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Doch Balriggan … Es war dort nicht schlecht gewesen; er hatte den kleinen See gemocht und die Art, wie sich der Himmel darin spiegelte, so lautlos, dass man manchmal morgens das Gefühl hatte, man könnte in die Wolken hinuntersteigen, deren Abbild man dort sah, sich von ihrem kalten Nebel einhüllen lassen, in ihrem Frieden dahintreiben. Oder an den Sommerabenden, wenn Hunderte sich überlappender Ringe auf der Oberfläche aufglitzerten, weil die Insektenlarven aufstiegen, deren Tanz nur hin und wieder vom platschenden Sprung eines Lachses unterbrochen wurde.

Die Straße führte ihn dichter an das Wasser heran, und er sah die felsigen Untiefen, wo er Joan und Marsali gezeigt hatte, wie man mit den Händen Fische fing, und sie sich alle so sehr konzentriert hatten, dass sie nicht auf die Stiche der Mücken geachtet hatten. Bis zur Taille nass waren sie heimgegangen, rot gestochen und von der Sonne verbrannt, und die kleinen Mädchen waren an seinen Händen gehüpft und geschaukelt, glücklich im Sonnenuntergang. Er lächelte ganz schwach – dann wandte er sein Pferd bergauf dem Haus zu.

Es war schäbig, aber in annehmbarem Zustand, stellte er widerstrebend fest. Ein Maultier graste auf der Koppel hinter dem Haus; es war schon älter, sah aber gesund aus. Nun denn, immerhin gab Laoghaire sein Geld nicht für Gartenstatuen oder Vierspänner aus.

Er legte die Hand auf das Törchen, und sein Magen krampfte sich zusammen. Das Holz fühlte sich gespenstisch vertraut an; ohne zu überlegen, hatte er das Törchen an der Stelle, an der es immer über den Weg schleifte, angehoben. Der Krampf wand sich bis in seine Kehle vor, als er an seine letzte Begegnung mit Ned Gowan dachte, Laoghaires Anwalt. »Was will die verflixte Frau denn von mir?«, hatte er, mit den Nerven am Ende, gefragt. Woraufhin Ned fröhlich geantwortet hatte: »Euren Kopf über ihrem Gartentor.«

Mit einem kurzen Prusten schritt er hindurch, schloss das Törchen ein wenig fester als notwendig und blickte zum Haus auf.

Eine Bewegung fiel ihm ins Auge. Ein Mann saß auf der Bank vor der Kate, ein zerrissenes Stück Zaumzeug auf dem Knie, und starrte ihn an.

Ein unansehnlicher Junge, dachte Jamie, dürr und schmalgesichtig wie ein Frettchen; eine Gesichtshälfte war verunstaltet, und sein Mund hing offen, als wäre er erstaunt. Dennoch grüßte Jamie den Mann freundlich und fragte, ob seine Herrin wohl zu Hause sei.

Der Junge – aus der Nähe betrachtet, musste er wohl eher Mitte dreißig sein – blinzelte ihn an, dann wandte er den Kopf, um ihn mit seinem gesunden Ohr hören zu können.

»Wer seid Ihr denn?«, fragte er unfreundlich.

»Fraser von Broch Tuarach«, erwiderte Jamie. Es war schließlich ein formeller Anlass. »Ist Mrs –« Er zögerte, weil er nicht wusste, wie er Laoghaire nennen sollte. Seine Schwester sagte, dass sie trotz des Skandals darauf beharrte, sich weiter »Mrs Fraser« zu nennen. Er hatte das Gefühl gehabt, nicht widersprechen zu können – schließlich war es seine Schuld, und er war ohnehin in Amerika. Doch der Teufel sollte ihn holen, wenn er sie selbst so nannte, selbst vor ihrem Knecht.

»Holt mir bitte Eure Herrin«, sagte er knapp.

»Was wollt Ihr von ihr?« Der Mann kniff das gesunde Auge argwöhnisch zusammen.

Er hatte keinen Widerspruch erwartet, und ihm lag eine schneidende Antwort auf der Zunge, doch er zügelte sich. Es war klar, dass der Mann von ihm wusste, und es war gut, dass sich Laoghaires Knecht um ihr Wohlergehen sorgte, selbst wenn er sich rüde verhielt.

»Ich möchte mit ihr sprechen, wenn Ihr nichts dagegen habt«, sagte er außerordentlich höflich. »Glaubt Ihr, Ihr könntet ihr das vielleicht sagen?«

Der Mann stieß einen rüden Kehllaut aus und stand auf. Zu spät erkannte Jamie, dass seine Wirbelsäule verkrümmt war und ein Bein kürzer als das andere war. Doch es gab keine Entschuldigung, die alles nicht noch schlimmer gemacht hätte, und so nickte er nur knapp und ließ den Mann zum Haus humpeln, während er dachte, dass es Laoghaire ähnlich sah, einen lahmen Knecht zu beschäftigen, nur um ihn in Verlegenheit zu bringen.

