte und dann ausrollte. Wir betrachteten sie schweigend.
»Das hat ihn umgebracht«, sagte ich schließlich. Jamie bekreuzigte sich und murmelte etwas auf Gälisch, und Ian nickte nüchtern. »Gott schenke ihm Frieden.«
Ich hatte nicht viel von unserem exzellenten Nachmittagstee getrunken; ich hatte immer noch Verwesungsgeruch im Hals, trotz des Terpentins und der Tatsache, dass ich quasi in Alkohol gebadet hatte, bevor ich schließlich ein richtiges Bad in der Hotelwanne genommen hatte, mit Seife und heißem Wasser – so heiß es auszuhalten war.
»Nun«, sagte ich und räusperte mich. »Wie geht es denn Mme Jeanne?«
Jamie blickte von der Gewehrkugel auf, und seine Miene erhellte sich.
»Oh, bestens«, teilte er grinsend mit. »Sie hatte einiges zum Stand der Dinge in Frankreich zu sagen. Und über einen gewissen Percival Beauchamp.«
Ich richtete mich ein wenig auf.
»Sie kennt ihn?«
»So ist es. Er stattet ihrem Etablissement hin und wieder einen Besuch ab – allerdings nicht geschäftlich. Zumindest«, fügte er mit einem Seitenblick in Ians Richtung hinzu, »nicht ihr übliches Geschäft.«
»Schmuggel?«, fragte ich. »Oder Spionage?«
»Möglicherweise beides, doch wenn es Letzteres ist, hat sie es mir verschwiegen. Doch er bringt einiges an Ware aus Frankreich mit. Ich habe mir gedacht, vielleicht könnte ich mit Ian hinüberfahren, solange der General hier zugange ist – was glaubt Andy, wie lange es dauern wird, bis er so weit ist?«
»Irgendwo zwischen drei und vier Tagen bis hin zu einer Woche, je nachdem, wie, äh, rege die Maden sind.« Ian und Jamie erschauerten gleichzeitig. »Es ist dasselbe, was sonst unter der Erde geschieht«, erläuterte ich ihnen. »Irgendwann geschieht es mit uns allen.«
»Nun, aye, das stimmt«, räumte Jamie ein, während er sich noch ein Scone nahm und Sahne darauflöffelte. »Aber normalerweise geschieht es in aller Zurückgezogenheit, sodass man nicht darüber nachdenken muss.«
»Der General genießt völlige Zurückgezogenheit«, versicherte ich ihm mit einem Hauch von Strenge. »Er liegt unter einer ordentlichen Kleieschicht. Niemand wird etwas sehen, es sei denn, er schnüffelt in dem Sarg herum.«
»Nun, das könnte aber doch sein, oder«, meldete sich Ian zu Wort und steckte den Finger in die Konfitüre. »Wir sind hier in Edinburgh. Die Stadt steht in dem Ruf, dass hier ganze Horden von Leichenräubern unterwegs sind, weil hier so viele Ärzte Studienobjekte brauchen. Wäre es nicht besser, wenn du den General bewachen lässt, nur um sicherzugehen, dass er die Highlands vollständig erreicht?«
»Er wird schon bewacht«, räumte ich ein. »Das hat Andy Bell genau aus diesem Grund vorgeschlagen.« Ich fügte nicht hinzu, dass Andy mir selbst ein Angebot für die Leiche des Generals gemacht hatte – und ich keinen Zweifel daran gelassen hatte, was mit ihm geschehen würde, falls der General abhandenkam.
»Du sagst, Andy hat dir geholfen?«, fragte Jamie neugierig.
»Ja. Wir sind bestens miteinander ausgekommen. Apropos …« Eigentlich hatte ich das Thema unseres Gesprächs erst erwähnen wollen, nachdem Jamie den einen oder anderen Whisky getrunken hatte, doch der Augenblick erschien mir günstig, und so begann ich.
»Ich habe ihm diverse Dinge beschrieben, während wir gearbeitet haben – interessante Operationen und medizinische Kuriositäten, du weißt schon.«
Ian murmelte etwas über Leichenfledderer, die doch alle gleich seien, doch ich beachtete ihn nicht.
»Aye, und?« Jamies Miene war argwöhnisch; er wusste, dass etwas auf ihn zukam, konnte aber nicht sagen, was.
»Nun«, sagte ich und holte Luft, »das Ende vom Lied ist, dass er mir vorgeschlagen hat, ein Buch zu schreiben. Ein medizinisches Buch.«
Jamie zog langsam die Augenbrauen hoch, doch er bedeutete mir fortzufahren.
»Eine Art Handbuch für normale Leute, nicht für Ärzte. Mit den Grundlagen der richtigen Hygiene und Ernährung und Hinweisen zu den häufigsten Krankheiten, wie man einfach Arzneien herstellt, wie man sich bei Verletzungen und schlechten Zähnen hilft – derlei Dinge.«
Seine Augenbrauen schwebten immer noch in luftiger Höhe, doch er nickte weiterhin, während er den letzten Bissen seines Scones verdrückte. Er schluckte.
»Aye, nun ja, das klingt nach einem guten Buch – und gewiss wärst du genau die Richtige, um es zu schreiben. Hat er zufällig auch vorgeschlagen, was es kosten könnte, so etwas zu drucken und zu binden?«
»Ah.« Ich hatte die Luft angehalten, und jetzt atmete ich aus. »Er druckt dreihundert Exemplare mit maximal hundertfünfzig Seiten und Leineneinband und verkauft sie in seinem Laden im Austausch gegen die zwölf Jahre Miete, die er dir für die Druckerpresse schuldet.«
Jamies Augen quollen vor, und sein Gesicht lief rot an.
»Und er spendiert die Maden. Und den Wachtposten«, fügte ich hastig hinzu und schob den Portwein vor ihn hin, bevor er etwas sagen konnte. Er ergriff das Glas und leerte es in einem Zug.
»Dieser kleine Raffzahn!«, knurrte er, als er wieder sprechen konnte. »Du hast aber nichts unterschrieben, oder?«, fragte er nervös. Ich schüttelte den Kopf.
»Ich habe ihm gesagt, dass ich glaube, dass du vielleicht noch mit ihm verhandeln möchtest«, antwortete ich schwach.
»Oh.« Seine Gesichtsfarbe begann, sich wieder zu normalisieren.
»Ich möchte es gern«, sagte ich und senkte den Blick auf meine Hände, die zusammengefaltet auf meinem Schoß lagen.
»Du hast noch nie etwas davon gesagt, dass du ein Buch schreiben möchtest, Tante Claire«, sagte Ian neugierig.
»Nun, bis jetzt habe ich ja auch noch nicht ernsthaft daran gedacht«, verteidigte ich mich. »Und es wäre furchtbar schwierig und zu kostspielig gewesen, es von Fraser’s Ridge aus zu tun.«
»Kostspielig«, brummte Jamie und schenkte sich noch ein Glas Portwein ein, das er diesmal langsamer trank und dabei das Gesicht über den Geschmack verzog. Er überlegte.
»Möchtest du das wirklich, Sassenach?«, sagte er schließlich, und als ich nickte, stellte er seufzend sein Glas hin.
»Also schön«, sagte er resigniert. »Aber du bekommst dazu eine Spezialausgabe mit Ledereinband und Goldschnitt. Und insgesamt fünfhundert Exemplare. Ich meine, du möchtest doch bestimmt welche mit nach Amerika nehmen, oder?«, fügte er hinzu, als er mein verblüfftes Gesicht sah.