Dann schüttelte er sich irritiert und schämte sich seines Gedankens. Was hatte er nur an sich, dass eine arglose Frau wie Laoghaire MacKenzie jeden einzelnen seiner niederen Charakterzüge an die Oberfläche holen konnte? Nicht dass seine Schwester das nicht ebenso gut konnte, dachte er seufzend. Doch Jenny entlockte ihm einen Wutausbruch oder einige voreilige Worte, fachte die Flammen an, bis er tobte, und löschte sie dann gekonnt mit einem einzigen Wort, als hätte sie ihn mit kaltem Wasser übergossen.

»Geh zu ihr«, hatte Jenny gesagt.

»Also schön«, sagte er kampflustig. »Hier bin ich.«

»Das sehe ich«, sagte eine helle, trockene Stimme hinter ihm. »Warum?«

Als er herumfuhr, sah er sich Laoghaire gegenüber, die mit dem Besen in der Hand in der Tür stand und ihn kalt ansah.

Er riss sich den Hut vom Kopf und verbeugte sich vor ihr.

»Guten Tag. Ich hoffe, es geht dir heute gut.« Anscheinend ja, das Gesicht unter der gestärkten weißen Haube war schwach errötet, ihre blauen Augen klar.

Sie betrachtete ihn von oben bis unten, ausdruckslos bis auf die hochgezogenen blonden Augenbrauen.

»Ich habe gehört, dass du heimgekommen bist. Warum bist du hier?«

»Um zu sehen, wie es dir geht.«

Ihre Augenbrauen hoben sich noch ein winziges bisschen weiter.

»Ich kann nicht klagen. Was willst du?«

Hundertmal war er diese Szene im Kopf durchgegangen, doch er hätte wissen sollen, was für eine Zeitverschwendung das war. Es gab Dinge, die man im Voraus planen konnte, aber keines davon hatte mit Frauen zu tun.

»Ich bin hier, um dir zu sagen, dass es mir leidtut«, sagte er unverblümt. »Ich habe es schon einmal gesagt, und du hast auf mich geschossen. Würdest du mir diesmal zuhören?«

Die Augenbrauen senkten sich. Sie blickte von ihm zu dem Besen in ihrer Hand, als ob sie abwog, wie nützlich er wohl als Waffe war, dann richtete sie den Blick wieder auf Jamie und zuckte mit den Achseln.

»Wie du willst. Möchtest du hereinkommen?« Sie wies mit dem Kopf zum Haus.

»Es ist so schön heute. Wollen wir im Garten spazieren gehen?« Er wollte das Haus nicht betreten, das voller Erinnerungen an ihre Tränen und ihr Schweigen war.

Sie betrachtete ihn ein oder zwei Sekunden lang, dann wandte sie sich kopfnickend dem Gartenpfad zu und überließ es ihm, ihr zu folgen. Ihm entging jedoch nicht, dass sie den Besen fest in der Hand behielt, und er war sich nicht sicher, ob er sich belustigt oder gekränkt fühlen sollte.

Sie gingen schweigend durch den Gemüsegarten und durchschritten das Törchen in den eigentlichen Garten. Auch dies war ein praktischer Garten, in dem Pflanzen für die Küche wuchsen, doch an seinem Ende stand ein kleiner Obstgarten, und zwischen den Erbsenranken und den Zwiebelbeeten wuchsen Blumen. Sie hatte Blumen immer schon geliebt, der Gedanke daran versetzte ihm einen leisen Stich.

Sie hatte sich den Besen über die Schulter gelegt wie ein Soldat sein Gewehr und schritt neben ihm her – ohne Eile, jedoch auch ohne Entgegenkommen. Er räusperte sich.

»Ich habe gesagt, ich bin hier, um mich zu entschuldigen.«

»Das habe ich gehört.« Sie sah ihn zwar nicht an, blieb aber stehen und berührte eine Kartoffelpflanze mit dem Zeh.

»Als wir … geheiratet haben«, sagte er und versuchte, sich an die Worte zu erinnern, die er sich so sorgsam zurechtgelegt hatte. »Ich hätte dich nicht darum bitten sollen. Mein Herz war kalt. Ich hatte kein Recht, dir etwas Totes anzubieten.«

Ihre Nasenlöcher blähten sich kurz, doch sie hielt den Kopf weiter gesenkt. Ihr Stirnrunzeln galt allein der Kartoffelpflanze, als fürchtete sie, dass sie mit Ungeziefer befallen sein könnte.

»Das wusste ich«, sagte sie schließlich. »Ich hatte gehofft –« Sie brach ab und presste die Lippen fest zusammen, während sie schluckte. »Ich hatte gehofft, ich könnte dir vielleicht eine Hilfe sein. Jeder konnte sehen, dass du eine Frau brauchtest. Anscheinend nur nicht mich«, fügte sie bitter hinzu.